Mitten in Ramsau:Ehre, wem keine gebührt

Mitten in Ramsau: Die nachmalige "Hindenburglinde" bei Ramsau, wie sie sich im Jahr 1900 als "große Linde" dem Baumfotografen und Buchautor Friedrich Stützer gezeigt hat. Heute gibt es Farbfotos, ansonsten sieht sie aber nicht viel anders aus.

Die nachmalige "Hindenburglinde" bei Ramsau, wie sie sich im Jahr 1900 als "große Linde" dem Baumfotografen und Buchautor Friedrich Stützer gezeigt hat. Heute gibt es Farbfotos, ansonsten sieht sie aber nicht viel anders aus.

(Foto: Repro: Johannes Schöbinger)

1933 haben die Ramsauer dem neuen Reichskanzler Hitler und seinem Ernenner Hindenburg alle Ehre erwiesen. Jetzt ist die daran eigentlich vollkommen unschuldige "Hindenburglinde" auch noch zum "Nationalerbe-Baum" erklärt worden.

Glosse von Matthias Köpf, Ramsau

"Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild" hat Friedrich Stützer in seinem so betitelten Buch schon anno 1900 beschrieben. Dieser Stützer war zwar Inspektor der Königlich Bayerischen Staatseisenbahn und als solcher eigentlich nicht zuständig, hat sich aber trotzdem sehr um das Beschreiben und Fotografieren der größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäumen verdient gemacht. Inzwischen sind die Zuständigkeiten natürlich klarer.

Für das Ernennen von sogenannten Nationalerbe-Bäumen zum Beispiel ist deutschlandweit das "Kuratorium Nationalerbe-Bäume" zuständig. Jetzt hat dieses Kuratorium den Titel als zweitem Baum in Bayern einer mächtigen Sommerlinde verliehen, die etwa 150 Meter über dem Ramsauer Tal bei Berchtesgaden an der B 305 die Stellung hält. Sie tut das wohl schon seit 750 Jahren, und damals gab es noch gar keine B 305. Vor allem aber gab es noch keinen Hindenburg.

"Große Linde" wie in Stützers Buch hieß besagter Baum natürlich auch nicht von Anfang an, belegt ist der Name aber seit 1850. "Hindenburglinde" hingegen heißt sie exakt seit dem 26. März 1933. An dem Tag fühlte sich ein anderes Gremium, nämlich der Ramsauer Gemeinderat, dafür zuständig, den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg sowie den knapp zwei Monate zuvor von genau diesem Hindenburg zum Reichskanzler ernannten Adolf Hitler zu Ramsauer Ehrenbürgern zu machen. So berichtet das alles der Berchtesgadener Kreisheimatpfleger Johannes Schöbinger.

Demnach erhielt Hindenburg zum Dank für die Berufung Hitlers von den Ramsauern an jenem Tag zusätzlich noch die Linde, rein namensmäßig jedenfalls. Vielleicht hätten sie auch gleich beim ebenfalls überlieferten Namen "Tausendjährige Linde" bleiben können, aber Hitlers "Tausendjähriges Reich" stand da ja noch ganz am Anfang und war leider erst zwölf Jahre später wieder Geschichte.

Zu viel der Ehre - aber nicht für den Baum

Die Ehrenbürgerwürde erlösche mit dem Tod, heißt es längst überall dort, wo man sich nicht die Mühe einer Distanzierung von alten Beschlüssen machen mag. Für die Ehrenbaumwürde gibt es keine Regel. Die große Linde jedenfalls steht hoffentlich noch lange über der Ramsau.

Dass sie jetzt als "Hindenburglinde" zum Nationalerbe erklärt wurde, ist aber zu viel der Ehre. Und zwar nicht für den Baum.

Zur SZ-Startseite

Sagen und Bräuche um Bäume
:Hexen, die auf Eichen sitzen

Bäume sind nicht nur ein begehrtes Nutzobjekt, sondern seit jeher auch ein vielschichtiges Symbol. Die Mythen und Sagen, die sich um sie ranken, bringen sowohl das Böse als auch das Gute zum Ausdruck.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: