Nach der Wahl in Niedersachsen:Die FDP will renitenter werden

Nach der Wahl in Niedersachsen: Ein Partei-Fähnchen bei der Wahlparty der FDP am Sonntag in Hannover.

Ein Partei-Fähnchen bei der Wahlparty der FDP am Sonntag in Hannover.

(Foto: Moritz Frankenberg/dpa)

Weil sie in Hannover aus dem Landtag geflogen sind, kündigen die Liberalen an, in der Ampelkoalition in Berlin künftig weniger Rücksicht zu nehmen. Seine Partei müsse "linke Projekte" von SPD und Grünen verhindern, sagt Generalsekretär Djir-Sarai.

Von Kassian Stroh

Nach ihrer Wahlniederlage in Niedersachsen will die FDP eigensinniger werden, der Ampelkoalition in Berlin stehen heftigere Auseinandersetzungen bevor. "Wir müssen verhindern, dass linke Projekte in dieser Koalition umgesetzt werden", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Sonntagabend in der ARD. "Die Stimme der FDP in dieser Koalition muss noch deutlicher zu erkennen sein." Das deutet nicht nur auf neuen Streit etwa in der Energie- und Finanzpolitik hin. Das dürfte auch SPD und Grüne beunruhigen, bei denen nicht wenige argumentieren, man habe im vergangenen Jahr ohnehin schon zu viel Rücksicht auf den liberalen Koalitionspartner genommen.

Bei der Landtagswahl in Niedersachsen ist die FDP mit 4,7 Prozent der Zweitstimmen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und aus dem Landtag geflogen. Die Grünen hingegen haben hinzugewonnen, sie werden aller Voraussicht nach mit der SPD eine Koalition bilden, die zwar an Prozentpunkten eingebüßt hat, aber weit weniger, als es die schlechten Umfragewerte bundesweit hätten bewirken können. Die FDP sei nicht zuletzt für ihre Beteiligung an der Ampel abgestraft worden - so sieht es ihr Spitzenkandidat in Niedersachsen, Stefan Birkner: "Mit zwei linken Parteien die bürgerliche Stimme deutlich zu machen, ist erschwert."

Die Liberalen mit Christian Lindner an der Spitze stehen unter Druck: Bei allen vier Landtagswahlen seit der Bundestagswahl haben sie massiv verloren. Im Saarland sitzen sie ebenfalls nicht mehr im Parlament, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen schafften sie den Wiedereinzug gerade so, flogen aber jeweils aus der Regierung. Nun stehen sie vor der Frage, ob sie sich einen Gefallen getan haben damit, mit SPD und Grünen im Bund eine Koalition einzugehen.

Debatten gab es in der Ampel schon vorher - jetzt dürfte es noch ungemütlicher werden

Diese zu verlassen, ist aber offenkundig keine Option. FDP-Chef Lindner sprach am Wahlabend von staatspolitischer Verantwortung in der Krise. Auch Christian Dürr, der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, sagt: "Das bleibt dabei: Wir übernehmen Verantwortung für Deutschland." Die Zeiten seien "herausfordernd", sagt Dürr, es stünden schwierige Entscheidungen in den kommenden Wochen an. Wichtig sei jetzt, "ans Land zu denken".

Dürr sagt aber auch: "Die Ampel ist kein leichtes Bündnis für die FDP, das war von Anfang an klar." Nun will sich seine Partei innerhalb der Koalition klarer abgrenzen, ihre Positionen "deutlicher markieren", wie das Parteivize Wolfgang Kubicki ausdrückt. Auf zentrale Herausforderungen in der Krise gebe es keine vernünftigen Antworten, klagt er. "Daran werden wir arbeiten müssen, oder diese Ampel wird in schweres Fahrwasser kommen." Am Montagvormittag werden Präsidium und Bundesvorstand der FDP die Lage analysieren.

Das alles bedeutet, dass SPD und Grüne künftig einen nervöseren Koalitionspartner haben werden, der für sie vermutlich noch ungemütlicher wird. "Es ist bedenklich, dass die FDP es nicht geschafft hat", sagt auch Grünen-Chef Omid Nouripour am Montagmorgen. Denn es ist ja nicht so, dass es in der Ampel zuletzt keine Auseinandersetzungen gegeben hätte.

Parteichef Lindner oder andere Personalien stehen nicht zur Diskussion

Die Debatten über eine Gasumlage, die Forderung nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke, mit der die FDP die Grünen ein ums andere Mal gereizt hat, das Festhalten an der Schuldenbremse, Steuersenkungen, dazu das Beharren auf eher lockeren Corona-Maßnahmen oder das kategorische Nein zu Lieblingsprojekten der Partner wie einem Tempolimit auf den Autobahnen: Die Kompromissbereitschaft ist auch auf Seiten von SPD und Grünen schwer geprüft worden. Dass es der FDP im niedersächsischen Wahlkampf allerdings nicht geholfen hat, so auf die Energiefrage zu setzen, also auf die Forderung, mehr Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken zu ziehen, darauf scheinen die Liberalen bisher noch keine rechte Antwort gefunden zu haben.

Und genauso wenig wie die Koalitionsbeteiligung stellen sie auch ihren Parteivorsitzenden nicht in Frage. Eine Diskussion über das Personal schloss der einflussreiche Parteivize Kubicki aus, kaum dass um 18 Uhr die erste Prognose vorlag. Die Liberalen seien "ein geschlossenes Team", sagte er in der ARD. Dies gelte auch für Lindner.

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