Schweizer Regierung:Der nette Herr Rösti tritt an

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Albert Rösti, Jahrgang 1967, will 2023 in den Bundesrat einziehen - also in die Regierung der Schweiz. (Foto: Gaetan Bally/Mauritius/Keystone)

Im Schweizer Bundesrat wird ein SVP-Sitz frei. Jetzt hat der Berner Albert Rösti seine Kandidatur verkündet. Er gilt als Favorit - dabei ist er wohl nicht der Lieblingskandidat der Parteiführung.

Von Isabel Pfaff, Bern

Der Satz kam vom politischen Gegner und war als Kompliment gemeint. "Spätestens, wenn Ueli Maurer als Bundesrat zurücktritt, werden wir nochmals über Albert Rösti sprechen", sagte 2020 der damalige Präsident der Schweizer Sozialdemokraten, Christian Levrat, über Albert Rösti, den scheidenden Präsidenten der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Nun, zwei Jahre später, ist es so weit: SVP-Finanzminister Ueli Maurer hat seinen Rücktritt erklärt - und Levrat recht behalten. Die ganze Schweiz redet über Albert Rösti.

Am Montag redete der 55-Jährige auch selbst. "Ich stelle mich für eine Bundesratskandidatur gerne zur Verfügung", sagte Rösti bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Bern. Es brauche in diesen Zeiten "stabile Lösungen und eine geeinte Führung" durch den Bundesrat, wie die Schweizer Regierung heißt. Er glaube, dazu beitragen zu können.

Albert Rösti will also in den Bundesrat. Das zählt in der Eidgenossenschaft mehr als in Deutschland, denn einen Bundesratssitz hat man dort meist über viele Legislaturperioden hinweg inne, da sich die siebenköpfige Schweizer Regierung nicht nach jeder Parlamentswahl neu bildet. Der Bundesrat ist eine Art übergroße Koalition, in der alle einflussreichen Parteien nach einem bestimmten Schlüssel vertreten sein sollen. Die Zusammensetzung bleibt meist auch nach den Wahlen in etwa gleich.

Veränderungen können sich nur dann ergeben, wenn sich die Wähleranteile der Parteien deutlich und anhaltend verschieben. Das ist seit 2019 mit dem Erstarken der Grünen der Fall, sie könnten bei den Wahlen im Oktober 2023 erstmals einen der sieben Sitze erringen. Doch an den zwei Bundesratssitzen der SVP, der stärksten Partei im Land, dürfte das wenig ändern. In Bundesbern geht man deshalb davon aus, dass auf den SVP-Mann Maurer wieder ein Bundesrat oder eine Bundesrätin der SVP folgt.

Kollegial und kompromissbereit - das gilt viel im Bundesrat

Röstis Kandidatur für Maurers Nachfolge war erwartet worden. Der im bernischen Kandersteg aufgewachsene Bauernsohn gilt als Top-Favorit, er bringt viele Jahre politische Erfahrung mit. Seit 2011 sitzt er im Nationalrat, der großen Kammer des Schweizer Parlaments, 2016 übernahm er für knapp vier Jahre das Parteipräsidium. Zudem gilt der promovierte Agronom parteiübergreifend als kundiger, fleißiger Parlamentarier. Außerdem, und das ist wohl das Wichtigste, sind nur wenige SVP-Politiker in der Hauptstadt so umgänglich und kompromissorientiert wie der Mann aus dem Berner Oberland. Eigenschaften, die bei Bundesräten viel gelten, denn das Schweizer Regierungsgremium funktioniert kollegial: Entscheidungen werden gemeinsam gefällt und geschlossen nach außen vertreten. Einzelkämpfer, stramme Parteisoldaten oder Selbstdarstellerinnen strapazieren dieses auf Kompromiss getrimmte System.

Selbst Christoph Blocher, SVP-Übervater und kurzzeitiger Justizminister, hat sich an den Besonderheiten des Bundesrats die Zähne ausgebissen - und wurde vom unzufriedenen Parlament wieder abgewählt. Albert Rösti dagegen kann dort mit breiter Unterstützung rechnen. Eben das hatte der Sozialdemokrat Levrat vor zwei Jahren gemeint: Ungeachtet seiner mitunter radikal rechten Partei gilt Rösti selbst schon lange als bundesratsfähig.

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Ironischerweise könnte ihm die eigene Partei sogar gefährlich werden. Als Rösti Ende 2019 das Parteipräsidium hinschmiss, interpretierten das die meisten Beobachter als Ende eines Experiments: Rösti wollte eine SVP, die weniger auf Provokation als vielmehr auf "Würde und Anstand" basiert, wie er es formulierte. Doch das vertrug sich nicht mit Blochers Absichten. Der 82-jährige Alt-Bundesrat lenkt hinter den Kulissen noch immer die Geschicke der Partei und hält von zu viel Kompromiss bekanntlich wenig.

Am 18. November will die SVP-Fraktion ihre Nominierungen - es könnten durchaus mehrere werden - für die Wahl am 7. Dezember bekannt geben. Dann wird sich zeigen, ob man dem netten Albert Rösti den Parteisegen gibt oder doch lieber Kandidatinnen und Kandidaten, die Blocher näher stehen.

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