Proteste im Gesundheitswesen:Bitte mehr davon!

Dass Haus- und Fachärzte protestieren, ist wichtig - denn anders wird die Politik wohl nicht für eine bessere medizinische Versorgungsstruktur sorgen. Aber jeder einzelne Patient ist ebenso gefragt, solche Aktionen zu unterstützen.

Kommentar von Johanna Feckl, Ebersberg

Wenn Corona eines gezeigt hat, dann das: Das deutsche Gesundheitssystem krankt. Klar, viele andere Länder haben in der Pandemie bislang schlechter abgeschnitten, wesentlich mehr Long- und Post-Covid-Geschädigte sowie Todesopfer zu beklagen - auch in Europa. Mitunter ein Zeichen dafür, dass die Struktur dort noch viel kränker ist. Aber nur, weil es woanders noch schlechter geht, bedeutet das nicht, dass hierzulande alles super ist. Es ist Schade, dass ein Protest notwendig ist, damit so manch einer überhaupt von den Fehlern im System Notiz nimmt - vor allem von der Situation der Medizinischen Fachangestellten (MFA) und nicht nur der von Ärztinnen und Ärzten.

Viel zu oft landet der Frust von Patienten über Grundlegendes bei den MFA, den Frustablassenden scheint das egal zu sein. Hinzu kommen ein überschaubares Gehalt, sich ständig ändernde bürokratische Vorgaben und eine Telematikinfrastruktur, die an Schikane grenzt: Einerseits sind die Arztpraxen verpflichtet, damit zu arbeiten. Andererseits, so ist von MFA zu hören, stellen Krankenkassen ihren Versicherten Gesundheitskarten aus, die damit nicht kompatibel sind.

Eigentlich ist es überraschend, dass nicht viel mehr MFA kündigen und die Branche verlassen, dass nicht ein noch viel größerer Nachwuchsmangel herrscht, als es ohnehin schon der Fall ist. Die verbliebenen Angestellten, die mit Engagement und Fleiß das Beste aus der Situation machen, verdienen höchsten Respekt.

Dazu zählt in jedem Fall auch eine angemessene monetäre Gegenleistung und dafür ist nicht allein der Praxisinhaber verantwortlich - denn der bekommt sein Praxishonorar und damit das Geld, mit dem er Angestellte bezahlt, von den Krankenkassen. Im Moment kann nicht die Rede davon sein, dass politische Rahmenbedingungen dafür existieren. Fast könnte man meinen, dass die Bundesregierung hier seit Jahrzehnten nach dem Motto "passt schon" vorgeht.

Das Personal in den Praxen ist gefragt, Eigeninitiative zu ergreifen. Denn anders wird die Politik wohl nie für ein sinnvolles besseres System sorgen. Aber auch jeder Einzelne, der vorhat, irgendwann einmal wieder zum Arzt zu gehen, sollte Aktionen wie die vom jüngsten Montag tatkräftig unterstützen - das tun derzeit noch zu wenige.

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