Öffentlicher Dienst:Inflationstreiber sind andere

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Die Empörung über Verdi und Beamtenbund ist groß, weil die Gewerkschaften zweistellige Lohnerhöhungen fordern. Und sie ist fehl am Platz.

Kommentar von Benedikt Peters

Natürlich reden jetzt viele von Heinz Kluncker. Die Gewerkschaften Verdi und Deutscher Beamtenbund fordern 10,5 Prozent mehr Lohn für die 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen, für Erzieher, Müllwerkerinnen und Pflegekräfte zum Beispiel. 10,5 Prozent, das ist so viel wie lange nicht, eben seit den Zeiten Klunckers.

Der Mann ist eine Art Schreckgespenst der Tarifwelt: In den Siebzigerjahren erstritt er für den öffentlichen Dienst elf Prozent mehr Geld, er soll damit die damalige Wirtschaftskrise verschärft und sogar zum Rücktritt des Kanzlers Willy Brandt beigetragen haben - was in dieser gerne bemühten Verknappung allerdings mit großer Vorsicht zu genießen ist.

Die Sorge, die mit Kluncker verbunden wird, ist die, dass Gewerkschaften unverantwortlich hohe Lohnsteigerungen durchdrücken, Firmen daraufhin Preise erhöhen könnten und immer so fort. Ökonomen nennen das Lohn-Preis-Spirale, sie treibt die Inflation und vertieft die Krise. Doch das Schreckgespenst taugt für diese Zeit nicht, aus mehreren Gründen. Die Gewerkschaften verhalten sich verantwortungsvoll, das zeigen die Tarifrunden seit Kriegsausbruch. Verdi & Co. fordern 10,5 Prozent, doch der Abschluss wird niedriger ausfallen. Dabei könnte ein Instrument zum Tragen kommen, das die Bundesregierung bereitstellt, um exakt jene Lohn-Preis-Spirale zu verhindern: Steuerfreie Sonderzahlungen von bis zu 3000 Euro, welche die Lohnkosten eben nicht dauerhaft steigern. Ohnehin treiben ja gerade nicht die Löhne die Inflation, sondern es sind vor allem die Energiepreise.

Allen Empörten sei außerdem gesagt: Die kommunalen Finanzen sind solider als mancher Arbeitgeber tut, das hat das Statistische Bundesamt gerade belegt. Die Gewerkschafter wollen nicht mehr, als die Teuerung ausgleichen und Wenig- und Mittelverdiener noch etwas stärker schützen; von ihnen gibt es im öffentlichen Dienst viele. Was, wenn nicht das, ist Aufgabe einer Gewerkschaft?

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