Typisch deutsch:Unter Schlägertypen

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Die Zuneigung unseres Autors zu dem Sport, den dieses Foto symbolhaft zeigt, hält sich in Grenzen. In seiner früheren Heimat Syrien ist Golfspielen eine Tätigkeit für die berüchtigte Bourgeoisie und korrupte Staatsmänner. (Foto: Aitor Alcalde/Getty Images)

Golfplätze sind Orte für Snobs mit aufpolierten Gebissen, akkurat frisierten Haaren und staubkornfreien Gewändern, findet unser Autor. Dennoch hat er einen Besuch gewagt.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

In meiner Nachbarschaft wohnt ein Mann, den ich regelmäßig samt einer Tasche voller Golfschläger das Haus verlassen sehe. Er ist eigentlich kein Schlägertyp, eher ein besonnener Mensch. Dennoch hüllt er sich in kariertes Gewand, rüstet sich mit weißen Kugeln aus und fährt zum Golfen.

Meine Zuneigung zu diesem sogenannten Sport hält sich in Grenzen. Wo ich herstamme, in Syrien, ist Golfspielen eine Tätigkeit für die berüchtigte Bourgeoisie, Politiker und Staatsmänner. Kreise, deren Vorliebe für Korruption bekannt ist. Golfplätze gibt es in Syrien nur zwischen den Villen von Politikern und gehobenem Bürgertum. Die Mittelschicht und die Armen haben damit keine Berührung. In Syrien kannte ich Golfanlagen nur aus Filmen.

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Wo ich nun wohne, führt meine Joggingrunde an dem Ort Steinhöring vorbei. Natur voll grünem Gras und kleiner Hügel. Idylle pur. Dachte ich. Denn im Gemeindegebiet liegt eine Rasenfläche mit Fähnchen und Löchern. Ein Ort für Schlägertypen.

Ich vermied es jahrelang, dem Golfplatz näher zu kommen, als für meine Joggingansprüche nötig. Solange, bis mein Nachbar mit Hang zu Kariertem mich einlud, eine Runde mit ihm auf der Steinhöringer Anlage zu spielen. Na gut, dachte ich mir, eine Chance verdient jeder.

Wir kamen am Golfplatz an, die Aussicht war wunderschön, aber die Leute wirkten versnobt mit ihren aufpolierten Gebissen, akkurat frisierten Haaren und staubkornfreien Gewändern. Mein Nachbar erklärte mir die Spielregeln, er schlug den Ball, stieg in den Caddy und fuhr zum zweiten Loch.

Ich stand immer noch weit weg vom ersten Loch. Ich stellte fest, dass Golf einem viel Zeit lässt, andere Golfspieler zu beobachten. Einer erinnerte mich von oben bis unten an Donald Trump. Es fehlte eigentlich nur noch, dass er irgendeinen wahlweise frauenfeindlichen oder rassistischen Spruch über den Platz plärrte. Dachte ich mir - um mich kurz darauf für diesen Gedanken zu schämen.

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Wie ich so dastand und Bällen beim Fliegen zuschaute, hörte ich plötzlich eine Stimme neben mir. Es war der Mann mit der Trump'schen Aura, die sich jedoch sogleich verflüchtigte. Dank seines breiten Oberbairisch, dem erst jetzt ersichtlichen Schnurrbart und den freundlichen roten Wangen. Eher ein Anti-Trump, dachte ich mir. Und behielt recht. Denn der Mann wollte mir etwas zeigen.

Schlägerhaltung, damit fing es an. Er machte es mir mit einem Schlag vor. Weil er es nicht schaffte, den Ball aus kurzer Distanz zu versenken, entwich ihm ein leiser Fluch. Zefix!

Ich bewunderte seine Beharrlichkeit, mit der er mir fortan alles erklärte. Je nach Entfernung zum Loch wechselte er sein Spielwerkzeug. Er meinte, dass er den Schläger noch genau so schwinge wie vor 20 Jahren. Der Unterschied zu früher liege allerdings darin, dass die Bälle nicht mehr wie gewünscht fliegen. Wir spielten weiter - und so lernte ich eine Golfweisheit kennen: 18 Golflöcher sagen mehr über den Mitspieler aus als 19 gemeinsame Jahre am Schreibtisch.

Mein Schreibtisch, ich sehnte mich regelrecht zu ihm. Als ich Loch 18 erreichte, dämmerte es bereits. Dann war es geschafft. Vor allem war ich geschafft. Ich fühlte mich glücklich in dem Wissen, dass es in Bayern - dem Himmel sei Dank - eine gute Alternative zum Golfspielen gibt. Ich bin eher der einfache Schlägertyp Minigolf.

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