Literatur:Die Rechte der Kaffee-Feen

Literatur: Eine Frauenrunde im Café Luitpold - hier fand 1899 der Auftakt des Ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentags statt.

Eine Frauenrunde im Café Luitpold - hier fand 1899 der Auftakt des Ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentags statt.

(Foto: akg-images/Luitpoldblock)

Ein neues Buch und eine kleine Ausstellung würdigen "Die Bayerischen Suffragetten" - neben Künstlerinnen oder Politikerinnen werden auch prägende Frauen aus dem Umfeld des Münchner Luitpold-Cafés vorgestellt.

Von Antje Weber, München

Was hat Bierkonsum mit Frauenrechten zu tun? Überraschend viel, folgt man der Autorin Claudia Teibler in die Vergangenheit. Vor mehr als hundert Jahren hatten Frauen nicht gerade viele Möglichkeiten zu arbeiten, geschweige denn, sich selbst zu verwirklichen: Die Frauen aus der Oberschicht sollten bitte gelangweilt das Haus hüten. Die Frauen aus unteren Schichten, von der Not zur Arbeit gezwungen, landeten oft als Kellnerinnen im Gastgewerbe - doch war der Job mit heute nicht zu vergleichen. Die Wirtshäuser waren von früh bis spät geöffnet, Arbeitszeiten von täglich 14 bis 19 Stunden an sechs bis sieben Wochentagen nicht selten. Erschwerend kam hinzu, dass der Bierkonsum das Fünffache von heute betrug und "das Gros der Gäste ständig betrunken" war. Wundert es da, dass 200 Bedienungen, unterstützt von der Frauenbewegung, im Jahr 1900 den "Münchner Kellnerinnenverein" als Interessenvertretung gründeten?

Literatur: Immer fröhliche Schützenliesl? Das suggeriert ein Bild von Friedrich August von Kaulbach. Doch der Job einer Kellnerin war einst ungleich härter als heute, wie die Autorin Claudia Teibler beschreibt. Im Jahr 1900 organisierten sich die Kellnerinnen schließlich in einem Verein.

Immer fröhliche Schützenliesl? Das suggeriert ein Bild von Friedrich August von Kaulbach. Doch der Job einer Kellnerin war einst ungleich härter als heute, wie die Autorin Claudia Teibler beschreibt. Im Jahr 1900 organisierten sich die Kellnerinnen schließlich in einem Verein.

(Foto: Gemälde von Friedrich August von Kaulbach/Königlich privilegierte Hauptschützengesellschaft München 1406)

Das ist nur einer von unterschiedlichsten Aspekten, die Teibler in ihrem Buch "Die Bayerischen Suffragetten" (Elisabeth Sandmann Verlag) zusammengetragen hat. Über die Anfänge der Frauenbewegung in München und Bayern ist in den vergangenen Jahren ja bereits viel geschrieben worden; es gab Ausstellungen und Theateraufführungen. Vorkämpferinnen wie Anita Augspurg, Dichterinnen wie Marie Haushofer hebt auch dieses Buch erneut hervor. Doch das Spektrum ist diesmal besonders breit, thematisch wie in Zeit und Raum. Teibler würdigt auch die mutige Politikerin Toni Pfülf, die Nürnberger Soziologin Julie Meyer, die Erlanger Mathematikerin Emmy Noether oder die resolute "Simplicissimus"-Wirtin Kathi Kobus. Überhaupt legt sie einen Schwerpunkt auf "Expertinnen für Gastronomie und Genuss" - und das hat seinen Grund.

Der liegt im Café Luitpold. Dieser "Feenpalast", wie das mondäne Kaffeehaus an der Brienner Straße in München schon bald nach seiner Eröffnung 1888 genannt wurde, bot Frauen bessere Arbeitsbedingungen als andere Wirtshäuser. Angesichts des "festlichen, palastartigen Gepräges" benahmen sich nicht nur die Gäste besser, wie Teibler bei einer Buchvorstellung vor einigen Tagen ebendort beschrieb, die Kellnerinnen hatten überhaupt ein besseres Standing, ob sie nun als "Wassermadln" oder erfahrene "Kaffeeköchinnen" wirkten: "Frauen konnten sich hier mehr entfalten." Dazu passt gut, dass der Auftakt des Ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentags 1899 im Luitpold stattfand - die Frauenrechtlerinnen wollten schließlich auch gesehen werden.

Literatur: 1888 eröffnete das Café Luitpold in München - ein mondäner "Feenpalast".

1888 eröffnete das Café Luitpold in München - ein mondäner "Feenpalast".

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Dass die Geschichte des Luitpoldblocks überhaupt eng mit emanzipierten Frauen verbunden ist, wird nicht nur im Buch, sondern ergänzend in einer - wirklich sehr kleinen - Ausstellung dort deutlich. Im Laufe seiner Geschichte bis heute haben immer wieder stilbildende Besitzerinnen das Café geprägt, früh auch leiteten hier Frauen wie Lonny van Laak ein Kino oder Hut- und Blumengeschäfte. Und nebenan wirkte zum Beispiel Margarete Ammon (erst kürzlich im Alter von hundert Jahren gestorben), die nach dem Krieg mit der Immobilienfirma Kithan am Wiederaufbau Münchens beteiligt war und später eine Stiftung gründete, die insbesondere Einrichtungen für Frauen fördert.

Und so staunt man bei der Lektüre über so manches Porträt inspirierender Künstlerinnen oder Unternehmerinnen, die sich an unterschiedlichsten Stellen in Bayern engagierten. Dafür wurden sie nicht immer belohnt, im Gegenteil erwarteten eine jüdische Schriftstellerin wie Carry Brachvogel, eine Ärztin wie die Würzburgerin Klara Oppenheimer während des Nationalsozialismus Verfolgung und Tod. Und auch der Kampf um Frauenrechte hat sich bis heute nicht erledigt, Themen wie Gleichberechtigung oder Selbstbestimmung über den eigenen Körper bleiben daueraktuell. "Wie mutig sind wir eigentlich?" fragt Verlegerin Elisabeth Sandmann, als sie die derzeitigen Proteste in Iran erwähnt. "Wir haben viel erreicht, aber wir sind dabei, schon wieder viel zu verlieren", auch das sagt sie. "Nichts ist selbstverständlich."

Claudia Teibler: Die Bayerischen Suffragetten (Elisabeth Sandmann Verlag, 176 S., 25 Euro). Kleine Ausstellung in der Sammlung Café Luitpold, Brienner Straße 11, bis 28. Feb., Mo-So 10-19 Uhr. Großes Begleitprogramm, siehe luitpoldblock.de

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