Iran:Vier Tote und Dutzende Verletzte nach Brand in Evin-Gefängnis

Iran: Auf diesem von der Nachrichtenagentur Irna zur Verfügung gestellten Foto ist ein Gebäude nach dem Brand auf dem Gelände des Evin-Gefängnisses zu sehen.

Auf diesem von der Nachrichtenagentur Irna zur Verfügung gestellten Foto ist ein Gebäude nach dem Brand auf dem Gelände des Evin-Gefängnisses zu sehen.

(Foto: Uncredited/dpa)

Die Gefangenen seien an einer Rauchvergiftung gestorben, teilen die Behörden mit - einen Zusammenhang mit den Protesten in Iran bestreiten sie.

Nach dem Brand im berüchtigten Evin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran haben die Behörden die ersten Toten gemeldet. Mindestens vier Gefangene seien an Rauchvergiftungen gestorben, 61 Inhaftierte seien verletzt worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Irna. Die Umstände wurden von offizieller Seite zunächst nicht weiter beschrieben. Menschenrechtsorganisationen und Kritiker hatten bereits in der Nacht Opfer in der Haftanstalt befürchtet.

Nach Angaben der Justiz wurde in einer Werkstatt des Gefängnisses Feuer gelegt - "nach einem Streit zwischen Häftlingen, die wegen Finanzdelikten und Diebstahls verurteilt worden waren". Teherans Staatsanwalt hatte bereits zuvor einen Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten bestritten, die sich vor vier Wochen im Land ausgebreitet haben. Die offiziellen Angaben des Regimes lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Im Evin-Gefängnis im Norden Teherans sitzen zahlreiche politische Gefangene - auch Demonstranten, die dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen Wochen inhaftiert sind. Evin ist deswegen und wegen der Kritik von Menschenrechtsgruppen berüchtigt, das Gefängnis gilt als Ort für Misshandlung und Folter von insbesondere politischen Gefangenen. Die USA haben das Gefängnis und seine Leitung 2018 wegen "ernster Menschenrechtsverletzungen" mit Sanktionen belegt.

Chaotische Szenen rund um das Gefängnis

Kritiker warnten vor einem Blutbad in dem Gefängnis. "Die Inhaftierten, darunter zahllose politische Gefangene, sind in diesem Gefängnis völlig schutzlos", sagte Hadi Ghaemi, Geschäftsführer der in New York ansässigen Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran (CHRI). "Die iranischen Behörden haben wiederholt gezeigt, dass sie das menschliche Leben völlig missachten, und wir sind äußerst besorgt darüber, dass Gefangene in diesem Moment getötet werden."

Rund um das Gefängnis kam es auch in der Nacht zu Staus und systemkritischen Protesten, bei denen immer wieder Slogans wie "Tod dem Diktator" zu hören waren. Polizei und Sicherheitskräfte riegelten das Gebiet ab und setzten Tränengas ein, Krankenwagen und Sondereinsatzkräfte waren zu sehen.

Die Familien von Inhaftierten hätten sich davor versammelt, geweint und Auskunft über ihre Angehörigen verlangt, berichteten Zeugen. Hupkonzerte wurden in der Gegend vernommen, wie die reformorientierte iranische Tageszeitung Shargh meldete. Das dauerhafte Hupen ist ein Zeichen der Solidarität mit den Protestierenden. Am Samstag waren nach Angaben von Augenzeugen in der Haftanstalt mehrere Explosionen und Schüsse zu hören gewesen. Demnach soll das Feuer bis Mitternacht gebrannt haben, bis zum Morgen stieg Rauch auf.

Baerbock besorgt um Menschenrechtslage

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte indes, die deutsche Botschaft sei in ununterbrochenem Kontakt mit den Behörden. Das Feuer möge gelöscht sein, "unsere Aufmerksamkeit für die Menschen, die dort festgehalten werden, und ihre Menschenrechte darf und wird nicht aufhören", schrieb sie auf Twitter. Auch die USA äußerten sich besorgt über die dramatische Lage. "Iran trägt die volle Verantwortung für die Sicherheit unserer zu Unrecht inhaftierten Bürger, die unverzüglich freigelassen werden sollten", schrieb der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, auf Twitter.

Im Iran protestieren seit Wochen zahlreiche Menschen gegen die Regierung. Menschenrechtsgruppen zufolge sind mindestens 240 Demonstrierende gestorben, darunter 32 Minderjährige. Der Aktivistengruppe Hrana zufolge wurden mehr als 8000 Menschen in 111 Städten verhaftet. Auslöser war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini vor einem Monat. Sie war in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie gegen die Regeln zum Tragen eines Kopftuchs verstoßen haben soll. Drei Tage später starb sie.

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Der Schritt wirkt wie eine Reaktion auf die Proteste, die auch nach brutalen Polizeieinsätzen nicht aufhören. Ein Vorfall bringt die Behörden zusätzlich in Erklärungsnot: Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Polizist einer Frau an den Po fasst.

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