BSI-Chef Schönbohm abberufen:Unerwünschte Beziehungen

BSI-Chef Schönbohm abberufen: Arne Schönbohm ist als Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik freigestellt worden.

Arne Schönbohm ist als Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik freigestellt worden.

(Foto: Rolf Vennenbernd/DPA)

Innenministerin Faeser entlässt Deutschlands obersten Cyberverteidiger. BSI-Chef Arne Schönbohm stand einem dubiosen Verein mit Kontakten nach Russland zu nahe. Auslöser des Rauswurfs war eine Sendung von Jan Böhmermann.

Von Jannis Brühl

Elf Tage nachdem Arne Schönbohm im Zentrum einer ZDF-Sendung von TV-Entertainer Jan Böhmermann stand, ist er seinen Job los. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Schönbohm, den Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), freigestellt. Das teilte ein Sprecher ihres Ministeriums am Dienstag mit. Zuerst hatte der Spiegel berichtet. Das BSI ist für die Cybersicherheit in Deutschland zuständig. Es soll Behörden und Unternehmen helfen, sich gegen Hacker zu schützen.

Schönbohm war in den Ruch gekommen, nicht genug Distanz zum problematischen Teil der IT-Sicherheitsbranche zu halten. Manche Unternehmen aus der Branche gelten als Instrumente für Spionage und Sabotage von Geheimdiensten - und sollten damit eigentlich Schönbohms Gegner sein. Schließlich können Unternehmen, die als Verteidiger von Computersystemen engagiert werden, diese auch ausspionieren.

Böhmermann hatte am Freitag vor einer Woche über Schönbohms Kontakte zum "Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V." berichtet, dem dubiose Kontakte nach Russland vorgeworfen werden. In dem Verein sind Unternehmen Mitglied, die im weitesten Sinne mit IT-Sicherheit zu tun haben. Der Name war in den Augen von Kritikern nahe an der Amtsanmaßung - schließlich klingt er, als handele es sich bei dem Lobby-Verein um ein offizielles Gremium der Bundesregierung.

"Vertrauensverhältnis beeinträchtigt"

Schönbohm hatte den Verein selbst in seiner Zeit in der IT-Privatwirtschaft gegründet. Als Amtschef des BSI trat er aus dem Verein aus und verbot seinen Mitarbeitern Besuche dort - um dann selbst bei dessen Zehnjahresfeier aufzutreten. Dafür hatte er sich eine Genehmigung des Innenministeriums eingeholt, dem das BSI untersteht.

Schönbohms weitere Kontakte zu dem Verein waren umso problematischer, als dort auch das Unternehmen Protelion Mitglied war. Protelions Mutterfirma Infotecs wurde von einem ehemaligen KGB-Mitarbeiter gegründet und unterhält Berichten zufolge Kontakte zum heutigen russischen Geheimdienst FSB. Das Unternehmen bestreitet, für Russland zu spionieren. Bekannt wurde in den vergangenen Tagen auch, dass das BSI eine Prüfung der Software von Protelion noch zwei Jahre weiterlaufen ließ, nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits vor der Firma gewarnt hatte.

Die Innenministerin habe nun entschieden, Schönbohm "die Führung der Dienstgeschäfte als Präsident des BSI mit sofortiger Wirkung zu untersagen", erklärte ein Ministeriumssprecher. "Hintergrund sind nicht zuletzt die in den Medien bekannten und breit diskutierten Vorwürfe, die das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde nachhaltig beschädigt haben."

Dies gelte "umso mehr in der aktuellen Krisenlage hinsichtlich der russischen hybriden Kriegsführung", erklärte der Sprecher weiter. "Die im Raum stehenden Vorwürfe beinträchtigen auch das unerlässliche Vertrauensverhältnis der Ministerin in die Amtsführung."

"Schönbohm kam ins Amt als Lobbyist"

Aus der Opposition kommt Zustimmung. Anke Domscheit-Berg, netzpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Die Entscheidung der Innenministerin halte ich für richtig, denn Arne Schönbohm hat dem BSI mit seiner fehlenden Distanz zum fragwürdigen Cybersicherheitsrat Deutschland e.V. schwer geschadet." Mit seinem Grußwort zum Geburtstag habe er "diesen Verein quasi mit einem TÜV-Siegel versehen".

Schönbohm war schon bei seiner Berufung vor sechs Jahren kritisiert worden, unter anderem, weil er als BWLer kein technisches Fachwissen für die komplexen Fragen der IT-Sicherheit mitbrachte. Domscheit-Berg sagte dazu: "Schönbohm kam ins Amt als Lobbyist und hat auch in seiner Amtszeit an der Spitze des BSI stets einen unverhältnismäßigen Schwerpunkt auf diese Art Tätigkeit gelegt und dabei wichtige Aufgaben des Organisationsaufbaus vernachlässigt."

Immerhin: Zur Freude von IT-Experten widersprach Schönbohm in seiner Amtszeit dem Innenministerium auch beim Thema Sicherheitslücken. Ministerin Faeser und ihre Sicherheitsbeamten wollen sich offenhalten, ob sie Schwachstellen in Software den Herstellern melden oder es sein lassen, um selbst Geräte oder Apps abzuhören. Schönbohm verließ sich lieber auf seine Fachleute und wollte alle Lücken sofort melden und schließen lassen.

Allerdings waren in den Tagen nach der Böhmermann-Sendung Fragen laut geworden, ob ein Rauswurf Schönbohms wirklich notwendig sei. Schließlich hatte er keinerlei direkten Kontakt zu mutmaßlichen russischen Agenten. Das Innenministerium hat mittlerweile überprüft, ob Protelion dem Staat selbst gefährlich nahegekommen ist. Auf eine Frage der Abgeordneten Domscheit-Berg antwortete Faeser nach SZ-Informationen: "Eine ressortweite Abfrage innerhalb der Bundesregierung hat ergeben, dass keine Produkte der Protelion-GmbH von Einrichtungen des Bundes eingesetzt werden bzw. wurden."

Wer nun Schönbohms Nachfolge antreten soll, steht noch nicht fest. Manuel Höferlin, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagte, es dürfe in diesen Zeiten kein Vakuum an der Amtsspitze geben: "Wichtig ist, dass neben der nötigen Aufklärung, die Position von Schönbohm jetzt schnell neu besetzt wird. Vor dem Hintergrund der aktuellen Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur und der hohen Gefährdung durch Russland darf es keinen Stillstand bei dem wichtigen Thema Cybersicherheit geben."

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