Frankreich:Wein ist rechts, Bier ist links

Frankreich: Ob man in anderen Ländern auch auf so eine Idee käme? Wein soll rechts sein. Soso.

Ob man in anderen Ländern auch auf so eine Idee käme? Wein soll rechts sein. Soso.

(Foto: Delmarty J/Alpaca/Andia.fr via www.imago-images.de/imago images/Andia)

Damit man sich wieder ein wenig auskennt in der Welt: Eine französische Website ordnet die Dinge des Lebens politisch ein.

Von Kathrin Müller-Lancé, Paris

In Zeiten, in denen Grüne die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängern und sich Linksaußen und Rechtsaußen beim Putin-Rechtfertigen gefährlich nahe kommen, kann man schon mal die Orientierung verlieren. In Frankreich will nun ein Online-Tool Abhilfe schaffen, es trägt den Namen "Ist das links, oder ist das rechts?".

Die Idee ist denkbar einfach. In den Suchschlitz auf der Internetseite gibt man ein Wort oder einen Namen ein, klickt auf "Go" und bekommt ein Ergebnis ausgespuckt: "Marine Le Pen" ist rechts, "Jean-Luc Mélenchon" ist links. So weit, so klar. Aber das Tool funktioniert auch für Dinge, über deren politische Ausrichtung man sich bisher vielleicht weniger Gedanken gemacht hatte. "Bier" zum Beispiel ist laut dem Generator links, "Wein", ist rechts. "Strumpfhose" ist rechts, "Cordhose" ist links. Mit Daumen hoch oder runter können die Nutzer bewerten, ob das Ergebnis zutrifft, und so die künstliche Intelligenz verfeinern, die dahintersteckt.

Fünf Millionen Begriffe kann man abfragen

Die Internetseite und der zugehörige Twitter-Bot scheinen einen Nerv zu treffen. Französische Politikerinnen und Politiker testen live im Fernsehen, wo sie das Tool einsortiert. Der 23-jährige Informatiker Théo Delemazure, der sich das Ganze ausgedacht hat, tourt durch die Medien. "Dieser Erfolg hat mich überrascht", sagt er am Telefon. "Ich hätte gedacht, dass das höchstens ein paar Leute auf Twitter amüsiert." Auf die Idee zu der Seite kam Delemazure eines Abends mit Freunden, sie fragten sich, welche Gegenstände eher links und welche eher rechts seien, zum Beispiel, ob es einen Unterschied zwischen den Biermarken Heineken und Kronenbourg gebe. Delemazure trainierte eine Künstliche Intelligenz mit einigen Namen und Wörtern und stellte die Seite Anfang Oktober online. Inzwischen sind ihm zufolge knapp fünf Millionen Begriffe eingegeben worden.

Dass das Tool ausgerechnet aus Frankreich stammt, ist nur konsequent. Die politische Unterscheidung zwischen rechts und links hat hier Tradition, genau genommen sogar ihren Ursprung. Denn, kleiner Exkurs in die Geschichte: Als nach der Französischen Revolution die verfassungsgebende Nationalversammlung zusammenkam, saßen die konservativen Royalisten rechts des Präsidenten und die revolutionären Republikaner links. Seitdem wird das in vielen Parlamenten der Welt ebenso gehandhabt.

Und was ist die Liebe?

"Das Rechts-links-Schema ist in unserer Kultur fest verankert", sagt der Entwickler Théo Delemazure. "In Frankreich überlegen wir ständig, ob eine Person oder das, was sie gesagt hat, eher rechts oder links ist." Auch Emmanuel Macron, nach eigenem Anspruch Brückenbauer zwischen rechts und links, konnte das nur bedingt ändern. Zwar hat er das traditionelle Parteienspektrum praktisch niedergemäht, dafür erstarken die politischen Extreme - rechts und links. Macron wird von Delemazures Tool übrigens als rechts eingeordnet. "Das hat die künstliche Intelligenz so berechnet", sagt Théo Delemazure. "Und die Nutzer haben es bestätigt."

Nur bei wenigen Begriffen hält sich der Algorithmus zurück und gibt an, dass sie beides sind, links und rechts. Das passiert zum Beispiel, wenn man "Liebe" oder "Frankreich" eingibt. Oder: "Füße".

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