Rassismus:"Symbol der Versöhnung"

Rassismus: Botschafterin der Versöhnung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l) und Mevlüde Genc, 25 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag von Solingen, im Jahr 2018.

Botschafterin der Versöhnung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l) und Mevlüde Genc, 25 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag von Solingen, im Jahr 2018.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Mevlüde Genç verlor beim rechtsradikalen Brandanschlag von Solingen 1993 fünf enge Familienangehörige. Seither rief sie unerschütterlich zur einem friedlichen Miteinander auf. Nun ist sie im Alter von 79 Jahren gestorben.

Sie sei ein "unerschütterliches Symbol der Versöhnung" gewesen und zugleich "Sinnbild einer deutschen Tragödie". So würdigte der Ditib-Bundesverband am Sonntag die Friedensbotschafterin Mevlüde Genç aus Solingen, die bei einem Brandanschlag im Jahr 1993 fünf Familienmitglieder verloren hatte. Sie ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Mit ihr "verliert unser Land ein großes Vorbild der Versöhnung.

Wie wenige andere hat Mevlüde Genç den Glauben an das Gute im Menschen verkörpert", äußerte sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst laut Angaben der Düsseldorfer Staatskanzlei nach ihrem Tod. "Wir werden Mevlüde Genç und ihr Wirken schmerzlich vermissen. Unsere Gedanken und Gebete sind bei ihrer Familie", sagte der CDU-Politiker. Mevlüde Genç wäre im kommenden Februar 80 Jahre alt geworden. Eine zentrale Trauerfeier findet am Dienstag statt.

Ein "Vorbild" für Cem Özdemir

Mevlüde Genç und ihr Mann Durmuş Genç hatten im Mai 1993 zwei Töchter, zwei Enkelkinder und eine Nichte verloren, nachdem Rechtsextremisten Brandsätze in ihr Haus in Solingen geworfen hatten. In der Nacht des 29. Mai 1993 hatten die vier rechtsradikalen Männer das Haus der türkischstämmigen Familie in Solingen angezündet. 17 Familienmitglieder waren dabei schwer verletzt worden. Schon kurz nach dem Attentat hatte Mevlüde zur Versöhnung aufgerufen.

In einem SZ-Interview zum 20 Jahrestag des Anschlags sagte sie auf die Frage, warum sie in Solingen geblieben sei: "Ich habe immer hier gelebt. Sowohl das Gute als auch das Schlechte der Stadt gehört zu mir. Ich empfinde Solingen genauso als meine Heimat wie die Türkei und liebe es hier genauso. Die schmerzliche und die schöne Seite gehören dazu. Ich kenne hier jede Straße. Ich kenne mich hier aus. Ich fühle mich hier überhaupt nicht fremd. Ich bleibe bis zu meinem Tod hier. Meine Kinder und ich."

Die NRW-Landesregierung stiftete ihr 2018 zu Ehren eine Mevlüde-Genç-Medaille für besondere Verdienste um Toleranz, Versöhnung zwischen den Kulturen und um das friedliche Miteinander der Religionen. "Mevlüde Genç hat den Frieden und die Versöhnung immer an erste Stelle gesetzt. Sie verstand es, den unermesslichen Schmerz, der ihr zugefügt wurde, umzuwandeln in Kraft, um sich für andere Menschen einzusetzen. Sie hat den Hass, die Gewalt und die Missgunst, die ihr entgegenschlugen, als Großherzigkeit und Toleranz zurückgegeben", sagte Wüst.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) teilte mit: "Nach dem rassistischen Anschlag von Solingen hat sie sich geweigert, die Mörder zu hassen. Rassisten leben von Hass - genau den hat sie denen nie geben. Sie wird für immer mein großes Vorbild bleiben."

Auch die NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) gedachte Genç in einer Mitteilung ihres Ministeriums nach ihrem Tod: "Zeit ihres Lebens hat Mevlüde Genç zu Toleranz und einem friedlichen Miteinander zwischen den Kulturen aufgerufen. Dafür gebührt ihr mein Dank und der unserer gesamten Gesellschaft. Meine Gedanken sind bei Familie und Freunden dieser beeindruckenden und starken Frau."

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