Verfahren zur WM 2006:Man kann nur einmal vor Gericht

Verfahren zur WM 2006: Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger, Franz Beckenbauer Horst R. Schmidt (von links) bildeten das Präsidium des Organisationskomitees für die WM 2006.

Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger, Franz Beckenbauer Horst R. Schmidt (von links) bildeten das Präsidium des Organisationskomitees für die WM 2006.

(Foto: DB Kunz/dpa)

Das Landgericht Frankfurt stellt das Verfahren gegen die drei früheren DFB-Funktionäre Niersbach, Schmidt und Zwanziger ein. Die Staatsanwaltschaft will sich damit nicht abfinden.

Von Johannes Aumüller

Die juristische Auseinandersetzung im Skandal um Millionenzahlungen vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 geht weiter. Zwar hat das Landgericht Frankfurt Ende der vergangenen Woche beschlossen, das Verfahren gegen die drei früheren DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, 71, Horst R. Schmidt, 80, und Theo Zwanziger, 77, einzustellen. Allerdings wird die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen diese Entscheidung nun eine sofortige Beschwerde einlegen. Das bestätigte eine Sprecherin der Behörde der SZ. Damit muss sich nun erneut das Oberlandesgericht mit der Causa beschäftigen.

Die Entscheidung des Landgerichts fußt im Kern nicht auf inhaltlichen Gründen, sondern darauf, dass sich das angeklagte Trio wegen desselben Sachverhaltes im Frühjahr 2020 schon vor einem Schweizer Gericht verantworten musste. Gemäß einem alten rechtlichen Grundsatz kann ein Angeklagter für einen vorgeworfenen Sachverhalt nur einmal abgeurteilt werden, das gilt auch länderübergreifend. Dass das Schweizer Verfahren gegen die ehemaligen Funktionäre nicht mit einem inhaltlichen Urteil, sondern wegen Verjährung mitten in der Hauptverhandlung endete, ändert für das Landgericht nichts.

In dem Verfahren geht es um eine Zahlung des WM-Organisationskomitees aus dem Frühjahr 2005. Damals flossen 6,7 Millionen Euro an den Fußball-Weltverband; die Summe war als Beitrag für eine geplante, später abgesagte WM-Gala deklariert. Tatsächlich wurde der Betrag von der Fifa noch am selben Tag an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus (verstorben 2009) weitergereicht. Damit wurde ein Kredit getilgt, den der Franzose anno 2002 dem deutschen WM-Chef Franz Beckenbauer, 77, gewährt hatte, damit zehn Millionen Franken an den katarischen Geschäftsmann und Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam, 73, fließen konnten. Der Grund für diese Transaktion, die den Sommermärchen-Skandal ausgelöst hat, ist bis heute ungeklärt.

Am Ende des Prozesses könnte der DFB 26 Millionen Euro zurückerstattet bekommen

Die Schweizer Bundesanwaltschaft warf den drei deutschen Funktionären sowie dem ehemaligen Fifa-Generalsekretär Urs Linsi in diesem Zusammenhang Betrug zu Lasten des DFB beziehungsweise Beihilfe dazu vor. Bei der Anklage der deutschen Staatsanwaltschaft geht es um den Vorwurf der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall, weil die 6,7 Millionen Euro zu Unrecht als Betriebsausgabe geltend gemacht worden seien. Alle Beteiligten beteuerten stets ihre Unschuld.

Das Verfahren in Frankfurt dauert schon lange an. Bereits im Herbst 2015 begannen die Ermittlungen. 2018 entschied das Landgericht, die Anklage nicht zuzulassen: Die 6,7-Millionen-Zahlung habe als "Entlohnung" für den WM-OK-Chef Beckenbauer gedient und sei deswegen als Betriebsausgabe zu werten. Auch damals legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein - und das erfolgreich. Das Oberlandesgericht ordnete an, das Verfahren zu eröffnen.

Am Ende des Prozesses könnte auch der DFB von der aktuellen Entscheidung des Landgerichts profitieren. Ihm war wegen der Verbuchung der 6,7 Millionen Euro die Gemeinnützigkeit für das Jahr 2006 aberkannt worden, was ihn knapp 20 Millionen Euro kostete.

Inklusive Zinsen könnte er nun 26 Millionen Euro zurückerstattet bekommen. Ex-DFB-Boss Zwanziger reichte bereits vor einigen Wochen eine Strafanzeige gegen verschiedene Vertreter der hessischen Justiz und Steuerfahndung wegen der Verfolgung Unschuldiger und Untreue ein und kündigte eine Schadenersatzklage von "nicht unter 50 000 Euro" an.

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