Provisionen:Die Bafin nimmt sich die Lebensversicherer vor

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Bafin-Chef Mark Branson wird bei den Provisionen der Lebensversicherer aktiv - obwohl sein Vorgesetzter, der Finanzminister, das eigentlich nicht will. (Foto: Arne Dedert/picture alliance/dpa)

Für Lebensversicherungen knöpft die Branche ihren Kunden jedes Jahr Milliarden Euro an Vertriebskosten ab. Die Finanzaufsicht will jetzt genauer hinschauen.

Von Herbert Fromme und Friederike Krieger, Köln

Nun machen die Aufseher also doch ernst: Sie wollen gegen zu hohe Kosten beim Verkauf von Lebensversicherungspolicen vorgehen. In einem Merkblatt-Entwurf kündigt die zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) an, all jene Anbieter zu überprüfen, die besonders hohe Kosten aufweisen.

Ob Allianz, Generali, Zurich oder R+V - fast alle Lebensversicherer verkaufen ihre Policen über Vertreter, Makler, Großvertriebe oder Banken. Die erhalten hohe Provisionen, die Kosten reichen die Versicherer an ihre Kunden weiter: Allein 2021 zahlten sie 8,3 Milliarden Euro an Abschlusskosten, im Jahr zuvor waren es 7,7 Milliarden. Geld, das den Versicherten später bei der Rendite fehlt.

In Großbritannien, den Niederlanden und den meisten nordischen Ländern sind Provisionen beim Abschluss von Altersvorsorgeverträgen deshalb untersagt. In Deutschland scheiterte der Versuch des damaligen Finanzministers Olaf Scholz (SPD), mit der großen Koalition zumindest eine Obergrenze für Provisionen einzuziehen, am Widerstand der Union. Die FDP ist ohnehin dagegen, Parteichef und Finanzminister Christian Lindner hat jeder Form von Begrenzung eine Absage erteilt. Dass die ihm unterstellte Bafin jetzt dennoch tätig wird, hat auch mit der EU zu tun. Denn in deren Richtlinie zum Versicherungsvertrieb ist geregelt, dass die Versicherer ein angemessenes Verhältnis zwischen Vertriebskosten und Renditechancen der Kunden sicherstellen müssen. Offenbar sieht die Behörde hier Probleme.

Im Visier sind Anbieter mit besonders hohen Kosten

Nun hat sie deshalb den Entwurf eines lange erwarteten Merkblatts zur kapitalbildenden Lebensversicherung veröffentlicht und interessierte Unternehmen und Organisationen aufgefordert, sich bis Mitte Januar 2023 dazu zu äußern. Zuvor hatte die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa ein Papier zur Beurteilung des Preis-Leistungs-Verhältnisses bei diesen Verträgen veröffentlicht.

Die Behörde spricht von einem "risikoorientiertem Aufsichtsansatz", den sie künftig verfolgen will. "Danach wird die Aufsicht vor allem die Versicherer näher prüfen, bei denen die Effektivkosten der kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukte im Branchenvergleich deutlich erhöht sind", schreibt die Bafin in der Mitteilung zu ihrem Entwurf. Das seien Unternehmen, deren wichtigste Verträge Effektivkosten im oberen Viertel der Branchenwerte aufweisen. Gleiches solle für Anbieter gelten, die durch hohe Aufwendungen für Versicherungsvermittler auffallen. "Dabei soll es vor allem um hohe Abschlussprovisionen gehen", schreibt die Bafin.

Damit dürften vor allem die Geschäftsmodelle von Vertrieben wie DVAG unter Druck geraten. Der Vertrieb, der zu 60 Prozent der Familie Pohl und zu 40 Prozent der Versicherungsgruppe Generali gehört, kassiert neben Provisionen von Versicherern auch Kickbacks von Fondsgesellschaften, die kaum transparent sind. Diese Rückvergütungen sieht die Bafin besonders kritisch.

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Der Finanzvertrieb DVAG hat eine neue Einnahmequelle entdeckt: Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen kassiert er nicht nur beim Versicherer, sondern auch bei den Fonds. Zahlen müssen das die Kunden.

Von Herbert Fromme

Eine im März 2022 veröffentlichte Bafin-Abfrage zu den Kosten der Lebensversicherer im ersten Halbjahr 2021 hatte ergeben, dass die Effektivkosten bei einem Eintrittsalter von 37 Jahren und einer Vertragslaufzeit von 30 Jahren bei 75 Prozent der meistverkauften fondsgebundenen Policen die Rendite um weniger als 2,35 Prozent mindern. Laut der Logik des Merkblatts müssen also Anbieter mit höheren Kosten mit einer Prüfung durch die Aufseher rechnen.

Hohe Kosten können schon bei niedriger Inflation den Gewinn auffressen

"Damit Altersvorsorgeprodukte einen angemessenen Kundennutzen haben, müssen sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit über ihre Laufzeit hinweg einen realen Anlageerfolg erzielen, also eine Rendite nach Kosten, die oberhalb einer begründeten Inflationserwartung liegt", schreibt die Bafin. Sogar bei der von ihr angenommenen sehr geringen Inflationserwartung von zwei Prozent können hohe Effektivkosten dazu führen, dass Kunden kaum Rendite erzielen oder Verlust machen.

Bei Effektivkosten von vier Prozent, wie sie einige Anbieter bei der Bafin-Abfrage aus dem März 2022 aufweisen, würden "bereits in dem betrachteten mittleren Szenario keine Rendite nach Kosten oberhalb der Inflationserwartung mehr erreicht. Ein angemessener Kundennutzen würde daher nicht vorliegen". Dass viele Kunden zudem vorzeitig kündigen, verschärft die Situation noch. Denn wer den Vertrag aufgibt, zahlt drauf. "Bei einer mittleren Rendite von fünf Prozent würde ein Vertrag mit Effektivkosten von 2,35 Prozent für die gesamte Vertragslaufzeit zum Kündigungszeitpunkt nach 15 Jahren bereits keine positive Realrendite mehr erreichen", so die Aufsicht. "Der angemessene Kundennutzen wäre bei diesem Kostenniveau also zumindest fraglich."

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