Oberschweinbach:Flüchtlinge im Pflegeheim

80 Menschen aus der Ukraine sollen ins leerstehende Erdgeschoss des "Hauses am Klostergarten" im Ortsteil Spielberg einziehen. Offenbar rechte Kreise reagieren mit fremdenfeindlichen Drohanrufen und Hassbotschaften.

Von Stefan Salger, Oberschweinbach

Oberschweinbach: Hat selbst Krieg und Vertreibung erlebt: Ernestine Pietsch, hier beim Spazierengehen mit ihrem Sohn Willy, gehört dem Bewohnerbeirat des Hauses am Klostergarten an und freut sich auf die Menschen aus der Ukraine.

Hat selbst Krieg und Vertreibung erlebt: Ernestine Pietsch, hier beim Spazierengehen mit ihrem Sohn Willy, gehört dem Bewohnerbeirat des Hauses am Klostergarten an und freut sich auf die Menschen aus der Ukraine.

(Foto: Stefan Salger)

Nichts scheint diese Idylle trüben zu können. Am Mittwoch strahlt die Sonne vom blauen Himmel, und der Wind bläst das bunte Herbstlaub über die Wege von Spielberg, dem Ortsteil der Gemeinde Oberschweinbach mit dem schmucken Klostergebäude nebst Kirche, Gemeindeverwaltung, Feuerwehr und Bürgersaal. Da passen hasserfüllte Anrufe, Drohmails und beleidigende Attacken in den sozialen Medien so gar nicht ins Bild. Grund sind die bis zu 80 Flüchtlinge aus der Ukraine, die im leerstehenden Erdgeschoss des Pflegeheims "Haus am Klostergarten" aufgenommen werden sollen. Die dort wohnenden Seniorinnen und Senioren haben nichts dagegen, begrüßen die Hilfe für Kriegsflüchtlinge vielmehr teils ausdrücklich. Bürgermeister Norbert Riepl betont, dass auch die Einwohner Oberschweinbachs hilfsbereit seien und es eine Willkommenskultur gebe. Die Vorwahlnummern lassen darauf schließen, dass viele Anrufer, die sich bei der Leitung des Seniorenheims sowie im Rathaus mit fremdenfeindlichen Kommentaren zu Wort gemeldet haben, in den neuen Bundesländern leben. Es dürfte sich um Reaktionen auf eine überregionale Berichterstattung in Boulevardmedien handeln.

Wohl im Laufe der kommenden Woche sollen die Flüchtlinge in das Erdgeschoss einziehen. Dort gibt es 36 Zimmer. 15 Personen, die dort wohnten, sind mittlerweile in leerstehende Zimmer im ersten oder zweiten Stock gezogen. Sie sowie ihre Angehörigen hätten dem ausdrücklich zugestimmt, heißt es von der Altenheimbetreiberin Korian Deutschland GmbH. Wegen des Fachkräftemangels können in der Einrichtung lediglich 80 der 137 Betten mit pflegebedürftigen Menschen belegt werden - etwa 80 Mitarbeiter kümmern sich um sie. Ein Umzug in die beiden Obergeschosse sei unabhängig von der nun geplanten Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern ohnehin aus Gründen einer effizienteren Betreuung geplant gewesen, sagt Pflegedienstleiterin Nadine Hille.

Der Vertrag zwischen dem Landratsamt Fürstenfeldbruck und der Firma Korian ist zunächst auf ein Jahr befristet, nachdem die Kreisbehörde im März erstmals angefragt hatte. Korian hat bereits Erfahrung mit der Unterbringung schutzsuchender Menschen: Im Mai sind in Jena, einer der bundesweit 230 Einrichtungen, 71 Geflüchtete eingezogen. Und in Anlagen des Betreuten Wohnens in Ilsede und Landscheid leben in sechs beziehungsweise sieben Appartements Geflüchtete. "Die Resonanz auf diese Entscheidung ist in allen Einrichtungen positiv", schreibt Monika Steilen, Sprecherin der in München ansässigen Korian-Gruppe. "Bewohner:innen, Mitarbeiter:innen und Geflüchtete berichten von einem harmonischem Zusammenleben." Überschneidungen zwischen den beiden Wohnbereichen soll es auch in Oberschweinbach nicht geben - die Zimmer im Erdgeschoss sind über einen separaten Eingang zugänglich. Vier Security-Kräfte sollen die Sicherheit der Unterkunft gewährleisten.

Oberschweinbach: Herzlich willkommen: Die Bewohnerinnen (von links) Renate König, Ursula Hellwig und Hannelore Gärtner haben schon mal ein Plakat vorbereitet.

Herzlich willkommen: Die Bewohnerinnen (von links) Renate König, Ursula Hellwig und Hannelore Gärtner haben schon mal ein Plakat vorbereitet.

(Foto: privat)

Ernestine Pietsch hätte aber auch gar nichts gegen mehr Kontakte. Die 94-jährige gebürtige Maisacherin gehört dem Bewohnerbeirat an und begrüßt die Aufnahme der Flüchtlinge. "Ich habe selbst ja noch den Krieg erlebt und wurde mit meiner Familie aus dem Sudetenland vertrieben." Bereits vor fünf Monaten ist sie im Haus nach oben umgezogen, das sei gar kein Problem gewesen und reibungslos verlaufen, erzählt sie. "Die Leute müssen doch irgendwo unterkommen, da ist es doch schön, wenn wir helfen können." Dass ein paar Mitbewohner sich sorgen, dass es durch Kinder lauter werden könnte, kann Ernestine Pietsch nicht so recht verstehen. So seien Kinder halt, das wisse sie aus eigener Erfahrung. Mit Menschen aus anderen Ländern kommt sie ohnehin gut klar, schließlich stammen ja auch viele der Pflegekräfte aus verschiedenen Ländern. Ihr Sohn Willy, der am Mittwoch aus Maisach zu Besuch gekommen ist, um mit seiner Mutter spazieren zu gehen, sieht das ähnlich. Einige seiner Nachbarn kommen aus Bosnien, Kroatien, Serbien - alles nette Leute. Zumeist handle es sich bei den Kriegsflüchtlingen, die in Spielberg unterkommen sollen, um Frauen und Kinder, die mithin ganz besonders schutzbedürftig seien.

Oberschweinbach: Oberschweinbachs Bürgermeister Norbert Riepl spricht sich für eine gerechtere Verteilung aus und fühlt sich von Bund und Land ziemlich alleingelassen.

Oberschweinbachs Bürgermeister Norbert Riepl spricht sich für eine gerechtere Verteilung aus und fühlt sich von Bund und Land ziemlich alleingelassen.

(Foto: Günther Reger)

So ganz sicher ist sich Bürgermeister Norbert Riepl freilich nicht, ob das zuständige Landratsamt zusichern kann, dass auf längere Sicht nicht auch Asylbewerber aus anderen Ländern in Oberschweinbach untergebracht werden. Für die Gemeinde würde das mit Blick auf die Integrationwohl noch herausfordernder werden. Laut Landratsamt sind in Oberschweinbach bislang sieben Flüchtlinge untergebracht. Eine Zahl, die Riepl anzweifelt. Rechne man privat Untergebrachte dazu, dann komme man eher auf 22. Und wenn nun 80 dazukommen, dann sei das für eine Gemeinde mit 1750 Menschen schon eine gewaltige Herausforderung. Denn es gibt heute schon zu wenig Krippenplätze, und ein Bauantrag für einen Kindergarten liegt beim Landratsamt. "Das wird spannend". Riepl fühlt sich von Bund und Land im Stich gelassen. "Wir lassen das jetzt aber auf uns zukommen", etwas anderes bleibe einem ja auch gar nicht übrig - die Gemeinde saß nicht mit am Verhandlungstisch. Ziel müsse ganz grundsätzlich eine faire Verteilung der Lasten sein.

Fremdenfeindliche Kommentare und willkürliche Bewertungen wurden gelöscht

Für den Landkreis, der aktuell wieder mehr Flüchtlinge unterbringen muss, ist dies freilich nicht einfach. Denn es fehlt an geeigneten Unterkünften. "Wir mieten regelmäßig kleinere Objekte an", sagt eine Sprecherin. Die größte Unterkunft jenseits des sogenannten "Ankerzentrums" am Fliegerhorst, für deren Belegung die Regierung von Oberbayern zuständig ist, ist die jüngst umgebaute ehemalige Tennishalle des Amperparks in Emmering. Die ersten 40 Bewohner sind dort eingezogen, Platz ist noch für weitere 240 Menschen.

Korian-Pressesprecherin Tanja Kurz, die an diesem Tag auch ins "Haus am Klostergarten" gekommen ist, ist immerhin erleichtert, dass kaum noch Drohmails und Anfeindungen kommen. "Das hat sich etwas gelegt", bestätigt Bürgermeister Riepl. Vielleicht auch deshalb, weil die Polizei eingeschaltet wurde und nun wegen möglicher Volksverhetzung ermittelt. Fremdenfeindliche Kommentare, die sich sogar auf der Facebookseite der örtlichen Feuerwehr gefunden hatten, wurden ebenso gelöscht wie offensichtlich willkürliche schlechte Bewertungen für das Seniorenheim auf Online-Portalen.

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