Pandemie:Impfzentren werden wieder Schwimmbäder

Pandemie: Sich im Impfzentrum, wie hier im Berchtesgadener Land, immunisieren zu lassen, geht nicht mehr lange, denn die Einrichtungen werden abgebaut.

Sich im Impfzentrum, wie hier im Berchtesgadener Land, immunisieren zu lassen, geht nicht mehr lange, denn die Einrichtungen werden abgebaut.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Wer sich in Bayern gegen das Coronavirus immunisieren lassen will, geht künftig zu den niedergelassenen Ärzten. Die Impfzentren werden bayernweit aufgegeben. Die Zahlen zeigen: Der Ansturm auf die Wirkstoffe war schon deutlich größer.

Von Johann Osel

Es wird noch eine Weile dauern, bis die Leute im Landkreis Altötting wieder zum Schwimmen statt zum Impfen ins Kreishallenbad gehen. Dort ist bis dato das Impfzentrum untergebracht, die Schwimmbecken wurden dazu überbaut, im Kabinenbereich steht eine Teststation. Bayerns Impfzentren schließen laut Beschluss des Kabinetts zum Jahresende, was geschieht mit den Räumen? In Altötting liegt die Nachnutzung auf der Hand. "Das Kreishallenbad wird nach Ablauf ertüchtigt", sagt ein Sprecher des Landratsamts, mittelfristig soll es wieder als Bad eröffnen.

Vielerorts in Bayern läuft das jetzt so ab - der geplante Rückbau von Impfzentren für den ursprünglichen Zweck der Gebäude. Beispiel Stadt und Landkreis Bayreuth: Die Station beim Roten Kreuz kann dieses wieder für sich nutzen, die fürs Impfen vorgesehenen Bereiche einer Veranstaltungshalle sowie einer Turnhalle sollen wieder von Künstlern und Sportlern bespielt werden.

Die Staatsregierung hat Ende Oktober beschlossen, die Corona-Impfungen vom Januar 2023 an komplett in die Regelversorgung der Ärzte zu überführen; zudem impfen Betriebsärzte und Apotheken. Die Zentren - derzeit sind es 80 - werden Ende Dezember geschlossen. Diese "haben uns zwei Jahre lang einen unbezahlbaren Dienst im Kampf gegen die Corona-Pandemie erwiesen", sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Sie hätten "ein schnelles, flächendeckendes und niederschwelliges Impfen gerade in der Anfangsphase überhaupt erst möglich gemacht".

Jetzt sei die Situation anders, die Impfung über niedergelassene Ärzte laufe "schon lange routiniert". Hinzu komme, dass auch die Verordnung des Bundes wohl zum Jahresende auslaufe, womit die Rechtsgrundlage und die Co-Finanzierung wegfielen. Die Kosten für die Zentren seit Herbst 2020 in Bayern bezifferte Holetschek auf mehr als eine Milliarde Euro; die Hälfte davon kam vom Bund. Der Minister betonte, das sei gut angelegtes Geld gewesen. Insgesamt wurden bisher 28,5 Millionen Impfungen verabreicht, jede zweite in den Zentren.

Vor dem Kabinettsbeschluss hatten der Bayerische Hausärzteverband und der Verband der Kinder- und Jugendärzte die Aufgabe der Zentren gefordert. Die "mit Steuergeldern subventionierte Parallelstruktur" sei zu teuer und "auf absehbare Zeit nutzlos". Zu Beginn der Pandemie hätten die Zentren Sinn ergeben, "wir hatten damals einen Ansturm von Impfwilligen zu bewältigen". Patienten ließen sich heute erst nach eingehender Beratung impfen - dabei spiele das Vertrauen in den Haus- oder Kinderarzt eine Rolle, das leiste die Anonymität der Zentren nicht. Tatsächlich: Aus vielen Impfzentren wird seit Längerem berichtet, dass an manchen Tagen nur eine Handvoll oder ein Dutzend Leute komme, dass die Mitarbeiter oft "Däumchen drehen".

Einen Plan B, also etwa Räume vorsichtshalber vorzuhalten, gibt es nicht, wie das Gesundheitsministerium auf Anfrage der SZ mitteilt. Im Januar, der als Übergangsmonat gilt, müssen die Impfzentren rückgebaut werden, Abbaumaßnahmen sind auch schon Anfang Dezember möglich, wenn das Aufkommen vor Ort dies zulässt. Nachfragen in zahlreichen Landkreisen zeigen: Häufig erhalten die Gebäude eben ihre frühere Funktion zurück. Was wiederum illustriert, wie sehr damals beim Aufbau der Zentren improvisiert wurde. Andere Kommunen haben Objekte eigens angemietet, der Landkreis Miesbach etwa ein Geschäftsgebäude in der Gemeinde Hausham. "Der Mietvertrag lief vorerst sowieso nur bis Ende des Jahres", sagt eine Sprecherin - Handwerker für den Rückbau seien schon beauftragt. Im Kreis Tirschenreuth wird in einem früheren Fahrradladen am Marktplatz geimpft, dort wird der Mietvertrag gekündigt. Gleiches macht der Landkreis Augsburg mit einer angemieteten Gewerbeimmobilie in Bobingen.

In Bayern sind 75,1 Prozent der Menschen doppelt geimpft

"Die Schließung der Impfzentren bedeutet noch nicht das Ende der Pandemie", sagte Holetschek kürzlich auch bei einem Besuch des Münchner Impfzentrums. "Ich würde mich freuen, wenn so viele Menschen wie möglich vor Jahresende ihren Impfstatus aktualisieren, denn das ist für jeden Einzelnen die beste Prävention für den nahenden Winter." Nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission sind drei Impfungen der Standard für alle. Und seit Oktober ist für einen formal vollständigen Impfschutz der Booster nötig - wenngleich das für viele kaum noch Relevanz in der Praxis hat, Zugangsregeln nach dem G-Prinzip gibt es nicht mehr. Eine vierte Impfung wird ab 60 Jahren empfohlen und für Jüngere bei Risiko für schwere Verläufe, ferner für medizinisches Personal und Bewohner von Pflegeeinrichtungen.

Laut Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind in Bayern 75,1 Prozent der Menschen doppelt geimpft, der Wert stagniert seit Monaten. 59,1 Prozent haben einen Booster erhalten, 9,6 Prozent eine zweite Auffrischung. Hier rangiert Bayern im hinteren Drittel der Länder, in Schleswig-Holstein sind 70 Prozent geboostert. "In den letzten Monaten ist die Impfbereitschaft leider spürbar weniger geworden", heißt es im Ministerium dazu.

Der Freistaat wirbt seit August mit einer Kampagne fürs Auffrischen, zum Beispiel auf Großplakaten. Wobei die Grünen-Abgeordnete Christina Haubrich anmerkt, dass es einen Kontrast gebe zwischen der Kampagne und manchen Aussagen der Staatsregierung. Covid-19 sei inzwischen "de facto der Grippe ähnlich", hatte Ministerpräsident Markus Söder neulich beim CSU-Parteitag gesagt. Für Haubrich ist Corona "nach wie vor keine harmlose Krankheit und stellt für vulnerable Gruppen eine Gefahr dar". Die aktuelle Lage sei "kein Grund zur Panik, aber auch nicht zur Verharmlosung". Ruth Waldmann (SPD) meint, das Impfen könne von den Ärzten wohl gut bewältigt werden, die Zentren "kosten ein Wahnsinnsgeld". Sie rügt aber, dass der Landtag nicht beteiligt war an der Entscheidung.

Zäh voran geht es bei den oft hochbetagten Bewohner von Pflegeheimen - deren Impfung der Freistaat durch ein System von Beauftragten managt. Nach einem neuen Länderbericht des RKI sind in dieser Gruppe immerhin 85 Prozent geboostert, doch nur 35 Prozent haben die zweite Auffrischung. Wenngleich hier der stärkste Zuwachs in allen Impfstatistiken zu verzeichnen ist: Im RKI-Monitoring vom August hatten die vierte Spritze erst 26 Prozent.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusCorona-Politik
:Markus Söders erstaunliche Wandlungen

Erst "Team Vorsicht", dann "Team Augenmaß" und jetzt das "Land der Freiheit": Seit drei Jahren mühen sich Bayerns Ministerpräsident und die Staatsregierung mit Corona ab. Nicht nur das Virus mutierte seitdem mehrmals.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: