Flüchtlingshilfe:Hilferuf des Helferkreises

Flüchtlingshilfe: Helferkreis-Koordinatorin Elisabeth Schneider-Eicke (links mit der Bewohnerin einer Flüchtlingsunterkunft in Gräfelfing) wünscht sich dringend weitere Mitstreiter.

Helferkreis-Koordinatorin Elisabeth Schneider-Eicke (links mit der Bewohnerin einer Flüchtlingsunterkunft in Gräfelfing) wünscht sich dringend weitere Mitstreiter.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Seit den Neunzigerjahren kümmern sich im Würmtal Ehrenamtliche um Geflüchtete. Zuletzt haben sich die Reihen der Gruppe gelichtet - dabei zeichnet sich ab, dass ihr Einsatz bald noch mehr gefragt sein wird.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

In akuten Notlagen waren bisher immer alle zur Stelle: 2015, als viele Flüchtlinge aus Afghanistan oder Syrien im Würmtal unterkommen mussten, oder in diesem Jahr, in dem Menschen aus der Ukraine Schutz suchen - stets standen in Gräfelfing, Planegg und Umgebung ehrenamtliche Helfer in großer Zahl bereit, spontan anzupacken und Geflüchtete aufzunehmen. Jetzt lichten sich die Reihen im Helferkreis Asyl Würmtal. Zu einem Zeitpunkt, in dem wieder eine große Zahl an Neuankömmlingen erwartet wird - Landrat Christoph Göbel (CSU) rechnet sogar mit mehr als 2015 - ringt der Helferkreis um Nachwuchs.

Der Helferkreis Asyl Würmtal hat gerade sein 30-jähriges Bestehen gefeiert. Die Gruppe freiwilliger Helfer fand sich Anfang der Neunzigerjahre zusammen, als während des Balkan-Kriegs Geflüchtete im Würmtal ankamen. Seitdem haben die Ehrenamtlichen kontinuierlich Menschen zur Seite gestanden, die fern von ihrer Heimat Fuß fassen mussten, Hilfe bei Behördengängen, bei Schulanmeldungen, bei Sprachkursen benötigten oder psychologische Hilfe brauchten. Als 2015 die Geflüchteten aus dem Syrien-Krieg und aus Afghanistan in den Turnhallen notversorgt wurden, habe sie auf die Unterstützung von bis zu 150 Helfern zählen können, erzählt die Koordinatorin des Helferkreises, Elisabeth Schneider-Eicke. "Das hat sich verändert."

Die vielen Freiwilligen, die immer spontan zur Stelle waren, haben sich in jüngster Zeit entweder nicht mehr gemeldet oder sie haben ihre festen Familien, die sie selbständig langfristig betreuen, sagt Schneider-Eicke. Im Moment gibt es nur etwa zehn Aktive im Helferkreis, davon gehören acht zu den Helfern der ersten Stunde. Der Helferkreis befinde sich in einem "Zustand der Ausdünnung und Überalterung", hat es Ulrich Essig vom Helferkreis in seiner Rede zum Jubiläum ausgedrückt. Es brauche dringend junge Leute, um langfristig bestehen zu können.

Der Mangel an Helfern macht sich gerade jetzt deutlich bemerkbar. Denn sobald ein Platz in den für fast 400 Menschen ausgelegten Flüchtlingsunterkünften in Gräfelfing und Planegg frei wird, ziehen laut Schneider-Eicke umgehend neue Flüchtlinge ein. Das sei seit zwei Wochen der Fall und der Druck wachse. Derzeit kämen wieder viele Menschen aus Schwarzafrika, die wegen Hunger und Dürre fliehen würden, aber auch eine Mutter mit sechs Kindern aus Moldawien sei gerade eingetroffen. Gerade die Neuankömmlinge bräuchten intensive Unterstützung, da man "bei Null" anfangen müsse, sagt Schneider-Eicke: "Da ist viel Papierkram zu erledigen."

Die Unterstützung für ukrainische Familien findet mittlerweile außerhalb des Helferkreises statt

Eigentlich ist die Hilfsbereitschaft im Würmtal groß. Die in Gräfelfing und Planegg untergekommenen ukrainischen Flüchtlinge könnten auf die Hilfe vieler Freiwilliger zurückgreifen, sagt Schneider-Eicke. Die Helfergruppe organisiere sich selbstständig und gehöre nicht zum Helferkreis. Sie habe erfahren, dass viele Hilfsbereite ganz explizit nur ukrainischen Geflüchteten helfen wollten. Begründet werde dies immer mal mit der Feststellung, dass diese ja Christen seien, man fühle sich ihnen wohl kulturell näher: "Da gibt es keine Angst vor dem Fremden." Die gibt es dagegen manchmal bei der Hilfe für Familien aus Afrika oder arabischen Ländern durchaus. "Wenn man bei einer afghanischen Familie eingeladen ist und sich zum Essen auf den Teppich setzt, schreckt das manche ab", hat Schneider-Eicke erfahren. "Erschüttert" sei der Helferkreis gewesen, als die wenigen Aktiven feststellen mussten, dass viele junge "wohlsituierte" Bürger den ukrainischen Geflüchteten zum Teil mit großzügigen Geldspenden helfen würden - "das fehlt uns", sagt Schneider-Eicke.

Der Helferkreis will die Suche nach neuen Ehrenamtlichen jetzt vorantreiben - bevor noch mehr Geflüchtete kommen. Als Helferkreis wolle man vor allem jene Aufgaben wahrnehmen, die die Behörden in der Regel nicht gewähren könnten, sagte Ulrich Essig bei der Jubiläumsfeier. Dazu gehöre die Vergabe von Kleinkrediten zur Zwischenfinanzierung von Rechtsanwälten, Notfallhilfen in besonderen Notlagen, Vermittlung psychotherapeutischer Hilfe, zusätzliche Betreuung von Kindern oder in Einzelfällen auch besondere Lernunterstützung. Der Helferkreis sei dafür auf Spendengelder und Zuschüsse von den Gemeinden angewiesen.

Jede Art von Hilfe sei willkommen, betont auch Schneider-Eicke: Drei Stunden Deutschunterricht in der Woche, jeden zweiten oder dritten Tag mal bei einer Familie vorbeischauen, ob die Leute zurechtkommen, sie zu einem Amt begleiten, in die Schule gehen und dabei helfen, eine Schulart für die Kinder auszusuchen, mal bei der Gemeinde vorsprechen - es sei unerheblich, in welchem zeitlichen Umfang jemand seine Hilfe anbieten könne, alles sei willkommen, sagt Schneider-Eicke, nur: "Es muss Verlass darauf sein." Neue Helfer könnten auf die Erfahrungen der altgedienten zurückgreifen. Die Arbeit des Helferkreises sei unverzichtbar, betonte Ulrich Essig in seiner Rede: Es müsse allen klar sein, "dass wir uns als Gesellschaft noch auf Jahrzehnte hinaus mit der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Integration vieler Geflüchteter beschäftigen werden müssen".

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