Ein Blick in die Archive: SZ-Serie, Folge 16:Wappen, Stempel, Kegelkugel

Ein Blick in die Archive: SZ-Serie, Folge 16: Georg Kleefeld ist noch bis Ende des Jahres Archivar in Adelshofen.

Georg Kleefeld ist noch bis Ende des Jahres Archivar in Adelshofen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Längst nicht nur Akten lagern im Archiv der Gemeinde Adelshofen. Georg Kleefeld hebt ohnehin lieber zu viel auf. Wer weiß, was noch alles interessant wird.

Von Anja Kolnsberg, Adelshofen

"Kellnerin, no a Maß", steht auf einem verstaubten Plakat aus dem Jahr 1998. Es stammt von einer mit Feierlichkeiten verbundenen Sonderausstellung auf dem Jexhof. Das Plakat hat Georg Kleefeld vor dem Müll gerettet. Immer wieder hat er über Flugblätter und Plakate diverser Veranstaltungen aufgehoben. Sie sind in einem massiven Holzschrank sicher verwahrt. Kleinigkeiten wie diese sind es, die darüber Aufschluss geben, wie sehr ihm seine Aufgabe als Archivar der Gemeinde Adelshofen am Herzen liegt.

Das Archiv befindet sich im oberen Stock des Rathauses - ein heller, ordentlicher Raum, der ebenso freundlich wirkt wie sein Verwalter. Bücher, Ordner, Akten und Kisten stapeln sich in den Regalen bis zur Decke, alles fein säuberlich sortiert und beschriftet.

Ein Blick in die Archive: SZ-Serie, Folge 16: Das Ortswappen der Gemeinde Adelshofen mit den beiden Äxten als Stempel.

Das Ortswappen der Gemeinde Adelshofen mit den beiden Äxten als Stempel.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Als bisher erster und einziger Archivar in Adelshofen hat sich Georg Kleefeld hier sein eigenes Reich geschaffen, das er wie seine Westentasche kennt. Der Gemeinde Adelshofen ist er schon lange verbunden, achtzehn Jahre lang war er von 1996 an Zweiter Bürgermeister. Diese Zeiten sind für den heute beinahe Achtzigjährigen längst vorbei. Geblieben ist ihm die ehrenamtliche Tätigkeit im Archiv. Er erzählt gerne von seiner Arbeit, dabei hatte er sich diese zu Beginn gar nicht so richtig ausgesucht. "Es ist eher ein Zufall, dass ich mich um das Archiv kümmere. Als das Archivgesetz eingeführt wurde, musste von jeder Gemeinde ein Vertreter zu einem Treffen kommen und dann haben sie mich damals als zweiten Bürgermeister dahin geschickt", erzählt er.

Zusammen mit der damaligen Sekretärin Johanna Schöberl habe er angefangen, Dokumente zu sammeln und zu ordnen. "Irgendwann habe ich gesagt, dass ich mich jetzt ein bisschen darum kümmere und dann ist es mir geblieben", sagt er lachend. Das Archiv hat er von Grund auf aufgebaut, dazu mussten die ehemaligen Bürgermeister sämtliche Dokumente vorbeibringen, die sich über die Jahre bei ihnen angesammelt hatten. "Davor hatte man ja keine feste Sammelstelle für solche Dinge, deshalb lagen viele Dokumente einfach bei ihnen zu Hause rum - schubkarrenweise haben sie die dann angebracht", erinnert er sich an die mühevollen Anfänge.

Heute sind alle Dokumente zeitlich eingeordnet. Die ältesten Amtsblätter stammen aus 1863. Urkunden, Kauf- und Tauschverträge von ehemaligen Bürgermeistern, Heiratsurkunden, Protokolle, Versicherungen - alles wird aufgehoben. Alte Relikte geben Aufschluss über die Geschichte der Gemeinde: Ein Abbild des alten Wappens von Adelshofen, zwei übereinander gekreuzte Äxte, stammen vermutlich von der Adelshofener Gründerfamilie, über die sonst nichts bekannt ist.

Ein Blick in die Archive: SZ-Serie, Folge 16: Der Bürgermeisterstempel aus der NS-Zeit.

Der Bürgermeisterstempel aus der NS-Zeit.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Auch alte Bürgermeister-Siegel sind erhalten, besonders fallen dabei die aus der NS-Zeit ins Auge - durch eine Abbildung von Hakenkreuz und Reichsadler, mit der Aufschrift "Streng Geheim". Daneben liegen vergilbte Briefkuverts mit den Aufdrucken "Vertraulich" und "Sonderakten für den Bürgermeister". In der Nachkriegszeit wurden die Stempel abgeschafft, in dieser Zeit wird ein anderes Objekt wichtig: Die "Mündelkarten", eingeführt von den amerikanischen Besatzern.

Ein Blick in die Archive: SZ-Serie, Folge 16: Auf den Mündelkarten wurden sämtliche persönlichen Daten gesammelt.

Auf den Mündelkarten wurden sämtliche persönlichen Daten gesammelt.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Alle Bewohner bekamen eine Mündelkarte, in der sämtliche persönliche Daten gesammelt wurden. Dies diente den Besatzern dazu, die Dorfbewohner zu kategorisieren und ehemalige Angehörige der SS ausfindig zu machen. Ansonsten kam vieles aus der NS-Zeit weg. "Davon wollte keiner mehr was wissen", sagt Kleefeld.

Anhand der weiteren Dokumentenverzeichnisse werden wichtige Themen und Ereignisse ersichtlich: Im Jahr 1974 fallen Berichte über Kriegsgefangenen-Entschädigung ins Auge, im Jahr 1991 Untersuchungsberichte zum Thema Asbest. Zwischen den überwiegend schriftlichen Dokumenten finden sich auch vereinzelt Objekte - unter anderem eine alte Kegelbahnkugel aus Holz, die beim Baggern in der Erde gefunden und im Archiv abgegeben wurde. Die Kugel stammt von einer alten Kegelbahn, die direkt neben dem Rathaus stand. "Früher hat sich hier am Wochenende das ganze Dorf zum Kegeln getroffen, da war immer Highlife", erinnert sich Kleefeld. Als Junge habe er sich ein wenig Taschengeld verdient, indem er die Kegel aufstellte - die Kugel hebt er als Erinnerung an diese Zeit auf.

Ein Blick in die Archive: SZ-Serie, Folge 16: Eine Kegelkugel aus Holz wird auch im Archiv aufbewahrt. Sie stammt von der Kegelbahn, die direkt neben dem Rathaus lag. Kleefeld erinnert sie an seine Kindheit.

Eine Kegelkugel aus Holz wird auch im Archiv aufbewahrt. Sie stammt von der Kegelbahn, die direkt neben dem Rathaus lag. Kleefeld erinnert sie an seine Kindheit.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Wenn heute Menschen auf ihn zukommen, handelt es sich meistens um Fragen nach den Vorfahren und der Familiengeschichte. Bei Fragen nach dem Familienstammbaum begibt sich Kleefeld auf die Suche nach den entsprechenden Urkunden. Da das Archiv nicht digitalisiert ist, kann es eine Weile dauern, bis er fündig wird. Auch bei Heiratsurkunden gestaltet sich die Suche schwierig: Zwar wurden früher bei allen Trauungen Heiratsurkunden erstellt und Protokollbücher über Eheschließungen geführt, aber da manche alten Dokumente und Schriften schwer zu entziffern seien, müsse er dann richtige Detektivarbeit leisten, erzählt er.

Bei Fragen rund ums Archiv können sich Interessierte an das Rathaus Adelshofen wenden, Kleefeld richtet seine flexiblen Arbeitszeiten nach der Nachfrage. Generell gebe er aber nie die Originale aus der Hand, sondern nur Kopien, betont er. Bei Gegenständen aus der NS-Zeit ist er noch strikter: Kopien oder Einblick in die Dokumente bekämen nur Leute, die nachweislich Angehörige seien - alle anderen müssten bei Interesse an Dingen aus dieser Zeit zum Münchner Staatsarchiv und sich dort registrieren. "Als Vorsichtsmaßnahme, weil man ja nicht weiß, was die Leute damit anstellen wollen", sagt er.

Ein Blick in die Archive: SZ-Serie, Folge 16: Blick ins Archiv.

Blick ins Archiv.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Unterstützung bekam Georg Kleefeld zu Beginn seiner Tätigkeit als Archivar durch Schulungen. Viele Vorgaben habe er dort jedoch nicht bekommen, das Archiv solle nur aus einem geschlossenen Raum bestehen, den Besucher lediglich unter seiner Aufsicht betreten dürfen. Seine Pflichten nimmt er ernst: "Immer lieber etwas mehr aufheben als wegschmeißen", lautet seine Devise. "Man weiß nie, was später mal interessant wird. Lieber mal zwei, drei Blätter mehr sammeln, in 20 Jahren wird sich vielleicht jemand drüber freuen", sagt er.

Dabei leistet er schon Vorarbeit für die Zukunft, indem er zu politischen und gesellschaftlichen Themen Zeitungsartikel sammelt, um für künftige Generationen die Meinungs- und Stimmungsbilder der heutigen Gesellschaft zu archivieren. Nur um eine Sache möchte er sich nicht mehr kümmern: Die Digitalisierung des Archivs. "Das kann die nächste Generation übernehmen, die technisch fitter ist", winkt er ab. Ende des Jahres geht seine Ära zu Ende, aktuell wird eine Nachfolge für seinen Posten gesucht.

Ein Blick in die Archive: SZ-Serie, Folge 16: Fotografien stehen neben Kleefelds Schreibtisch.

Fotografien stehen neben Kleefelds Schreibtisch.

(Foto: Carmen Voxbrunner)
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