Klimakonferenz:"Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu"

Klimakonferenz: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnt vor den "verheerenden Auswirkungen" der Erderhitzung.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnt vor den "verheerenden Auswirkungen" der Erderhitzung.

(Foto: BERND LAUTER/AFP)

Die Weltklimakonferenz in Ägypten beginnt mit eindringlichen Appellen von Politikern. Die Bundesregierung fürchtet, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine den Kampf gegen die Erderhitzung zusätzlich schwächt.

Von Daniel Brössler, Berlin, und Thomas Hummel, Scharm el-Scheich

Die Bundesregierung hat zum Beginn der Weltklimakonferenz in Scharm el-Scheich eindringlich vor einem Versagen im Kampf gegen die Erderwärmung gewarnt. "Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu, auf eine Erwärmung von über 2,5 Grad, mit verheerenden Auswirkungen auf unser Leben auf dem einzigen Planeten, den wir haben", erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einer "grassierenden, galoppierenden" Erderwärmung. "Die Tendenz ist so, dass man vor der Größe der Aufgabe langsam erschauert", sagte er in einer Videobotschaft. Die Weltgemeinschaft bewege sich nicht schnell genug in Richtung Klimaneutralität. An diesem Montag wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Scharm el-Scheich erwartet.

Mehrere Mitglieder der Bundesregierung äußerten die Sorge vor einer Schwächung des Kampfs gegen den Klimawandel durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Der Angriff auf die Regeln der Weltgemeinschaft hat überall zu Verunsicherung, Spaltung, Vertrauensverlust geführt, die es nicht leichter machen, die ganze Welt hinter dem gemeinsamen Ziel zu vereinen. Aber 2022 darf kein verlorenes Jahr für den Klimaschutz werden", appellierte Baerbock. Neben dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und seinen fürchterlichen Auswirkungen dürften die Klimakrise, das rasant fortschreitende Artenaussterben und die zunehmende Verschmutzung "nicht aus dem Blick geraten", forderte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) bezeichnete Deutschland als "wichtigen Brückenbauer zwischen Industrie- und Entwicklungsländern".

Die Welt ist bereits bei einem Plus von 1,15 Grad Celsius

Zum Start der Klimakonferenz veröffentlichte die Weltorganisation für Meteorologie ihren vorläufigen Jahresbericht zum Stand des Weltklimas und erklärte, dass die globale Temperatur im Jahr 2022 etwa 1,15 Grad Celsius höher liegt als vor der industriellen Revolution. Aufgrund des kühlenden Wetterphänomens La Niña dürfte 2022 "nur" das fünft- oder sechstwärmste Jahr in den Aufzeichnungen sein. Dennoch seien in diesem Sommer die europäischen Gletscher wohl so schnell geschmolzen wie noch nie, auch der Anstieg des Meeresspiegels habe sich verschärft.

Unter diesen klimatischen Vorzeichen treffen sich in Ägypten zwei Wochen lang Vertreter aus knapp 200 Staaten. Mit mehr als 44 000 Gästen ist es die größte Klimakonferenz der Geschichte. Beobachter erwarten dennoch keine bahnbrechenden Fortschritte, der russische Krieg in der Ukraine oder der Taiwan-Streit zwischen den USA und China sind eine Bürde für die internationale Diplomatie. Gleich am Sonntag wurde immerhin ein befürchteter Eklat vermieden, indem sich die Länder darauf einigten, das Thema "Schäden und Verluste" erstmals offiziell auf die Tagesordnung zu nehmen. Entwicklungsländer fordern seit Langem, von den Industrieländern finanziell für Schäden durch die Erderwärmung entschädigt zu werden - etwa nach Fluten, Hitzeperioden oder Stürmen. Die reichen Länder des Nordens blockten bislang Gespräche darüber ab aus Sorge, potenziell Kosten in unendlicher Höhe zahlen zu müssen. Eine Einigung in diesem Punkt in Scharm el-Scheich käme aber überraschend.

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