Björn Gulden:Ausgerechnet der Puma-Chef wird Adidas-Chef

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Björn Gulden hatte in der vergangenen Woche erklärt, er wolle seinen zum Jahresende auslaufenden Vertrag bei Puma nicht verlängern. (Foto: Christof Stache/AFP)

Der Manager des größten Rivalen rückt an die Spitze von Deutschlands beliebtestem Sportartikelhersteller. So etwas ist in der Branche noch nie vorgekommen.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Björn Gulden wird sich umstellen müssen. Oder er leidet künftig unauffällig. Der Norweger ist Fan von Borussia Dortmund und er litt stets, wenn der BVB gegen Bayern München verlor, was häufiger vorkommt. Guldens Fan-Sein mag zu einem gerüttelten Maß dadurch bedingt sein, dass Puma Ausrüster und Anteilseigner bei der Borussia ist. Er persönlich, in jungen Jahren selbst Fußballprofi, hat diese Deals eingefädelt, in seiner Eigenschaft als Vorstandschef von Puma. Nun aber wechselt der 57-jährige Manager an die Spitze des deutlich größeren Rivalen Adidas. Und damit zu jener Marke, die als Ausrüsterin, Investorin und seit Franz Beckenbauers und Gerd Müllers Zeiten eng mit dem FC Bayern verbunden ist.

Daran wäre der spektakuläre Wechsel nie gescheitert, der sich seit dem Wochenende zwischen den beiden größten deutschen Sportartikelkonzernen abgezeichnet hat. Seit Dienstagmittag ist er offiziell: Puma-Chef Björn Gulden gibt seinen Posten nach neun Jahren mit sofortiger Wirkung ab, und vom 1. Januar 2023 an wird er neuer Vorstandsvorsitzender beim, gemessen am Umsatz, dreimal so großen Rivalen Adidas. Dort verabschiedet sich der glücklose Amtsinhaber Kasper Rorsted noch diese Woche. Ihm folgt übergangsweise bis Jahresende Finanzvorstand Harm Ohlmeyer. Und bei Puma rückt Arne Freundt, der Vertriebsvorstand des Unternehmens, nicht erst Anfang 2023 Guldens Nachfolge an, sondern sofort.

Heute ist Adidas nach dem US-Rivalen Nike die Nummer zwei der Sportartikelwelt. (Foto: imago sportfotodienst)

Die Erleichterung von Adidas-Aufsichtsratschef Thomas Rabe über Guldens Verpflichtung spricht aus jeder Zeile in einer vom Herzogenauracher Drei-Streifen-Konzern verbreiteten Erklärung. "Björn Gulden verfügt über fast 30 Jahre Erfahrung in der Sportartikel- und Schuhbranche. Daher kennt er sich in der Industrie bestens aus und ist im Sport und Sporthandel hervorragend vernetzt", lässt sich Rabe, im Hauptberuf Chef des Medienriesen Bertelsmann, zitieren. Gulden ist offenkundig der Wunschkandidat des Aufsichtsgremiums, das seit Monaten händeringend nach einem neuen Chef gesucht hat. Gulden sei bereits in den 1990er-Jahren "sieben Jahre lang erfolgreich für Adidas tätig" gewesen, so Rabe. In seiner Zeit als Chef von Puma seit 2013 habe der Norweger die Marke neu belebt und zu Rekordergebnissen geführt. "Der Aufsichtsratsrat der Adidas AG ist fest davon überzeugt, dass Björn Gulden Adidas in eine neue Ära der Stärke leiten wird, und freut sich auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit", so Thomas Rabe.

Die Rivalität trug sektenhafte Züge

Die Personalie unmittelbar vor Beginn der für alle Sportmarken wichtigen Fußballweltmeisterschaft in Katar ist eine ganz besondere. Noch nie wechselte der Chef eines der größten Sportartikelhersteller an die Spitze eines direkten Konkurrenten. Im konkreten Fall kommt hinzu, dass sowohl Adidas als auch Puma ihren Konzernsitz nur wenige Hundert Meter entfernt in der Kleinstadt Herzogenaurach bei Nürnberg haben - und eine ganz besondere, gemeinsame Geschichte.

Von den Brüdern Adolf und Rudolf Ende der 1940er-Jahre gegründet, waren sich nicht nur die beiden Herren, sondern auch ihre Firmen samt deren Beschäftigten mit ihren Familien jahrzehntelang spinnefeind. Die Rivalität trug sektenhafte Züge. Der erste Blick galt stets den Schuhen des Gegenübers, um herauszufinden, in welches Lager er oder sie gehörte. Es gab in Herzogenaurach Vereine und Kneipen, in denen entweder die Adidas- oder die Puma-Gemeinde verkehrte. Trafen beide Lager aufeinander, ignorierte man sich im besten Fall, selten ging man aber freundschaftlich auseinander.

All dies ist freilich längst Geschichte und Teil der Markenfolklore. Heute ist Adidas nach dem US-Rivalen Nike die Nummer zwei der Sportartikelwelt und Puma die Nummer drei. Zwei Wettbewerber, mehr aber auch nicht.

Dass nun bei Adidas große Erleichterung über Guldens Verpflichtung herrscht, ist nicht nur vor Ort spürbar. Die Drei-Streifen-Marke wirkt seit Monaten merkwürdig gelähmt. Sie kämpft mit enormen Absatzeinbrüchen auf ihrem ehedem großen und wichtigen Markt China. Die Konsumflaute trug ebenso zur frustrierten Stimmung bei wie ein Streit mit dem antisemitisch ausfällig gewordenen US-Rapper Kanye West. Dass Adidas vor wenigen Tagen die jahrelange Zusammenarbeit mit dem in vielerlei Hinsicht fragwürdigen West beendete, stieß zwar weithin auf breite Zustimmung. Allerdings ist der Preis dafür sehr hoch: Die von West designte Schuh-Kollektion Yeezy brachte sowohl Adidas als auch dem US-Musiker jährlich dreistellige Millionenbeträge ein. Geld, das in der ohnehin schlechten Bilanz von Adidas nun fehlt.

Dreimal musste das Unternehmen 2022 seine Prognosen für das laufende Geschäftsjahr nach unten korrigieren. Rivale Puma hingegen freut sich über hohe Umsatz- und Gewinnsprünge. Die Schuhe und Shirts der Marke mit dem Raubkatzen-Logo sind angesagt wie nie.

Nun soll Björn Gulden diese seine Erfolgsgeschiche bei Adidas wiederholen. Anstelle von Kasper Rorsted, 60. Bis dahin Chef des Konsumgüterherstellers Henkel, löste er 2016 Herbert Hainer an der Adidas-Spitze ab, der bis heute im Unternehmen viele Sympathien und in der Sportwelt hohes Ansehen genießt - und inzwischen als Präsident beim FC Bayern amtiert. Kein anderer Vorstandschef eines im wichtigsten deutschen Aktienindex Dax notierten Konzerns führte ein Unternehmen länger als Hainer Adidas, es waren insgesamt 15 Jahre.

Rorsteds Start bei Adidas geriet noch sehr gut, woraufhin Aufsichtsratschef Rabe am Dinstag auch abhob. "Er hat in seiner Amtszeit seit 2016 das Unternehmen strategisch neu ausgerichtet und die digitale Transformation des Unternehmens maßgeblich vorangetrieben", so Rabe am Dienstag. Im größten Sportartikelmarkt der Welt, Nordamerika, habe Adidas die Umsätze unter Rorsteds Ägide verdoppelt; außerdem verkaufte er die Tochterfirmen Taylor Made, CCM Hockey und vor allem den chronisch schwachen US-Ableger Reebok zu guten Konditionen. Andererseits rissen Klagen über Rorsteds angeblich unempathischen und von Finanzzahlen getriebenen Führungsstil nicht ab. Auch dass er die China-Probleme nicht in Griff bekommt und die Adidas-Aktie seit etwa anderthalb Jahren gewaltig an Wert verlor, kreideten ihm vor allem Investoren an. Im August kündigte Adidas an, dass Rorsted im Lauf des kommenden Jahres seinen Posten räumen würde. Nun kommt alles schneller als gedacht.

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