American Football in München:Tom Brady ist da, wurde auch Zeit

American Football in München: Eine Lederhose als Geschenk: Tom Brady in München.

Eine Lederhose als Geschenk: Tom Brady in München.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Das Spiel der Tampa Bay Bucaneers gegen die Seattle Seahawks in München begeistert Millionen von Fans. Hilft das nur dem Geschäft der NFL? Oder bringt es auch die Sportart in Deutschland nach vorne?

Von Christoph Leischwitz

Das Spiel der Tampa Bay Bucaneers gegen die Seattle Seahawks in der Allianz Arena (Sonntag, 15.30 Uhr) ist das erste Pflichtspiel der NFL in Mitteleuropa. Kritiker sagen: Ein reiner PR-Gag, um Kohle zu scheffeln. Fans sagen: Wurde auch Zeit! Ein Streifzug durch München mit der Frage: Wie viel US-Sportkultur haben beide Mannschaften im Gepäck - und wie viel war schon hier?

Eiertanz der Seevögel

Uuuffz. Nicht ein oder zwei, nein, sechs Busse drücken sich am Donnerstagnachmittag auf das Trainingsgelände des FC Bayern München. Einem breitschultrigen Amerikaner muss das alles sehr eng vorkommen hier. Dann steigen die Seattle Seahawks aus. Vorbei an einem übergroßen, roten Football-Helm mit dem Wappen des FC Bayern. Der Fußballklub hat den Seahawks einen Platz vorbereitet, Yardlinien sind aufgemalt. Drei Stunden nach der Ankunft in Deutschland beginnt das Akklimatisierungstraining. Will Dissly, der Tight End des Teams, hat die Musik ausgesucht. "Party till we die", wummst es vermutlich bis hinüber in den Perlacher Forst. Die Spieler hüpfen. So hört sich das also an, und so sieht das aus, wenn amerikanische Sportler auf Geschäftsreise sind.

Historisch gesehen könnten die Seahawks an keinem passenderen Ort trainieren. Genau hier, wo sie sich jetzt die Football-Eier zuwerfen, haben dies viel früher auch schon Amerikaner getan. An der Säbener Straße befanden sich nach dem Krieg Trainingsplätze für die in München stationierten GI's. Der FC Bayern war übrigens in den 1960ern auch einmal deutscher Baseball-Meister. Die Ausrüstung und ihre Begeisterung hatten die Jungs aus der Nachbarschaft von den Soldaten geschenkt bekommen. US-Sportfreaks hat es hier also schon immer gegeben.

Der FC Bayern kooperiert seit 2014 mit der NFL, seit der Verein eine Dependance in New York unterhält. Beide Seiten profitieren davon, und die Bayern haben einflussreiche Freunde in den USA, Clark Hunt zum Beispiel. Als Besitzer des FC Dallas will er Fußball in den USA beliebter machen, als Besitzer der Kansas City Chiefs will er Football in Deutschland beliebter machen. Letzteres könnte gelungen sein.

Die deutschen Zwölfer

"Wir sind wirklich geehrt, hier zu sein", versichert der 71-jährige Cheftrainer der Seahawks, Pete Carroll. Er wisse genau, wie viele das Spiel sehen wollten, und dass viele "Twelves" im Stadion sein werden. Twelves nennen sie im berüchtigt lauten Stadion in Seattle ihre Fans. Die zwölften Männer sozusagen. 2013 gewann Carroll mit den Seahawks den Super Bowl, kurz danach eroberte die NFL das deutsche Free TV. Viele jüngere NFL-Fans mögen sein Team - und es sollen mehr werden. Deutschland, sagt Carroll, habe nun die Chance, dem Rest der Welt zu zeigen, wie sehr es Teil dieser Erfahrung sein und Football in seine Sportkultur aufnehmen wolle. Vielleicht ist die große Ticket-Nachfrage bereits die Antwort darauf gewesen.

American Football in München: Die Seattle Seahawks hatten am Freitag ihr erstes Training an der Säbener Straße bereits hinter sich.

Die Seattle Seahawks hatten am Freitag ihr erstes Training an der Säbener Straße bereits hinter sich.

(Foto: Markus Schreiber/AP)

"Ich schätze, wir müssen hier noch ein Spiel spielen", sagt Aaron Donkor, angesprochen auf den Hype in Germany. Ihn würde es freuen. Es wäre ein Heimatbesuch, Donkor wuchs in Göttingen auf. Er gehört zum erweiterten Kader. Es haben ja schon viele Deutsche in die NFL geschafft wie er. Jetzt ist er eine Art Botschafter, Vermittler zwischen den Welten: Am Sonntag wird er nicht spielen, aber die Fahne ins Stadion tragen. Welche Fahne? Oh. Nun, er vermute, die deutsche. Aber er würde auch sehr gerne beide auf einmal tragen.

Die Bucs entern München

Donnerstagmorgen, Flughafen. Am Terminal 2 strömen Menschen mit Fan-Klamotten zum Ausgang, sie kommen aus ganz Europa und den USA. "Aus Wisconsin", sagt ein Fan mit Buccaneers-Kapuzenpulli. "Wo geht's hier zum Bus in die Stadt?"

Drei Millionen Ticketanfragen soll es gegeben haben. Die Zahl ist mit Vorsicht zu genießen: Wirklich versucht, Tickets online zu kaufen, haben etwa 750 000 Menschen. Es ist natürlich kein Zufall, dass die Tampa Bay Buccaneers fürs Premierenspiel in Deutschland ausgewählt wurden, denn deren Quarterback Tom Brady ist das wichtigste Aushängeschild der Liga. Am Freitagnachmittag kommen die Buccaneers zum Training am Campus des FC Bayern an, ebenfalls sechs Busse, Training im Stadion. Wirkt sehr viel ernster als bei den partyfreudigen Seahawks.

Brady, der 45-Jährige, trainiert nicht im Trikot, sondern mit blassem Leibchen und grauer Schlabberhose. Der Medienauflauf ist viel größer als tags zuvor bei den Seahawks, an der Straße stehen ebenfalls mehr Fans - seinetwegen. Um den sechsmaligen Super-Bowl-Sieger zu sehen. Die Seahawks haben Fans, die Bucs, die Piraten, haben Groupies. Zusammen bilden sie einen riesigen Markt, für den man schon mal ein ein komplettes Ligaspiel nach Deutschland verfrachten kann.

Heldengeschichten wie jene von Brady oder seinem ehemaligen deutschen Beschützer, dem Düsseldorfer Sebastian Vollmer, bringen Sportinteressierte zum Football. Jugendliche sehen es im Fernsehen, denken sich: cool, will ich auch machen, gehen in Vereine. So läuft das. Nadine Nurasyid ist auch gekommen zum Campus. Sie ist Cheftrainerin der Munich Cowboys. Zum offenen Training des Erstligisten am Donnerstag kamen 25 Neue, erzählt sie.

"Ich weiß über München nicht so viel, wie ich wissen sollte", gibt Brady bei der Pressekonferenz zu, aber er habe dem Team gesagt, dass dies eines der Spiele ihrer Karriere sei, an das sie sich erinnern würden. Und ein Geschenk bekommt der Goat ("Greatest of all time") dann auch noch - eine Lederhose.

Rabenväter

Vergangener Samstag im Olympiastadion, etwa 160 Footballer sind gekommen. Manche wollen einfach mal auf diesem Rasen stehen. Die meisten bewerben sich bei diesem Tryout als Spieler für die Munich Ravens, einem Footballteam, das 2023 in der noch sehr jungen European League of Football (ELF) starten soll. "98 Prozent kommen aus Bayern", sagt Ravens-Manager Sebastian Stolz. Der ELF war es immens wichtig, ein bayerisches Team zu haben. American Football ist Mediensport, da braucht die Medienstadt München ein Team.

American Football in München: Umbauarbeiten in der Allianz Arena für das am Sonntag stattfindende NFL-Spiel.

Umbauarbeiten in der Allianz Arena für das am Sonntag stattfindende NFL-Spiel.

(Foto: Smith/Imago)

Fünf Tage später, in der Allianz Arena ist der Chef zu Besuch. Geschäftsführer Jürgen Muth besichtigt den Umbau. Die NFL sei so positiv überrascht von den drei Millionen Ticketanfragen, erzählt er, dass er glaube, sie werde sich "langfristig in Deutschland engagieren". Es werde bald diskutiert, ob das aktuelle Kontingent - zwei Spiele in München, zwei in Frankfurt - nicht ausgeweitet werden soll.

Die Popularität der NFL ist für deutsche Football-Verantwortliche Fluch und Segen zugleich. Denn das nationale Angebot kann weder sportlich noch medien-ästhetisch das Konsumenteninteresse bedienen. Es wird gemunkelt, die Ravens würden wahnsinnig gerne im Campus-Stadion des FC Bayern spielen. Schon wieder, eine mögliche Bayern-Connection. Vielleicht wird es aber auch das Stadion der SpVgg Unterhaching sein.

Auch dank des Bemühens um bessere Vermarktung kommt jetzt auf nationaler Ebene noch einmal Bewegung hinein. Der deutsche Football-Verband (AFVD) wird seit 25 Jahren von Robert Huber geführt. Ausgerechnet sechs Tage nach dem NFL-Spiel in München könnte für ihn Schluss sein, für die Bundesversammlung am 19. November haben nicht weniger als neun Landesverbände die Abwahl Hubers beantragt. Einer der deutschen Profis, die in der NFL erfolgreich waren, erzählte einmal, er selbst habe an den Verband herantreten müssen: Wollt ihr nicht mal ein bisschen Werbung machen mit mir? Keine Reaktion.

Wenn die Deutschen das nicht selbst auf die Reihe kriegen mit schönen Bildern und etwas mehr Zuschauern, schicken die Amerikaner eben ihre Besten rüber.

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