Konzert in der Isarphilharmonie:Vollbad in Highheels

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Melody Gardot und ihr neuer musikalischer Begleiter Philippe Powell. (Foto: Franco Tettamanti)

Mit der Erotik des Langsamen räkelt sich Melody Gardot an die Ohren ihrer Münchner Fans.

Von Claus Lochbihler

So locker und ganz ohne Stock hat man Melody Gardot in München noch nie über die Bühne stolzieren sehen wie an diesem Abend. Während sie früher, nach einem furchtbaren Unfall mit 18, als sie von einem Auto überfahren wurde, bei jedem Konzert auf den Stock angewiesen war, schwebt und stakst sie diesmal - hoch lebe die Physiotherapie - über die Bühne der Isarphilharmonie. Geblieben ist von ihrer Versehrtheit nur die Sonnenbrille gegen die Lichtempfindlichkeit. Und so tänzelt Gardot als noir-blonde Erscheinung über die Bühne: schwarzer Hosenanzug, hohe Absätze, roter Lippenstift und auf dem Kopf eine blonde Haar-Skulptur wie aus einem alten Hollywood-Film.

Gardot bewegt sich so betont elegant, selbstbewusst und hochhackig über die Bühne, als ginge es darum, mit jedem Schritt zu feiern, dass sie endlich - an manchen Tagen jedenfalls - so gehen kann, wie sie immer schon singt: lässig und cool, entschleunigt und smooth. Die Stimme der 37-Jährigen räkelt und kuschelt sich an die Ohren des Publikums. Sie kokettiert mit der Erotik des Langsamen, zügelt die Spielfreude der achtköpfigen Band (darunter vier Streicher), die sie mit gespreizten Bewegungen ihrer Hand dirigiert. Und greift nur einmal in die Tasten des Flügels, den sie ansonsten für ihren neuen musikalischen Intimus freigemacht hat: den Pianisten Philippe Powell, Sohn der brasilianischen Gitarrenlegende Baden Powell.

Manchmal gerät das Vollbad in der eigenen Coolness zur Pose. Aber immer dann, wenn luxuriöse Schläfrigkeit droht, erscheint die andere, die brasilienverliebte Gardot: Dann stimmt sie ausgelassen im Duett mit Powell - er auf Brasilianisch, sie auf Französisch - "Samba Em Prelúdio (Un Jour Sans Toi)" an, einen Klassiker von Baden Powell und Vinícius de Moraes. Die von Chopin inspirierte Nummer, für die der französische Musikproduzent, Schauspieler und Bossa-Nova-Entdecker Pierre Barouh einen französischen Text verfasste, gerät zum musikalischen Höhepunkt des Abends, der zwischen Chanson, runtergedimmtem Jazz und Bossa Nova changiert.

Zum Ende gibt es eine fetzige Gipsy-Swing-Version von "Les Étoiles", ein Feature für die Streicher mit dem grandiosen Cellisten Arytom Manukyan. Der Perkussionist und Drummer Jorge Bezerra, ein Ausbund an Musizierlaune, stimmt das Publikum mit einem Klatsch-Workshop auf die Zugaben ein, bevor Powell und Saxofonist Irwin Hall die Bühne in das Surren afro-brasilianischer Berimabau-Klänge tauchen. Zum Finale gibt es Melody noch einmal solo mit ihrem ersten Hit: "Baby, I'm a Fool". Nur mit Gitarre und der Diktion einer Expat in Paris, die am liebsten dort den romantischen Traum von der Liebe lebt.

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