G-20-Gipfel:Der Gipfel und sein omnipräsenter Gastgeber

G-20-Gipfel: Ökologie als Rahmenprogramm: Indonesiens Präsident Widodo führt seine G-20-Gäste durch einen Mangrovenwald.

Ökologie als Rahmenprogramm: Indonesiens Präsident Widodo führt seine G-20-Gäste durch einen Mangrovenwald.

(Foto: Bay Ismoyo/AP)

Unermüdlich wirbt Indonesiens Staatschef Joko Widodo bei den Teilnehmern des G-20-Gipfels auf Bali für Frieden und Klimaschutz. Sein Einsatz wird belohnt.

Von David Pfeifer, Nusa Dua

Man konnte beim G-20-Gipfel in Nusa Dua auf Bali den Eindruck haben, der Gastgeber Joko Widodo sei gleichzeitig überall. Am Sonntag verkündete er eine Initiative für einen Pandemiefonds. Am Montag begrüßte er die Staatsgäste, setzte sich aber auch zu einem Gespräch mit Joe Biden zusammen, bevor dieser ein paar Meter weiter gefahren wurde, zu seinem Treffen mit Xi Jinping. Da traf sich Jokowi, wie er im Land genannt wird, schon mit Japans Premier Fumio Kishida und tauchte später sogar im Medien-Zentrum auf, umringt von Journalistinnen und Journalisten, wie der Sänger einer Boyband.

Wer dachte, es gäbe ihn doppelt, lag nicht mal falsch, denn bei der internationalen Konferenz zur "Digitalen Transformation" war Joko Widodo auch als Avatar zu bewundern. Die Digitalisierung sollte eines der großen Themen beim G-20-Treffen sein, bis der Krieg alles erdrückte. Es treffen sich ja nicht nur die Chefinnen und Chefs der Staaten mit ihren Delegationen beim Gipfel auf Bali, hier werden auch Initiativen gestartet, die im besten Fall die Welt ein wenig verbessern sollen. Der digitale Widodo spricht also von den Möglichkeiten der Vernetzung, von dem "Digitalen Archipel" , das Indonesien werden soll. Das größte muslimische Land der Welt mit 280 Millionen Einwohnern ist ein rasch wachsender, großflächig verteilter Inselstaat, Transport und Kommunikation sind ein drängendes Problem.

Am Dienstagabend, noch bevor die ersten Meldungen vom Raketeneinschlag in Polen kursierten, gab es noch eine Pressekonferenz von Widodo, gemeinsam mit US-Präsident Joe Biden und Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission. Sie stellten ein neues Projekt der "International Partners Group" (IPG) vor, einen Plan für eine möglichst gerechte Transformation von Energiegewinnungsmethoden. "Just Energy Transition Partnership" (JETP) wird das Vorhaben genannt.

Verpflichtung zu straffen Klimazielen

Wachstum ohne verstärkten CO₂-Ausstoß zu erreichen, ist ein drängendes Problem der Zukunft, vor allem in dynamisch wachsenden Ländern wie Indonesien. In Europa beträgt der CO₂-Ausstoß pro Kopf derzeit acht Tonnen pro Jahr, in den USA sind es 11,6 Tonnen. "Wie ich mit meinen kanadischen Freunden besprochen habe, sind wir verpflichtet, uns mit den Ländern zu befassen, die nicht die Hauptursache für viele unserer Probleme sind, die aber jetzt mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben", sagte der US-Präsident in seiner Rede bei dem Treffen.

In Asien, wo 59 Prozent der Weltbevölkerung leben, werden 4,1 Tonnen pro Kopf ausgestoßen. In China sind es bereits 6,6 Tonnen. Diesen Weg will man nicht weiter gehen. In einer gemeinsamen Erklärung kündigten Biden, von der Leyen und Widodo nun eine Verpflichtung zu straffen Klimazielen an und benannten auch die dafür notwendige Finanzierung. 20 Milliarden US-Dollar wollen die Partner in den kommenden drei bis fünf Jahren bereitstellen. Die Hälfte der Summe wird von den IPG-Mitgliedern aufgebracht, zu denen neben den USA auch Japan, Kanada, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Norwegen und Großbritannien gehören.

Es ist die zweite Vereinbarung dieser Art, nach dem Start der JETP mit Südafrika auf dem Klimagipfel in Glasgow im vergangenen Jahr. Insgesamt sollen für solche Projekte weltweit etwa 600 Milliarden US-Dollar in den kommenden fünf Jahren bereitgestellt werden. Mit dem Geld soll die Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Schwellenländern ermöglicht werden, auch um zukunftsfähige Infrastrukturen, das Gesundheitswesen sowie Geschlechtergerechtigkeit zu fördern. Widodo erklärte, Indonesien sei entschlossen, eine grüne Wirtschaft zu schaffen: "Diese Partnerschaft wird der Weltgemeinschaft wertvolle Lehren bringen und kann in anderen Ländern nachgeahmt werden, um unsere gemeinsamen Klimaziele durch konkrete gemeinsame Maßnahmen zu erreichen."

"Fokus auf den globalen Süden"

Zu den Zielen Indonesiens gehört die Reduzierung der Emissionen, der Ausbau von erneuerbaren Energien, der Ausstieg aus der Kohlestrom-Versorgung. Indonesien ist der weltweit größte Exporteur von Palmöl, regelmäßig kommt es dort zu großflächigen Brandrodungen. Auch Landwirtschaft und Kohleabbau sind starke Wirtschaftszweige, und China ist der wichtigste Handelspartner. Es werden weiter Kohlekraftwerke gebaut, das Land entwickelt sich schnell und braucht Energie.

Im Dezember übernimmt Indien die G-20-Präsidentschaft, im September des kommenden Jahres steht das nächste Gipfeltreffen an. Der künftige Gastgeber Narendra Modi verwies gestern auf Bali noch einmal auf das Motto: "One Earth, One Family, One Future". Indien, mit nur 1,8 Tonnen CO₂-Ausstoß, will das Thema Klimagerechtigkeit betonen "und sollte den Fokus wieder auf den globalen Süden lenken", wie die Hindustan Times Modis Reise nach Bali kommentierte.

Was bleiben wird von diesem Gipfel ist die Hoffnung, dass so unterschiedliche Staaten wie China, Deutschland, Kanada, Australien und Brasilien ein gemeinsames Statement herausbringen, das den Krieg Russlands gegen die Ukraine als solchen benennt und als größte Sorge der Gegenwart einordnet. Das ist nach allem, was auf diesem Gipfel zu hören war, auch ein Verdienst des unermüdlichen Joko Widodo, unabhängig davon, was man sonst von der Politik seiner Regierung halten mag.

Zum Ende des Treffens kam es noch zur Pflanzung von Mangroven, einer "symbolischen Geste gegen den Klimawandel", wie ein Sprecher sagte. Joe Biden scherzte mit Ursula von der Leyen, als er sich seine Baby-Mangrove griff. Joko Widodo erklärte, wie viele Sorten es gibt und dass sie bis zu hundert Jahre alt werden können - wenn man sie nicht entwurzelt. Vielleicht war die Pflanzung auch eine Wiedergutmachung für die Mangroven, die beseitigt wurden, um der Autobahn Platz zu machen, auf der die Staatsgäste dann wieder zum Flughafen gefahren wurden, um in ihre Heimat zurückzufliegen.

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