Berlin:Wahl des Abgeordnetenhauses muss komplett wiederholt werden

Berlin: Bundestag, Abgeordnetenhaus, Bezirksverordnetenversammlungen, Volksentscheid: Am 26. September 2021 hatten die Berlinerinnen und Berliner viel zu entscheiden.

Bundestag, Abgeordnetenhaus, Bezirksverordnetenversammlungen, Volksentscheid: Am 26. September 2021 hatten die Berlinerinnen und Berliner viel zu entscheiden.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Am 26. September 2021 gab es in der Hauptstadt massive Wahlpannen. Nun ordnet der Verfassungsgerichtshof an, alle Bürger erneut zu den Wahlurnen zu rufen. So etwas gab es in Deutschland noch nicht.

Von Kassian Stroh

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik muss die Wahl eines Landesparlaments komplett wiederholt werden. Wegen der massiven Pannen am Wahltag hat der Berliner Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Wahlen zum dortigen Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen stadtweit "ungültig" sind. Damit werden die Berliner Bürgerinnen und Bürger für voraussichtlich Mitte Februar erneut zu den Wahlurnen gerufen.

Der Berliner Senat erkennt die Entscheidung an: "Wir respektieren dieses Urteil. Der Berliner Senat wird keine Beschwerde dagegen einlegen", sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nach der Urteilsverkündung. Sie wies darauf hin, dass sie zum Zeitpunkt der Wahl im September 2021 noch nicht im Amt gewesen war. Es seien Fehler passiert, die nicht noch einmal passieren dürften und nicht hätten passieren dürfen. "Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir jetzt weder organisatorische noch finanzielle Aufwendungen scheuen, wenn es darum geht, diese Wiederholungswahl gut vorzubereiten und gut umzusetzen."

Fehlende oder falsche Stimmzettel, Schlangen vor den Wahllokalen mit teils stundenlangen Wartezeiten, zu wenig Urnen: Die Probleme waren vielerorts groß in der Bundeshauptstadt am 26. September 2021. Damals wurde neben dem Abgeordnetenhaus und den Bezirksvertretern auch ein neuer Bundestag gewählt, hinzu kam ein Volksentscheid. Gegen das Wahlergebnis wurden diverse Einsprüche eingelegt.

Nun hat der Verfassungsgerichtshof angeordnet, die Wahl zu wiederholen. Er stützt sich dabei auf die Auswertung der Protokolle aus den Wahllokalen und auf Stellungnahmen von Beteiligten. Gerichtspräsidentin Ludgera Selting argumentierte zudem, man könne nicht mehr feststellen, wie viele Menschen ihre Stimme wegen der Pannen nicht abgeben konnten. Die Pannen seien mandatsrelevant gewesen, sagte Selting bereits im September bei der mündlichen Verhandlung. Das heißt: Sie hatten Auswirkungen auf die Verteilung der Mandate und damit auf die Zusammensetzung des Parlaments. Die Wahl ergab seinerzeit eine Mehrheit für die rot-grün-rote Landesregierung, die seitdem von Franziska Giffey (SPD) geführt wird.

Die Wahl muss nun binnen 90 Tagen wiederholt werden. Landeswahlleiter Stephan Bröchler, der vorsorglich bereits begonnen hat, Wahlhelfer zu werben, hat deutlich gemacht, dass es auf den 12. Februar 2023 als Termin hinauslaufen dürfte. Dann stehen dieselben Kandidaten und Listen zur Wahl wie vor gut einem Jahr.

Einen ähnlichen Fall gab es 1993 in Hamburg: Damals erzwangen Einsprüche eine Wiederholungswahl. Die Hamburger Bürgerschaft löste sich zuvor aber selbst auf, und so kam es statt zu einer Wiederholungs- zu einer Neuwahl, für die die Kandidaten neu nominiert und die Listen neu aufgestellt werden mussten. In Berlin steht nun eine Wiederholungswahl an, nach Auskunft des Bundeswahlleiters erstmals auf Landesebene in Deutschland. Das Parlament wird also jetzt nicht aufgelöst, nach der Wahl beginnt auch keine neue Legislaturperiode. Allerdings könnte eine neue Regierungsbildung nötig werden, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse ändern sollten.

Wegen der Wahlpannen könnte in Teilen Berlins auch die Bundestagswahl wiederholt werden, und zwar in 327 von 2256 Wahlbezirken sowie gut 100 Briefwahlbezirken. Das hat vergangene Woche der Bundestag entschieden - darüber muss aber womöglich noch das Bundesverfassungsgericht befinden.

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