Zum Tod von Werner Franke:Verächter des Sports, den Opfern zuliebe

Zum Tod von Werner Franke: "Ich bin ein Getriebener und werde es immer bleiben": Werner Franke 2015 in Erfurt.

"Ich bin ein Getriebener und werde es immer bleiben": Werner Franke 2015 in Erfurt.

(Foto: Karina Hessland/Imago)

Werner Franke war Deutschlands bekanntester Dopingjäger. Nun ist er mit 82 Jahren gestorben. Seine Stimme wird dem Kampf gegen Sportbetrug fehlen.

Nachruf von Sebastian Fischer

Jetzt, ganz aktuell, würde man ihm wieder mit Gewinn zuhören. Nun, da der Zweitliga-Profi Mario Vuskovic vom Hamburger SV nach einem positiven Epo-Test vorläufig gesperrt ist. Doping im Fußball? Natürlich, hätte Werner Franke gesagt. Aus einem SZ-Interview im Jahr 2015: "In der zweiten Halbzeit wirken sich Epo und sogenannte Epo-Mimetika fantastisch aus."

Die Kickerbranche hatte damals mal wieder naiv über Doping diskutiert, nach Hinweisen auf Anabolika-Missbrauch beim VfB Stuttgart und beim SC Freiburg in den 1970er- und 1980er-Jahren. Man fragte, ob das im Fußball überhaupt etwas bringe. Franke sagte: "Die wollen ihr System schützen." Er opponierte rigoros gegen den organisierten Sport, wie es seine Lebensaufgabe geworden war. Ihm gelang das oft sehr pointiert. Schon als Student der Biologie, Physik und Chemie in den 1960er-Jahren hatte er nebenbei als Kabarettautor gearbeitet.

Franke, geboren in Paderborn, wurde Professor für Zellbiologie in Freiburg und Heidelberg. Er gründete 1975 die Deutsche Gesellschaft für Zellbiologie, gewann großes Renommee als Wissenschaftler. Doch seine Leidenschaft galt dem Kampf gegen Betrug im Sport. "Deutschlands bekanntester Dopingjäger", so nannte ihn der Sport-Informations-Dienst.

Er wehrte sich raufend, weil ihm der Zutritt zu einer DOH-Veranstaltung verweigert wurde

Mit seiner Ehefrau, der Diskuswerferin Brigitte Berendonk, sicherte er nach der Wiedervereinigung geheime Dokumente in der Militärmedizinischen Akademie Bad Saarow, die das Staatsdoping der DDR ans Licht brachten. Ihr 1991 veröffentlichtes Buch "Doping-Dokumente - Von der Forschung zum Betrug" wurde weltweit beachtet und führte zu zahlreichen Prozessen.

So groß Frankes Verdienste um die Aufarbeitung der ostdeutschen Doping-Vergangenheit waren, so sehr kritisierte er auch die westdeutsche Doping-Geschichte und das Anti-Doping-System im vereinten Deutschland. Den Radsport nahm er besonders ins Visier. Er prozessierte erfolgreich gegen Jan Ullrich, stritt sich vor Gericht mit der ARD über ihre Berichterstattung, prangerte die Freiburger Sportmedizin für ihre Doping-Unterstützung an. 2004 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Bis zuletzt blieb er unbequem. Anti-Doping-Agenturen, ob in Deutschland oder weltweit, waren ihm nicht unabhängig genug. Und dem Doping-Opfer-Hilfeverein (DOH), den er zunächst beriet und unterstützte, warf er vor, ehemalige Sportler trotz unzureichender Nachweisverfahren als Dopingopfer anzuerkennen. Die Auseinandersetzung mündete 2019 darin, dass er sich raufend dagegen wehrte, als ihm der Zutritt zu einer Veranstaltung des Vereins verwehrt wurde.

"Ich bin ein Getriebener und werde es immer bleiben", sagte Franke zu seinem 75. Geburtstag. "Ich verachte nach wie vor den deutschen Sport", sagte er anlässlich seines 80. Geburtstages. Am Montagabend ist er im Alter von 82 Jahren an einer Hirnblutung gestorben.

Zur SZ-Startseite
Fifa WM

SZ PlusExklusivFifa
:Gianni Infantino, die USA und ein schmutziger Masterplan

Skandal um Skandal erschüttert die Fifa - und die Justiz schaut zu. Steckt dahinter System? Recherchen zeigen, wie eine Konstellation entstand, die alle zufriedenstellte: Der Fifa-Boss ist unantastbar - und Amerika hat die WM 2026. Eine Rekonstruktion.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: