Jugendforum:Viel Raum für junge Ideen

Lesezeit: 3 min

An Stellwänden im Alten Speicher präsentierten die Jugendlichen ihre Ideen und luden die Erwachsenen zum Gespräch. (Foto: Christian Endt)

Als erste Kommune in ganz Bayern hat die Stadt Ebersberg ein Jugendforum veranstaltet: Achtklässler aus Mittel- und Realschule durften Politikern ihre Anliegen präsentieren. Am Ende waren selbst die Skeptischen zufrieden.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Etwas mehr als 340 Themen sollen es nach einem ersten Durchlauf gewesen sein. So viele Gedanken und Ideen sind Jugendlichen eingefallen, als es darum ging, was Verantwortliche in der Stadt Ebersberg besser machen könnten. Von der so oft behaupteten Politikverdrossenheit der Jugend war zumindest bei diesen Mädchen und Buben nichts zu erkennen, die am Dienstagmittag ihre Wünsche und Verbesserungsvorschläge im Alten Speicher präsentierten.

Das Projekt, durch das Achtklässler der Mittel- und der Realschule Ebersberg zusammengefunden haben, ist in Deutschland und vor allem in Baden-Württemberg ein recht erprobtes - bayernweit jedoch war die Stadt Ebersberg nun die erste Kommune, die es umgesetzt hat. Und sie wird dies nun jedes Jahr tun, jeweils für die Schülerinnen und Schülern der achten Klassen. Das Projekt nennt sich dementsprechend "Achter-Rat" und ist ein politisches Partizipationsformat mit dem Ziel, allen Jugendlichen eine positive erste Erfahrung mit der Demokratie zu ermöglichen, um sie dadurch zu einer weiteren gesellschaftlichen Beteiligung zu motivieren. In der Kreisstadt wird das Projekt durch die Stadtjugendpflege veranstaltet und vom Kreisjugendring sowie der Partnerschaft für Demokratie als Kooperationspartner unterstützt.

16 konkrete Anliegen haben die Jugendlichen herausgearbeitet

In einer ersten Konferenz hatten die rund 90 Jugendlichen für sie selbst relevante Themen identifiziert - dabei waren die bereits erwähnten 340 Vorschläge entstanden. Am zweiten Projekttag haben die Achtklässler in Projektgruppen ihre Ideen zu 16 konkreten Themenfelder ausgearbeitet und auf großen Plakaten festgehalten. Diese waren nun im Saal des Alten Speichers reihum aufgestellt. Die geladenen Mitglieder des Stadtrats, Bürgermeister Ulrich Proske sowie andere Verantwortliche wie Lehr- und Verwaltungskräfte waren aufgefordert, von einer zur nächsten Gruppe zu gehen und mit den Jugendlichen ins Gespräch über ihre Wünsche zu kommen. Auf einem Zettel konnten sich die Erwachsenen mit ihren Kontaktdaten eintragen, wenn sie sich für das Thema zuständig fühlten und das jeweilige Vorhaben künftig unterstützen möchten.

Die konkreten Themen der Achtklässler waren vielfältig: Da ging es um Radwege, Schulbusse und öffentliche Verkehrsmittel, um Digitalisierung an der Schule sowie Schule allgemein, um Sportanlagen, Schwimmbad und öffentliche Plätze sowie Räume für Jugendliche, um Veranstaltungen, Einkaufsmöglichkeiten und Kinos sowie um den Bereich Sicherheit.

Die meisten Erwachsenen waren sehr interessiert gegenüber den Schülerinnen und Schülern

"Ein Teil der Jugendlichen glaubt, dass es Sie nicht interessiert, was sie zu sagen haben", erklärte Karola Kellner vorab den Erwachsenen. Die Kommunalberaterin aus Rosenheim hatte den Workshop moderiert. Sie bat deshalb eindringlich darum, mit den Schülerinnen und Schülern aktiv ins Gespräch zu kommen.

Freizeit in Poing
:Über Wellen und Mulden

Die jüngsten Pläne um den Pumptrack in Poing sehen eine Einweihung im kommenden Frühjahr vor. Dann können sich Rollsportbegeisterte auf 1000 Quadratmetern austoben. Der Bikepark ist aber nicht das einzige Projekt für junge Leute, das die Gemeinde vorantreibt.

Von Johanna Feckl

Das taten die Politiker und anderen Verantwortlichen dann auch - zumindest die allermeisten. Jedoch sah man auch ein paar wenige Erwachsene, die mindestens zu zweit von Grüppchen zu Grüppchen wanderten und sich über das jeweilige Thema mehr miteinander unterhielten als mit den Jugendlichen. Selbst als ein paar Achtklässler den Erwachsenen anboten, ihr Thema vorzustellen, wurde höflich abgewunken. Man sei für dieses Feld nicht zuständig.

Bei den Schülern dieser Gruppe war die Enttäuschung groß - sie sprachen sich übrigens unter anderem für einen saubereren Klostersee aus sowie für mehr Sportflächen neben dem Gewässer. "Die könnten doch wenigstens sagen, dass sie das im Rathaus dann weitererzählen", klagte ein Junge. So aber fühle er sich nicht ernst genommen, sagte er und deutete auf den Zuständigkeitszettel neben dem Plakat: Niemand hatte sich zu diesem Zeitpunkt dort eingetragen. Die Gäste würden sich zwar meist ihre Präsentation anhören, aber letztlich einfach weitergehen. Weitere Erklärungen waren nicht nötig - den Jungs war anzusehen, dass sie frustriert waren und das Verhalten der Erwachsenen nicht verstanden.

Eine Gruppe kritisierte den baulichen Zustand der Realschule

Bei anderen Themen hingegen zeigte sich ein sehr positives Bild. So sagten zwei Schülerinnen, deren Gruppe den Zustand der Realschule kritisierte - kaputte Stühle, bröckelnder Putz, Trennwände als Schutz gegen Spicken, die aufgrund ihrer Optik Kopfschmerzen bereiten -, dass sie sich durchaus respektiert fühlten. Sogar der Schulleiter sei gekommen und habe sich lange mit ihnen unterhalten. Später versicherte Bürgermeister Proske vor allen Jugendlichen, dass er zu diesem Thema mit dem Sachaufwandsträger und damit Verantwortlichen, dem Landkreis, sprechen werde.

Insgesamt war vor allem eines auffallend: Viele der Anregungen der Jugendlichen würden sich schnell lösen lassen. Tampons und Binden sowie mehr Mülleimer zum Entsorgen von Hygieneartikeln auf den Mädchentoiletten an den Schulen. Ein neuer Basketballkorb. Mehr Sitz- und allgemein mehr Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien. Eine warme Mahlzeit in der Schule. Am Ende versprach Bürgermeister Proske, dass man sich mit allen Ideen auseinandersetzen werde.

Am Ende standen die ersten beiden Bürgermeister auf dem Zuständigkeitszettel

Spätestens im Januar werden die Organisatoren Clemens Scheerer, der beim Kreisjugendring für das Projekt "Partnerschaft für Demokratie" zuständig ist, und Ebersbergs Jugendpfleger Christian Zeisel den Achtklässlern eine Dokumentation der Plakate zukommen lassen. Im Februar dann haben die Jugendlichen die Möglichkeit, in von Scheerer und Zeisel koordinierten Gruppen in ihrer Freizeit an den Themen weiterzuarbeiten. "Wir sind für euch da", sagte Scheerer abschließend.

Und selbst die Jungs aus der Gruppe, die kurz zuvor noch so enttäuscht gewesen waren, zeigten sich nun glücklich über den Projekttag. Stolz deuteten sie ein weiteres Mal auf ihren Zuständigkeitszettel - dort standen jetzt die Namen der ersten beiden Bürgermeister der Stadt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungJugendpartizipation
:Es kommt auf jeden einzelnen Erwachsenen an

Das Ebersberger Jugendforum ist bei allen Beteiligten gut angekommen. Damit der "Achter-Rat" aber tatsächlich erfolgreich ist, müssen die Politiker ihre Zusagen einhalten - und einige wenige sich beim nächsten Mal besser verhalten.

Kommentar von Johanna Feckl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: