COP27:"Ein Funke Hoffnung"

COP27: Die Gespräche bei der Klimakonferenz in Scharm el-Scheich standen mehrmals auf der Kippe, hier die Plenarsitzung.

Die Gespräche bei der Klimakonferenz in Scharm el-Scheich standen mehrmals auf der Kippe, hier die Plenarsitzung.

(Foto: Thomas Trutschel/Imago)

In Scharm el-Scheich beschließen die Länder erstmals einen Fonds, der armen Staaten bei der Bewältigung von Klimaschäden helfen soll - China will aber nicht zahlen. Und weitere Probleme bleiben ungelöst.

Von Michael Bauchmüller, Scharm el-Scheich

Historischer Durchbruch oder völlige Ernüchterung: Die Interpretationen der Klimakonferenz von Scharm el-Scheich gehen denkbar weit auseinander. Der Gipfel war nach mehr als eintägiger Verlängerung am Sonntagmorgen zu Ende gegangen - und das, nachdem die Gespräche mehrmals auf der Kippe gestanden hatten. "Beim Ergebnis liegen Hoffnung und Frustration nahe beieinander", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Abschluss der Verhandlungen. Zwar habe man nicht alles durchsetzen können - allerdings sei es auch gelungen, Schlimmeres zu verhindern, nicht zuletzt dank eines Bündnisses mit Inselstaaten und Entwicklungsländern.

Der wichtigste Beschluss des Gipfels ist die Einrichtung eines Fonds, der Klimaschäden auffangen soll, wie sie vor allem besonders arme oder verletzliche Staaten schon heute erleiden. Die Forderung nach einer solchen Kompensation ist so alt wie die Klimapolitik selber, allerdings schieben die Industriestaaten sie auch schon seit 30 Jahren vor sich her. EU und USA fürchteten, auf diese Weise künftig für alle möglichen Schäden in Haftung genommen zu werden. In Scharm el-Scheich allerdings sorgte die deutsche G7-Präsidentschaft mit dafür, dass das Thema auf der Tagesordnung landete - kaum jemand rechnete damit, dass am Ende tatsächlich ein Fonds herauskommen würde.

Wie genau dieser Fonds funktionieren soll, wer einzahlt und wer nach welchen Kriterien Hilfe bekommt, soll bis zum nächsten Jahr geklärt sein. Die EU hatte versucht, auch China in den Kreis der Geber zu bugsieren, war damit aber gescheitert. Gleichzeitig konnte sie durchsetzen, dass wirklich nur jene Staaten in den Genuss von Hilfen kommen, die besonders stark unter Klimafolgen zu leiden haben. "Millionen rund um den Globus haben nun einen Funken Hoffnung", sagte Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry, der die Konferenz leitete. Ihr Leiden könne nun erhört werden, "schnell und angemessen". Auch Klimaschützer begrüßten diesen Teil der Vereinbarungen. "Was das angeht, war es eine gute Konferenz", sagte Harjeet Singh, Chefstratege des Klimanetzwerks CAN.

"Wir machen uns keine Vorstellung von einer Welt jenseits der 1,5 Grad-Celsius-Erwärmung"

Allerdings finde dies keine Entsprechung beim anderen großen Thema der Konferenz, der stärkeren Minderung von Treibhausgasemissionen. Hier habe die Konferenz zu wenig geliefert. "Wir machen uns keine Vorstellung von einer Welt jenseits der 1,5 Grad-Celsius-Erwärmung", sagte Singh. Dennoch war es in Scharm el-Scheich ein harter Kampf, dieses Ziel erneut zu beschließen. Erst im vorigen Jahr, beim Klimagipfel in Glasgow, hatten die Staaten die 1,5 Grad Celsius zur neuen Maximalmarke erklärt - auch nach eindringlichen Warnungen des Weltklimarats IPCC. Trotzdem setzten sich in Scharm el-Scheich verschiedene Staaten dafür ein, wieder zur Sprache des Paris-Abkommens zurückzukehren: Es strebt eine Begrenzung der Erderhitzung auf höchstens zwei Grad Celsius an und nur "Anstrengungen", um nach Möglichkeit bei 1,5 Grad zu landen. Sie konnten sich aber nicht durchsetzen.

Zielmarken wie das 1,5-Grad-Ziel sind wichtig, weil sich daraus weitere Schritte ableiten lassen - etwa nationale Klimaziele. Auch in diesem Bereich drohten Rückschritte, nämlich bei einem Arbeitsprogramm, mit dem die Staatengemeinschaft den Klimaschutz bis 2030 forcieren will. Andere Staaten, darunter China, wollten keinen Plan bis 2030, wieder andere fürchteten, das könne mehr Anstrengungen für den Klimaschutz nach sich ziehen. Stattdessen gilt das Programm nun bis 2026, und weitere Verpflichtungen schließt es aus. Allerdings lässt sich unter dem Dach der Vereinten Nationen ohnehin kein Staat zu irgendetwas verpflichten.

Viele Umweltschützer ziehen insgesamt ein durchwachsenes Fazit. "Die Vertragsparteien konnten sich hier nur auf einen Durchbruch bei der Behandlung der Symptome einigen", sagt Viviane Raddatz von der Umweltstiftung WWF. "Nicht aber darauf, die Ursache abzustellen." Und dies in einer Zeit, in der immer mehr Staaten die Klimakrise zu spüren bekämen. Selbst über den Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energien, der Hauptquelle von Kohlendioxid-Emissionen, stritten die Staaten erbittert - und einigten sich schließlich darauf, Energien mit "niedrigen Emissionen" nicht auslaufen zu lassen. Welche das konkret sein sollen, bleibt in den Beschlüssen offen.

Immerhin aber kam die Konferenz zu einem Ergebnis - das war noch am Samstagmorgen alles andere als wahrscheinlich. Und es gibt auch kleine Fortschritte, die leichter klingen, als sie sich in den Verhandlungen darstellten. So wirbt das Schlussdokument erstmals dafür, auch naturbasierte Lösungen in Betracht zu ziehen, wie den Schutz von Mooren oder eine nachhaltige Landwirtschaft. Das verweist gleich auf die nächste große UN-Konferenz: die zum Schutz der Arten. Sie beginnt in zweieinhalb Wochen im kanadischen Montreal.

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