Ökologischer Umbau:Waldbesitzer auf der Palme

Ökologischer Umbau: Im Ebersberger Forst ist der Waldumbau in vollem Gange. Wo Fichten Stürmen oder Schädlingen zum Opfer gefallen sind, werden sie durch Laubbäume ersetzt.

Im Ebersberger Forst ist der Waldumbau in vollem Gange. Wo Fichten Stürmen oder Schädlingen zum Opfer gefallen sind, werden sie durch Laubbäume ersetzt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

900 Millionen Euro stellt die Bundesregierung aus dem Klima-Transformationsfonds zur Verfügung. Bei den Betroffenen im Landkreis Ebersberg hält sich die Begeisterung in Grenzen.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Werner Fauth ist draußen unterwegs, natürlich, er ist Landwirt und Waldbauer - besonders letzteres aber mit zunehmendem Verdruss. Das Netz ist schlecht, der Handyton etwas gedämpft, aber eines ist mehr als gut zu verstehen: Der Vorsitzende der Waldbesitzervereinigung Ebersberg/München Ost ist richtig geladen. Eine vom Bundeslandwirtschaftsministerium ausgelobte Waldprämie ist es, die Fauth auf die sprichwörtliche Palme, oder besser, die Fichte bringt. Mit dem Geld, das aus dem Klima-und Transformationsfonds stammt, soll klimaangepasstes Waldmanagement und ökologischer Waldumbau im Privatwald stärker als bisher gefördert werden. 900 Millionen Euro sind dafür bereitgestellt, Waldbesitzer können sich jetzt dafür bewerben, 200 Millionen sollen noch bis Ende des Jahres abgerufen werden können.

Ökologischer Umbau: Werner Fauth, Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Ebersberg/München Ost, ist von der Waldprämie nicht begeistert.

Werner Fauth, Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Ebersberg/München Ost, ist von der Waldprämie nicht begeistert.

(Foto: Angelika Bardehle)

Das klingt erstmal gut, ruft bei Landwirten wie Werner Fauth oder auch Christoph Schwer, dem Ebersberger Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung, recht ambivalente Reaktionen hervor. Dass das Geld nicht für alle reiche, könne man sich ausrechnen, sagt Schwer. Die Prämie werde im "Windhund"-Prinzip vergeben, die Zuteilung erfolge nach Eingang der Anträge. Dass das aber überhaupt alle wollen, hält Fauth für wenig wahrscheinlich. Es werde sicher ein paar geben, "für die das passt", sagt er, grundsätzlich aber sieht er in dem Anliegen der Staatsregierung eine "Gleichmacherei", die eher dazu geeignet sei, die Waldbesitzer zu verärgern, und die überdies im Hinblick auf die aktuellen Erkenntnisse aus der kriegsbedingten Energiekrise in eine völlig falsche Richtung weise.

"Kein Holz zu nutzen, wäre das Schlimmste, was mir machen können", erklärt der Geschäftsführer der Ebersberger Waldbesitzer

"Sollen wir es machen wie die Tschechen oder andere, und uns wieder auf die Kernkraftwerke einlassen, statt auf die heimischen Rohstoffe zu setzen?", fragt er, "von den heimischen Arbeitsplätzen, die daran hängen und den Klimavorteilen ganz abgesehen." Im Holz werde CO2 gebunden, das in einem Möbelstück oder einem Haus mehrere Jahrzehnte auch gebunden bleibe. Etwa 60 Prozent eines Baums würden in diesem Sinn genutzt, erklärt Christoph Schwer, der Rest gehe in Spanplatten, Papier, Textilfasern und Dämmstoffe oder eben Energiegewinnung. "Kein Holz zu nutzen, wäre in unserer Situation das Schlimmste, was wir machen könnten", sagt er.

Ökologischer Umbau: Waldumbau braucht Zeit. 250 Jahre alt ist diese Buche, eine der ältesten im Ebersberger Forst.

Waldumbau braucht Zeit. 250 Jahre alt ist diese Buche, eine der ältesten im Ebersberger Forst.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Tatsächlich zielen die Maßnahmen der Bundesregierung auf eine stärkere ökologische Ausrichtung als bisher, was die Gewichtung der in Deutschland auch im Privatwald üblichen multifunktionalen, einer also nachhaltigen und nutzenden Waldbewirtschaftung, zugleich, verschiebt. Wer sich um die Prämie bewirbt, verpflichtet sich unter anderem zu einer Vorausverjüngung des Bewuchses von mindestens fünf bis sieben Jahren, bevor an dieser Stelle der ältere Bestand herausgenommen werden darf. Natürliche Verjüngung hat dabei Vorrang, sofern klimaresiliente, standortheimische Baumarten vorherrschen. Auf kleinen Freiflächen muss der Waldbesitzer natürliche Entwicklung zulassen, zudem soll er eine größere Baumartendiversität schaffen, um das Risiko gegen Klimaeinflüsse oder Schädlinge zu streuen. Kahlschläge sind tabu, weil sie Nachbarbäume bei Extremwetter gefährden und zu einer rapiden Schädigung des Kohlenstoffspeichers Wald führen. Zudem soll mehr Totholz liegen bleiben, als Lebensraum für Kleinstlebewesen, Wasserspeicher und Humus. Mindestens fünf Habitatbäume pro Hektar sollen erhalten werden, die bis zu ihrer Zersetzung dort bleiben. Auf fünf Prozent der Fläche sollen sich Wälder völlig natürlich entwickeln dürfen - ein Pflichtkriterium bei einer Fläche über 100 Hektar, darunter ist das aber freiwillig.

Vorausverjüngung betreibe man im Staatswald seit langem, sagt Forstbetriebsleiter Utschig

Für Heinz Utschig, als Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten in Wasserburg auch für den Ebersberger Forst zuständig, ist das alles "ganz normal". Vorausverjüngung betreibe man im Staatswald seit langem, "sieben Jahre sind für uns gar nichts", sagt er. Da rede man etwa von 30 Jahren, in denen sogenannte "Sukzessionstadien" beobachtet würden, verschiedene Entwicklungszeiträume, in denen Bäume und andere Pflanzen nachwachsen. Im Staatswald, der ja eine Vorbildfunktion erfülle, sei man den Standards des Waldgesetzes weit voraus, die Staatsforsten umfassen 30 Prozent des etwa 2,6 Millionen Hektar großen Gesamtwaldbestands in Bayern. 54 Prozent sind in Privatbesitz. Den Waldbesitzern in Ebersberg und Umgebung gehören etwa 14 000, im Durchschnitt sechs bis acht Hektar. Der Einzelne hat also in der Regel nur ein vergleichsweise kleines Waldstück, um den geforderten Maßnahmen gerecht zu werden.

Ökologischer Umbau: Der Wasserburger Forstbetriebsleiter Heinz Utschig weiß von Waldverjüngung und ökologischem Umbau aus jahrelanger Erfahrung zu berichten.

Der Wasserburger Forstbetriebsleiter Heinz Utschig weiß von Waldverjüngung und ökologischem Umbau aus jahrelanger Erfahrung zu berichten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Obwohl die Maßgabe den staatlichen Forst nicht betrifft, sagt Forstbetreibsleiter Utschig: "Ich habe geschluckt, als ich davon erfahren habe." Er sei bei der jüngsten Versammlung der Ebersberger Waldbauern gewesen und berichtet: "Begeisterung sieht anders aus." Vor allem, weil er die Einschätzung des Vorsitzenden Fauth in einer Hinsicht teilt: Wenn das nicht funktioniert, die 900 Millionen Euro etwa nicht abgerufen werden, "dann wird es angeordnet". Große Probleme sehen Utschig und Fauth in der Umsetzung der Maßnahmen. "Ich beschäftige mich 365 Tage im Jahr mit Wald, aber die meisten Waldbauern tun das nicht", sagt der Forstbetriebsleiter. Waldumbau aber bedürfe großer Fachkenntnis, eines langen Atems und einer Menge Geld. "Wir geben jedes Jahr 600 000 bis 700 000 Euro für neue Pflanzen aus", erklärt er und fügt hinzu: "Wenn Sie den falschen Wald haben, dann wird da von alleine kein richtiger draus." Andererseits relativiert er die Befürchtungen der Waldbauern aber auch: "Es steht nichts von einem Nutzungsverzicht drin, weil fünf Biotopbäume stehen bleiben müssen. Man soll die Nutzung nur langsamer betreiben."

Ökologischer Umbau: Abwarten und zusehen, wie sich der Wald langsam erholt, ist für Waldbesitzer eher kein Thema.

Abwarten und zusehen, wie sich der Wald langsam erholt, ist für Waldbesitzer eher kein Thema.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Werner Fauth aber hält die Waldprämie für einen völlig falschen Ansatz - im Hinblick auf Holz als Rohstoff und Ersatz für fossile Energien ebenso wie die Funktion des Waldes als CO2-Speicher und Ökosystem. "Es ist ja wissenschaftlich bewiesen, dass die Privatwaldnutzung einen hohen Wert für die Umwelt hat." Schaue man auf große Flächen mit ungesteuerter Entwicklung wie etwa im Bayerischen Wald, könne man beobachten, dass sich auf Brachflächen oft nur eine einzige Baumart ansiedle: Die Eberesche, während ein paar Kilometer weiter, auf bewirtschafteter Fläche am Arber große Vielfalt zu sehen sei.

Die hohen Holzpreise könnten die Waldbesitzer für den höheren Aufwand entschädigen

Dass es den Waldbauern in ihrem Ärger nicht nur um die Ökologie geht, liegt nahe, wenn sie befürchten müssen, dass sie die Pflege der Bäume mehr kostet, als sie an Profit aus dem Wald herausholen. "Es wird schon so kommen, dass die Werthaltigkeit darunter leidet", sagt Schwer. Im Hinblick auf die hohen Preise für Brennholz und noch mehr für Holzpellets - die jahrelang bei etwa 250 Euro pro Tonne lagen und in der Höchstphase im Sommer auf über 700 Euro stiegen -, mag ihnen die Aussicht auf möglicherweise reduzierte Möglichkeiten zur Waldnutzung nicht gefallen. "Die Kunden haben im Sommer nicht nur ihre Lager, sondern sogar ihre Garagen leergeräumt, um genug Pellets auf Vorrat lagern zu können", erzählt Schwer, der aber vor allem psychologische Gründe für die hohen Preise ausmacht. Bei den Waldbauern sei ohnehin nur ein Bruchteil des Geldes angekommen. Sägewerke, Zwischenhändler, Verarbeiter nützten die große Nachfrage aus, gestiegene Energiekosten taten ein übriges. "Da haben ein paar sicher gute Geschäfte gemacht", sagt Utschig. Dennoch haben auch Holzbauern und Staatsforsten von der hohen Nachfrage profitiert. Einen Nettogewinn von 5,3 Millionen konnten die Staatsforsten in diesem Jahr bis Oktober verbuchen, in den Vorjahren hatten sie aufgrund von Borkenkäferbefall in Fichtenmonokulturen und Sturmschäden noch mit Verlusten zu kämpfen.

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