Deutschlands erster WM-Gegner:Kleines Rätsel namens Japan

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Gut gerüstet für das deutsche Team: Die Japaner trainieren in Doha. (Foto: Eugene Hoshiko/dpa)

Yoshida, Endo oder Kamada: Viele japanische Spieler haben ihre Erfahrungen in der Bundesliga gesammelt. Das Team ist Außenseiter - hofft aber, dass es die Deutschen entnerven und auskontern kann.

Von Martin Schneider, Doha

Vor dem Spiel gegen Deutschland spricht ein Schalker für Japan. Maya Yoshida ist in der Bundesliga Verteidiger in der Abwehr des Tabellenletzten, und meistens wird seine Arbeit hierzulande problematisiert. Das unbestechliche Fachmagazin Kicker notiert für ihn eine Durchschnittsnote von 4,07, in drei Spielen zogen die Prüfer aus Nürnberg sogar die vernichtende 6,0 hinsichtlich seiner Leistung hervor. In Japan ist Yoshida aber davon unbenommen eine Autorität, 122 Länderspiele hat der 34-Jährige gesammelt - er ist der Kapitän der Mannschaft und soll nun vor dem Spiel gegen Deutschland den Japanern Deutschland erklären.

"Wir haben viel von Deutschland gelernt", sagt Yoshida auf der Pressekonferenz vor dem Spiel, und das "wir" in dieser Antwort bezieht sich sehr direkt auf einen großen Teil der Mannschaft. Ganze acht Spieler der Japaner kicken in der Bundesrepublik, sieben in der Bundesliga, einer in der zweiten Bundesliga. Neben Yoshida ist da etwa Wataru Endo, Kapitän des VfB Stuttgart und dort recht beliebt, weil er den Klub durch sein Tor im vergangenen Jahr in der Liga gehalten hat.

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Dazu Linksverteidiger Hiroki Ito, ebenfalls Stuttgart, Ao Tanaka (Düsseldorf), Stürmer Takuma Asano (Bochum) und der Freiburger Dribbler Ritsu Doan. Der hat es geschafft, Christian Streich von sich zu überzeugen, aber in der Nationalmannschaft hat er keinen sicheren Startplatz. Das Angebot an Dribblern ist hoch.

Hiroki Sakai spielt nun zwar wieder bei Urawa in der Heimat, kickte aber von 2012 bis 2016 vier Jahre lang in Hannover. Japans dritter Ersatztorhüter heißt tatsächlich Daniel Schmidt, hat aber trotz eines Namens, der in seiner Häufigkeit höchstens vielleicht noch von "Thomas Müller" übertroffen wird, keine direkte Verbindung in die Bundesrepublik. Sein Vater, ein US-Amerikaner, hat deutsche Vorfahren, daher die Namensfindung. Schmidt spielt zumindest im belgischen Eupen unweit der Grenze und kündigte bereits an, seine deutschen Teamkollegen im Falle eines Sieges necken zu wollen.

In der Abwehr kann ein Gladbacher für Japan spielen - oder ein Mann vom FC Arsenal

Und dann sind da die beiden mutmaßlich besten Bundesliga-Akteure: einmal Ko Itakura, im vergangenen Jahr tragendes Element des Schalker Aufstiegs, aber weil er zu teuer für Gelsenkirchen war, wurde er tragendes Element in der Gladbacher Abwehr. Itakura fiel dann seit Mitte September mit einem Innenbandriss im Knie aus, gerade vor der WM wurde er fit; Japans Trainer Hajime Moriyasu sagte am Dienstag, dass er spielen kann.

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Ob dem so sein wird, ist offen, er könnte aber mit seinen 1,88 Metern Größe zusammen mit Yoshida (1,89) eine sehr robuste Innenverteidigung stellen. Sollte er ausfallen, stünde in Takehiro Tomiyasu vom FC Arsenal ein international erprobter und ebenfalls hochgeschossener Ersatz bereit (1,88) - die japanische Variante einer sogenannten Ochsenabwehr. Und auf die Abwehr wird es ankommen, das erwähnte Yoshida explizit. Denn neben dem Duell mit Deutschland steht Japan auch noch das Treffen mit Spanien bevor, wo es dann um den Einzug ins Achtelfinale geht - beides keine Gegner, die viele Verwundbarkeiten anbieten. Sondern die man entnerven und auskontern muss.

Für die schnellen Gegenstöße wird, zum anderen aus Sicht der Bundesliga, Daichi Kamada entscheidend sein, auch wenn Moriyasu dessen Einsatz auf Nachfrage nicht bestätigen wollte. Aber die besten Spieler einer Mannschaft spielen ja meistens, und so viele Akteure auf Champions-League-Niveau hat er nicht im Kader. Kamada wird vom Kicker übrigens ein bisschen besser bewertet als Yoshida, der Frankfurter ist laut Fachmagazin sogar der Bundesligaklassenbeste, sein Schnitt von 2,55 wird nicht mal vom streberhaften Jamal Musiala (2,63) übertroffen.

"Für uns ist Deutschland ein Vorbild", sagte Moriyasu. "Was die Spieler in Deutschland lernen, bringen sie zurück nach Japan." Kapitän Yoshida wurde sogar noch speziell nach dem FC Bayern gefragt, schließlich habe er mit Schalke ja direkt vor der WM noch gegen sie gespielt, und die Mannschaften würden sich ja in ihrer Besetzung ähneln. "Seit wir erfahren haben, dass wir gegen sie spielen, habe ich die Stürmer analysiert", sagte Yoshida. "Wir versuchen, die Informationen ans Team weiterzugeben."

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Ob die Bayern-Spieler ihrerseits auch Yoshida analysiert haben, ist offen, das Team von Hansi Flick wird es in jedem Fall mit einem sehr gut eingestellten Auftaktgegner zu tun haben. Die wahre Leistungsfähigkeit der Japaner ist indes ein kleines Rätsel. Die individuelle Klasse der Einzelspieler deutet auf einen Gegner von gehobenem Niveau hin - das letzte Testspiel vor der WM war aber eine eher müde 1:2-Niederlage gegen Kanada. Allerdings schonte Trainer Moriyasu in diesem Spiel viele Akteure, der 2:0-Sieg gegen die USA und das 0:0 gegen Ecuador im September dürften repräsentativer sein.

Gespielt wurden damals übrigens beide Partien damals in Düsseldorf - um den europäischen Spielern einen Interkontinentalflug zu ersparen und weil die japanische Gemeinde am Rhein so groß ist, dass die Stadt auch "Little Tokyo" genannt wird. Wie gesagt: Die Verbindungen zwischen Japan nach Deutschland sind zahlreich.

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