Weitere Briefe:Chaos-Stadt, Stromfresser und das Piep

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SZ-Leser kritisieren die Berliner Nonchalance, mit der vieles nicht funktioniert und die das ganze Land in Misskredit bringt.

"Bei uns in Berlin" vom 18. November:

Peinliche Hauptstadt

Berlin sonnt sich seit Jahrzehnten mit einer Selbstverständlichkeit als Kostgänger anderer Bundesländer. Jedwede Schlamperei wird bis heute gerechtfertigt mit einem schnoddrigen "Det is Berlin" und den Hinweis auf eine "verwundete Stadt" aus der längst vergangenen Zeit der Teilung. Das ist mehr als ein halbes Jahrhundert her und kann weiß Gott nicht mehr als Begründung für die in Berlin zur Staatsraison erhobenen Misswirtschaft herhalten. Wer mit Ur-Berlinern spricht, stößt aber genau auf diese Arroganz, die nicht nur die in der Stadt etablierte Chaos-Verwaltung rechtfertigt, sondern einen auch unverblümt wissen lässt, dass man sich dem Rest der Republik haushoch überlegen fühlt.

Heute bekommt die Rede von Bürgermeister Ernst Reuter aus dem Jahr 1948 "Völker dieser Welt...schaut auf diese Stadt" eine völlig neue Bedeutung. Wer heute auf Berlin schaut, denkt belustigt an den peinlichen Skandalflughafen BER. Der vorläufig letzte Höhepunkt Berliner Chaos-Verwaltung ist die in den Sand gesetzte Wahl im Herbst 2021, die den Vergleich mit einem Dritte-Welt-Land durchaus rechtfertigt. Dazu passt auch, dass die Richterin, welche die Wiederholung der Wahl angeordnet hat, beinahe entschuldigend davon spricht "der Stadt einen solchen Kraftakt noch einmal aufzubürden". Die Durchführung einer demokratischen Wahl wird also in Berlin als Kraftakt empfunden, ein Armutszeugnis.

Obendrein gehört zu Berlins DNA seit Jahrzehnten eine Kultur der Verdrängung und Nichtaufklärung von Missständen. Für die politische Klasse im roten Rathaus hat es Tradition, Verantwortlichkeiten abzuwälzen und Probleme unter den Teppich zu kehren. Die Frage nach der politischen und wirtschaftlichen Verantwortung wurde weder beim Flughafen BER gestellt, noch bei der versemmelten Wahl im Herbst 2021. Heute lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass Berlin zu den peinlichsten Hauptstädten weltweit zu zählen ist.

Josef Geier, Eging am See

Keine Unterstützung mehr

Die Wahl in Berlin, eine Farce. Aber dass ist nur die Spitze des Eisberges. Die Stadt ein Synonym für Inkompetenz. Nichts funktioniert in der Verwaltung. Der Flughafen BER ist quasi das Aushängeschild. Auch Hamburg hat sich mit der Elbphilharmonie nicht mit Ruhm bekleckert, doch es ist die Nonchalance, mit der man die Misere in der Kapitale beiseitefegt. Die letzten Wahlen waren eben kein Hilferuf. Solange das in Berlin goutiert wird, sollte der Bund die Konsequenzen ziehen. Finanzzuweisungen in ein System, das unberechenbar ist, sollten unterbleiben. Das ist am wirksamsten.

Christoph Schönberger, Aachen

Neue Umweltverschmutzung

"So kommen wir durch den Sturm" vom 22. November:

Dieses "seid mutig bei der Digitalisierung" übersieht stets, dass sich die Digitalisierung mittlerweile zum zentralen Stromfresser entwickelt hat. Der aufflackernde Blackout hat viel mit dem Aufstieg der Digitalisierung zu tun. Stets bleibt unausgesprochen, was in jedem Physikbuch steht: Immer wenn elektrischer Strom fließt, entsteht Elektromagnetismus als unsichtbar schwingende Strahlungswolke und umhüllt uns. Die neue Umweltverschmutzung heißt Magnetismus-Verschmutzung, nur redet da noch keiner drüber.

Dr. Otto Ulrich, Edingen

Fehlender Mut

"Sag mal Piep" vom 29. Oktober:

Die feinen Beobachtungen und messerscharfen Schlussfolgerungen auf Seite 1 halten unserer Gesellschaft den Spiegel vor - auch beim wirklich sehr oft nervenden Piep und der Folgerung, dass man durch Weglassen oft mehr erreichen könnte. Anders ausgedrückt: Unseren Führungsebenen fehlt zumeist der Mut zu echter Veränderung und damit zur Verbesserung. Doch es gibt einen Piep, den ich nicht missen möchte. Nämlich der Ruf "Mach mal Piep", wenn ich mit meinem dreijährigen Enkel verstecken spiele und er mich beim ersten Versuch nicht gleich findet.

Mathias Gubo, Taunusstein

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