Nutzungsverbot für Kultgaststätte:Die Kuba-Krise

Nutzungsverbot für Kultgaststätte: Harry Wildenstein 2017 in seiner Kuba-Bar in Schondorf.

Harry Wildenstein 2017 in seiner Kuba-Bar in Schondorf.

(Foto: Georgine Treybal)

Das Landsberger Landratsamt schließt wegen Baumängeln die Bar "Kultur am Bahnhof" in Schondorf. Dabei verschleppt die Behörde selbst seit sieben Jahren die Baugenehmigung für ein neues Terrassendach. Nun soll eine Demo Druck machen.

Von Armin Greune, Schondorf

Die weithin bekannte Gaststätte "Kuba" (kurz für "Kultur am Bahnhof") ist nach behördlicher Anordnung bis auf Weiteres geschlossen. Auf die Anzeige eines Schondorfer Bürgers reagierte das Landratsamt Landsberg mit einer sofortigen Nutzungsuntersagung wegen Baumängeln. Vergangene Woche musste der Betrieb eingestellt werden, der Wirt hofft auf die Wiederöffnung im April 2023.

Seit 2007 hat die Gemeinde als Eigentümer des gesamten Bahnhofsumfeldes den vormaligen Kiosk und die Terrasse davor an Harry Wildenstein verpachtet. Der Wirt hat daraus ein einzigartiges Biotop mit einer Atmosphäre zwischen Kiezkneipe und Strandbar geschaffen. Mit Konzerten, Kulturveranstaltungen und seiner Küche zieht die Kuba Gäste aus dem gesamten Ammerseegebiet und selbst aus München an.

Nutzungsverbot für Kultgaststätte: Konzert zum Einjährigen: Ein Archivbild aus der Kuba aus dem Jahr 2008.

Konzert zum Einjährigen: Ein Archivbild aus der Kuba aus dem Jahr 2008.

(Foto: Volker Rebhan)

Doch gerade sind Wildenstein, Freunde und Mitarbeiter damit beschäftigt, auf der Terrasse das Zelt und dessen Verschalung herauszureißen. Das Kafkaeske daran ist: Pächter und Eigentümer warten seit Langem vergeblich auf die Genehmigung des Landratsamts, den nun beanstandeten Freisitz zu sanieren. Vor sieben Jahren hatte der Schondorfer Gemeinderat dem Bauantrag für eine neue Überdachung des Außenbereichs zwischen Lokal und Bahnhofsgebäude zugestimmt, schon Anfang 2014 hatte man erkannt, dass die selbstgezimmerte Konstruktion dort dringend repariert werden müsse. Doch die Bearbeitung verzögerte sich zunächst, weil der Kiosk noch hoheitlich der Bahn unterstellt war, erklärt Bürgermeister Alexander Herrmann. Als nach der Entwidmung Ende 2018 das Genehmigungsverfahren fortgesetzt werden sollte, stellte sich anlässlich der beabsichtigten Änderung des Bebauungsplans "Ortsmitte" heraus, dass die Kuba zwar im überplanten Gebiet liegt, jedoch nicht als Gastronomie erfasst ist. Wegen einer Klage ist die Überarbeitung der Bauleitplanung noch immer nicht endgültig juristisch geklärt. Herrmann ist aber zuversichtlich, dass "mit vereinten Kräften ein Übergangskonzept entwickelt werden kann": Die Baubehörde habe signalisiert, dass nach der Beseitigung der Mängel - die neben der Standsicherheit der Terrassenüberdachung auch Fluchtwege im Haus betreffen - der Betrieb wieder genehmigungsfähig sei. Für die Bewirtung der Gäste im Außenbereich könnte etwa ein hinsichtlich Statik und Brandschutz amtlich zugelassenes Zelt aufgestellt werden.

Mit einer Demo wollen Stammgäste Druck auf die Politik machen

Um den Erhalt des Lokals zu sichern und Druck auf Gemeinde und Landratsamt auszuüben, rufen Unterstützer der Kuba an diesem Mittwoch zu einer Demonstration auf. Der Zug startet um 18 Uhr in den Seenanlagen und führt zum Rathaus, wo um 19.30 Uhr eine Gemeinderatssitzung beginnt. Zur darauffolgenden Sitzung am 21. Dezember sollen dann auch Unterschriftenlisten für den Weiterbestand der Kuba vorgelegt werden.

Nutzungsverbot für Kultgaststätte: Chaotischer Verhau oder Hort der kreativen Improvisation - beide Deutungen gibt es bei der Kuba.

Chaotischer Verhau oder Hort der kreativen Improvisation - beide Deutungen gibt es bei der Kuba.

(Foto: Georgine Treybal)

Über den ästhetischen Gesamteindruck bestehen im Gremium unterschiedliche Meinungen: Das Lokal samt seiner liebevoll zusammengesuchten Einrichtung kann als chaotischer Verhau oder Hort der kreativen Improvisation betrachtet werden. Inzwischen sei sich der Gemeinderat aber weitgehend über die Bedeutung des Lokals für das soziale Gefüge im Ort einig, sagt Herrmann: "In der Kuba treffen sich ganz verschiedene Bevölkerungsgruppen und Generationen." Der Betrieb werde unter ganz anderen Aspekten als gastronomischer Gewinnmaximierung geführt: "Der Wirt ist mehr eine Art Streetworker", sagt Herrmann. Zur Stammkundschaft zählen nicht nur die Schüler des Landheims im Ort oder Schondorfer, die dem Jugendzentrum am Bahnhof entwachsen sind, sondern auch die kulturell aktive und politisch bewegte Szene am Ammersee.

Von Beginn an hatte die Kuba mit Nachbar-Beschwerden zu kämpfen: Erst durch eine Klage konnte die von Anliegern erwirkte Sperrstunde um 21.30 Uhr aufgehoben werden, seitdem durfte die Kneipe bis drei Uhr früh geöffnet bleiben.

Die Grenzen zwischen Gast und Personal sind in der Kuba fließend

Wildenstein übernahm den Kiosk vor 15 Jahren mit Miene Gruber. Seit dieser 2013 die "Bayrische Brandung" in Herrsching eröffnet hat, führt er die Wirtschaft meist allein. Wenn Wildenstein kocht, übernehmen Mitarbeiter, die sich aus dem Kunden- und Freundeskreis rekrutieren, den Service - die Grenzen zwischen Gast und Personal sind in der Kuba fließend. Dennoch kann der Betrieb zum wirtschaftlichen Überleben auf die Außenbewirtung nicht verzichten. Das 58 Quadratmeter große Häuschen fasst maximal 40 Gäste, auf der Terrasse finden 70 Personen Platz.

Wildenstein will in den kommenden Wochen alle Hürden für eine Übergangsnutzung beseitigen. Von Anfang Januar an wird der Weltenbummler wieder für drei Monate nach Zimbabwe reisen, "um meine Felder in Afrika zu bestellen". Er hat dort vier Söhne mitaufgezogen und besitzt eine Farm. Auf längere Sicht kann sich der 61-Jährige vorstellen, die Gaststätte einem Verein oder einer Genossenschaft zu überlassen.

Zur SZ-Startseite

Essen und Trinken im Fünfseenland
:Ein Hauch von Vietnam am Ammersee

Minh Hieu Duong hat mit seiner Frau Thi Mai Lan Nguyen ein neues Restaurant in Utting eröffnet, in dem er die Küche seiner Heimat zeitgenössisch und modern interpretiert.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: