Brucker Zeitgespräche:Wenn die Kreditrate plötzlich um tausend Euro ansteigt

Brucker Zeitgespräche: Maximilian Golbs ist für die Deutsche Bundesbank in Bayern tätig.

Maximilian Golbs ist für die Deutsche Bundesbank in Bayern tätig.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Bundesbankmitarbeiter Maximilian Golbs erläutert die finanziellen Zusammenhänge der Krise.

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Die Preise galoppieren davon. Zehn Prozent Inflation allgemein sollen es sein - so die Berechnungen nach dem sogenannten Warenkorb. Doch die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise belasten insbesondere Verbraucher mit niedrigen Einkommen überproportional. Beispiele gibt es genug. So sind die Preise für Nahrungsmittel und nicht-alkoholische Getränke auf Jahresbasis um 19 Prozent gestiegen. Besonders Speiseöl ist mit 50 Prozent spürbar teurer geworden. "Nudeln sind beim Discounter von 29 auf 99 Cent gestiegen", teilte ein Diskutant beim "Brucker Zeitgespräch" der evangelischen Erlöserkirche sichtlich erstaunt mit. Hoffnung auf weniger Inflation? In naher Zukunft höchstens einen "Hoffnungsschimmer" konnte der Referent des Abends, Maximilian Golbs, den 20 Zuhörern mit auf den Nachhauseweg geben.

Fachmann Golbs ist für die Bundesbank in Bayern tätig und rückt erst einmal den Warenkorb zurecht, der jeden hierzulande sicherlich individuell und anders betrifft. Darin ist das Wohnen mit Nebenkosten als Messgröße mit exakten 17,7 Prozent vertreten. "Ein Single in München gibt vermutlich eher 40 Prozent seines Einkommens für Wohnen aus", stellte Golbs klar. Dass die Inflation bereits vor dem Krieg von Russlands gegen die Ukraine fahrt aufnahm, erläuterte er anschaulich.

100 Milliarden Euro angespart

Ausgangspunkt seien die Angebotsengpässe durch gestörte Lieferketten während der Pandemie bei gleichzeitig hoher Nachfrage gewesen: "Das war ein Zündstoff dafür, warum die Inflation anstieg." Über 100 Milliarden Euro hätten die Bürgerinnen und Bürger über die Zeit der Lockdowns zusätzlich angespart, auch weil das Geld nicht ausgegeben werden konnte.

Dieser Konsum sei im letzten Jahr dann nachgeholt worden, was angesichts des weiterhin reduzierten Angebots die Preise steigen ließ. Auch die jüngsten Maßnahmen der Regierung sieht der Zentralbanker in Teilen kritisch: Tankrabatt und 300 Euro Energiegeld seien wenig maßgeschneiderte Maßnahmen, um den Bedürftigen in diesen schweren Zeiten zu helfen. "Wenn die Regierung Geld mit der Gießkanne über alle ausschüttet, heizt das die Inflation noch weiter an", so Golbs.

Die Maßnahmen müssen vorübergehend, zielgerichtet und auf diejenigen maßgeschneidert sein, die wirklich Unterstützung benötigen. Mit Blick auf die diversen "Sondervermögen" rückt der Bundesbanker das Bild zurecht: "Natürlich sind das Schulden. Die Regierung gibt das Geld aktuell mit vollen Händen aus."

Vor erneuter Zinsanhebung

Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert seit Juli diesen Jahres mit großen Zinsanhebungen dagegen und hat den Leitzins für den Euroraum auf inzwischen zwei Prozent angehoben. Bei der nächsten Sitzung des EZB-Rats am 15. Dezember wird vermutlich eine weitere Zinsanhebung beschlossen werden. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Inflationserwartungen bei 2 Prozent verankert bleiben", bekräftigte Golbs. Doch die Preise würden deshalb nicht sofort reagieren und sinken: "Das passiert erfahrungsgemäß erst mit einem Abstand von 12 bis 18 Monaten."

Die Deutsche Bundesbank gehöre traditionell zu den "Falken" im EZB-Rat und hätte sich schon früher eine weniger expansive Geldpolitik gewünscht. Doch habe die Bundesbank nur eine Stimme unter 19 Ländern, die dem Euro angehören. Der höhere EZB-Zins führe sofort auch zu höheren Kreditzinsen. Besonders schnell reagiere da der Bau- und Immobiliensektor.

Abschreckendes Beispiel

Golbs Beispiel wirkte dann für alle Menschen, die eine Immobilie finanzieren wollen, sehr abschreckend. Bei einem Kredit von beispielsweise 400 000 Euro hätte der Käufer vor einigen Monaten noch bei einem Zinssatz von einem Prozent und drei Prozent Tilgung monatlich 1333 Euro bezahlen müssen, jetzt sind es bei vier Prozent Zinsen 2333 Euro.

Die jüngsten Äußerungen der Geschäftsbanken zeigen, dass die Nachfrage nach Baukrediten mittlerweile deutlich eingebrochen ist. Ehe die EZB die Zinsen erhöhte, hatte sie jahrelang Staatsanleihen aufgekauft, um die Zinsen niedrig zu halten. Auf der nächsten EZB-Ratssitzung soll auch diskutiert werden, wie mit dem Berg an Staatsanleihen - rund fünf Billionen Euro liegen aktuell in den Büchern der Nationalen Notenbanken - umgegangen werden soll. "Dieser Berg an Staatsanleihen passt nicht mehr zur aktuellen Ausrichtung der Geldpolitik", so Golbs.

Risiko für den Steuerzahler

Doch bleibt ein Risiko für die deutsche Regierung und den Steuerzahler. Würden hieraus Verluste für die Bundesbank entstehen, würde sie dies zunächst aus ihren Rücklagen finanzieren. Diese wurden bereits in den letzten Jahren beträchtlich aufgestockt. Reicht dies wider Erwarten nicht, müsste am Ende der Steuerzahler dies ausgleichen.

Und der Hoffnungsschimmer? Die Inflation in den USA gehe mittlerweile schon leicht zurück und auch hierzulande sehen wir beispielsweise bei den Erzeugerpreisen zumindest keine neuen Rekorde, führte Golbs an. Modellrechnungen der Bundesbank würden die Inflation 2023 mit rund sieben Prozent beziffern. 2024 vielleicht nur noch bei zwei bis drei Prozent? "Da ist der Wunsch Vater des Gedankens", merkte ein Diskutant skeptisch an. "Prognosen", ergänzte der Bundesbank-Experte, "sind im aktuellen Umfeld sehr schwierig. Der vor einem Jahr noch undenkbare Krieg Russlands gegen die Ukraine machte unsere damaligen Prognosen zur Makulatur".

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