Stadtrand statt Maximilianstraße:Was die Kammerspiele in Neuperlach vorhaben

Lesezeit: 3 min

Im "Experimentier- und Arbeitsraum" der Kammerspiele in Neuperlach ist Platz für Workshops, Proben und Aufführungen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Münchner Kammerspiele wagen sich wieder einmal an die Peripherie der Stadt. Mit dem Theaterlabor Neuperlach versucht die städtische Bühne Menschen zu erreichen, die nicht zum klassischen Publikum zählen.

Von Patrik Stäbler

Bevor man sich ins hellblaue Theaterlabor hineinwagt, gilt es zunächst die Klischees abzuräumen, die in diesem Fall so irrwitzig weit auseinanderliegen, dass es wie aus einem Drehbuch klingt. Da ist zum einen: Neuperlach. Ein eigentlich grüner und lebenswerter Stadtteil, wo jedoch laut den gängigen Vorurteilen nicht nur die Wohnblöcke, sondern auch die Kriminalitätsraten höher sind als anderswo. Zum anderen: die Münchner Kammerspiele. Ein eigentlich innovatives und experimentierfreudiges Theater, wo jedoch laut den gängigen Vorurteilen nicht nur das Renommee, sondern auch der Dünkel höher ist als anderswo.

Ausgerechnet diese beiden machen nun also gemeinsame Sache. Und anders als bei früheren Partnerschaften der Kammerspiele soll es nicht bei einer kurzen Affäre bleiben, sondern eine langfristige Beziehung werden. So sei das Theaterlabor Neuperlach, das an diesem Samstag eröffnet wird, auf mindestens drei Jahre ausgelegt, sagt Elke Bauer, die das Projekt zusammen mit Martín Valdés-Stauber leitet. In dieser Zeit werden die Kammerspiele in dem Stadtteil eine Zweigstelle unterhalten - und zwar nördlich des Einkaufszentrums PEP im Shaere, einem der größten kulturellen Zwischennutzungsprojekte in München.

Im Zwischennutzungsprojekt "Shaere" haben die Kammerspiele ihr Theaterlabor eingerichtet. (Foto: Stephan Rumpf)

Dort, im früheren Allianz-Gebäude, hat das städtische Theater einen weitläufigen Raum für Proben, Workshops und Aufführungen vor bis zu 100 Personen angemietet. Darin befinden sich eine multifunktionale Bühne, die bis hinaus auf die Terrasse reicht, dazu Projektoren, Scheinwerfer, ein Bluescreen sowie anderes technisches Equipment. Und: ein hellblauer Fußboden, der diesem "Experimentier- und Arbeitsraum" bewusst einen Hauch von Laboratmosphäre verleiht.

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"Wir wollen als Kammerspiele auch Menschen und Orte erreichen, die weiter von der Innenstadt weg sind", sagt Elke Bauer und meint das im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Schließlich sei das erklärte Ziel, ergänzt Martín Valdés-Stauber, "nicht nur eine bestimmte Schicht zu erreichen. Sondern als städtisches Theater sind wir ein öffentliches Gut, das möglichst vielen Menschen zugutekommen soll."

Elke Bauer und Martín Valdés-Stauber leiten gemeinsam das Projekt. (Foto: Stephan Rumpf)

Dass die Kammerspiele ihre Heimstatt an der Maximilianstraße verlassen und sich auch in entlegene Stadtteile hinauswagen, ist freilich nicht neu: Seit dem weithin beachteten und vielfach nachgeahmten Kulturprojekt "Bunnyhill" im Hasenbergl 2004 sei das Theater regelmäßig auch an die Peripherie der Stadt rausgegangen, sagt Elke Bauer. "Aber das waren immer nur temporäre Aktionen. Da gab es ein Projekt und danach - Wutsch! - waren die Kammerspiele wieder weg. Und genau das wollten wir diesmal anders machen. Nicht aufschlagen und danach verschwinden, sondern langfristig und nachhaltig an einem Ort bleiben." Bei der Suche nach einem geeigneten Standort sei man recht bald auf Neuperlach gekommen. "Zum einen wegen der spannenden Historie", sagt die Projektleiterin. "Und zum anderen ist es ein sehr großer Stadtteil, der wahnsinnig divers ist."

Im Oktober haben die Kammerspiele ihre neue Heimat im Shaere bezogen und dort bereits erste Projekte auf die Beine gestellt. So entstand in Zusammenarbeit mit Theaterleuten aus der Ukraine das Schauspiel "News from the Past". Aktuell läuft eine Erinnerungswerkstatt mit zwei Klassen der Mittelschule an der Albert-Schweitzer-Straße, aus der später das Bühnenstück "Time Busters" hervorgehen soll. Des Weiteren plane man Workshops für Schulen sowie Theaterclubs für Anwohnerinnen und Anwohner, sagt Elke Bauer. Zudem sollen in "Hörgängen durch Neuperlach" Geschichten aus dem Stadtteil erzählt werden; und in Zusammenarbeit mit der Hochschule München wolle man ein mobiles Fahrrad-Kino entwickeln - als "beweglichen sozialen Ort im Stadtraum".

Verschiedene Theaterstücke und Veranstaltungen der Kammerspiele sollen sowohl an der Maximilianstraße als auch in Neuperlach laufen. (Foto: Stephan Rumpf)

Bei all diesen Plänen fürs Theaterlabor dürfe selbiges aber nicht zum autarken Satelliten werden, betont die Projektleiterin. Vielmehr wolle man eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Haupthaus an der Maximilianstraße und dem neuen Standort in Neuperlach. So sollen verschiedene Theaterstücke und Veranstaltungen sowohl hier als auch dort gezeigt werden. Und die nächste Ensembleversammlung habe man bewusst im hellblauen Theaterlabor anberaumt, sagt Martín Valdés-Stauber. "Wir wollen den Leuten diesen Raum vorstellen und jeden und jede dazu einladen, ihn mitzudenken und Ideen zu entwickeln."

Bleibt die Frage, wie die Neuperlacherinnen und Neuperlacher die neue Theaterfiliale der Kammerspiele in ihrer Nachbarschaft annehmen. "Die Zusammenarbeit mit den Schulen ist sehr gut angelaufen", sagt Elke Bauer. "Man spürt, dass es da eine große Sehnsucht nach künstlerischen Projekten gibt." Ungleich schwieriger dürfte es werden, die Anwohnerinnen und Anwohner ins Theaterlabor zu locken, glaubt die Projektleiterin. Hierzu setze man vor allem auf niederschwellige Angebote. So sollen sämtliche Workshops und auch der Eintritt zu Veranstaltungen zunächst kostenlos sein.

Das Theaterlabor Neuperlach im Shaere an der Fritz-Schäffer-Straße 9 lädt für diesen Samstag um 18 Uhr zur Eröffnungsfeier ein. Dort stellen die Münchner Kammerspiele ihre neue Zweigstelle sowie deren Räumlichkeiten vor.

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