Kindermedizin:Kinderkliniken fehlen Betten und Personal

Experten bezeichnen die Situation als "katastrophal". Gesundheitsminister Lauterbach kündigt schnelle Lösungen an.

Von Michaela Schwinn

Die aktuelle Infektwelle sowie der anhaltende Mangel an Pflegepersonal bringt deutsche Kinderkrankenhäuser an die Belastungsgrenze. Laut einer Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) sind derzeit sowohl auf Normal- wie auch auf Intensivstationen kaum mehr Plätze für kranke Babys oder Kinder frei. In 43 von 110 befragten Kinderkliniken war am Stichtag vor einer Woche kein einziges Bett auf der Normalstation verfügbar. Auf den Kinderintensivstationen sah es noch schlechter aus: Dort gab es am Stichtag der Umfrage bundesweit nur noch 83 freie Behandlungsplätze - das entspricht 0,75 freien Betten pro Klinik, also weniger als eines pro Standort.

"Das ist eine katastrophale Situation", sagte Divi-Generalsekretär und Kinder-Intensivmediziner Florian Hoffmann am Donnerstag auf dem Divi-Kongress in Hamburg. "Wir müssen jetzt endlich handeln." Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich beunruhigt angesichts der Notlage. Die Berichte über überfüllte Kinderstationen seien "besorgniserregend", sagte er in einem Statement und kündigte schnelle Lösungen an.

Bereits in den vergangen Jahren war es immer wieder zu Engpässen auf deutschen Kinderstationen gekommen. Besonders im Winter, wenn die Zahl der akuten Atemwegserkrankungen stark anstieg. Vor allem eine Ansteckung mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) brachte zuletzt viele kleine Patienten und Patientinnen in die Krankenhäuser. Dazu kommt, dass immer mehr Pflegekräfte fehlen. Die Kindermedizin trifft das besonders hart, kein anderes medizinisches Fach benötigt so viele Mitarbeiter. Auch der wirtschaftliche Druck setzte den pädiatrischen Stationen zu, denn Kinderheilkunde ist zeit- und personalaufwendig und gilt daher als weniger lukrativ.

Divi-Generalsekretär Hoffmann und andere Mediziner fordern, die Arbeitsbedingungen in den Kinderkliniken müssten sofort verbessert werden. Zudem bräuchte es ein neues Transportsystem, um Kinder sicher zwischen Kliniken verlegen zu können. Als Reaktion auf die Divi-Umfrage nannte Gesundheitsminister Lauterbach am Donnerstag konkrete Vorschläge, um die Situation in der Kindermedizin schnell zu verbessern: Zum einen soll Pflegepersonal von den Erwachsenenstationen in die pädiatrischen Abteilungen verlegt werden. Die telefonische Krankmeldung für Kinderärzte soll verlängert werden. Auch forderte er Eltern und Kinderärzte auf, Vorsorgeuntersuchungen um einige Wochen zu verschieben, um die Praxen zu entlasten. Wer trotzdem kinderärztlichen Rat brauche, solle sich am besten zunächst telemedizinische Beratung, also eine Beratung per Telefon oder Video, suchen.

Auch wirtschaftlich sollen die Kinderkliniken entlastet werden. An diesem Freitag soll der Bundestag zwei Finanzspritzen beschließen. Für Kinderkliniken soll es nach den Plänen der Ampelkoalition 2023 und 2024 jeweils 300 Millionen Euro mehr geben, zum Sichern von Geburtshilfestandorten jeweils 120 Millionen Euro zusätzlich.

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