DOSB:Und jetzt mal wieder Olympia

DOSB: Will sich in Baden-Baden wiederwählen lassen: Thomas Weikert steht seit einem Jahr an der Spitze von Deutschlands olympischem Dachverband.

Will sich in Baden-Baden wiederwählen lassen: Thomas Weikert steht seit einem Jahr an der Spitze von Deutschlands olympischem Dachverband.

(Foto: Eibner/Imago)

Im deutschen Sport liegt viel im Argen, vom Umgang mit der Vergangenheit bis zum Stand des Leistungssportes. Und was macht der DOSB? Er will mal wieder einen Olympia-Fahrplan auf den Weg bringen - der irritierend wirkt.

Von Johannes Aumüller, Baden-Baden/München

Normalerweise verbindet der Sport mit dem Baden-Badener Kurhaus feierliche Momente. Kurz vor Weihnachten steigt dort die Kür der "Sportler des Jahres", auch 2022 ist das so - allerdings erst am vierten Adventssonntag. Wenn an diesem Wochenende im Kurhaus die Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ansteht, wird es nicht arg feierlich zugehen. Zu viel liegt im Argen, auch unter dem neuen Führungsteam um Präsident Thomas Weikert, 61, der sich in Baden-Baden wiederwählen lassen will. Doch dafür soll ein Thema groß aufgetischt werden, das Sportfunktionäre gerne zücken: der Traum von Olympischen Spielen.

Ja, tatsächlich, der DOSB will schon wieder einen Olympia-Fahrplan auf den Weg bringen. Sieben Bewerbungen nacheinander sind gescheitert, darunter zwei - München 2022 und Hamburg 2024 - an der Bevölkerung, zuletzt der Vorstoß für 2032 an den Realitäten im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Diese Pleite setzte es erst im Vorjahr - dafür drücken sie beim DOSB schon wieder ganz schön auf die Tube.

Am Samstag soll ein Grundsatzbeschluss her, im Frühjahr eine Stabsstelle entstehen, Ende 2023 nach Diskussionen mit Politik und Gesellschaft ein Kandidat stehen. 2024 soll dann die Bevölkerung abstimmen - zu einem erkennbar strategischen Zeitpunkt. Im Sommer 2024 sind Fußball-EM im eigenen Land und Spiele in Paris, die wohl die normalsten seit 2012 werden dürften. In diesen Sog will man geraten.

DOSB: Schöne Aussichten? Die erfolgreichen Multi-Europameisterschaften in München befeuerten bei vielen Funktionären zuletzt wieder den Wunsch, Olympia nach Deutschland zu holen.

Schöne Aussichten? Die erfolgreichen Multi-Europameisterschaften in München befeuerten bei vielen Funktionären zuletzt wieder den Wunsch, Olympia nach Deutschland zu holen.

(Foto: Patrick Steiner/Gepa/Imago)

Dabei ist der Olympia-Vorstoß auf zwei Ebenen irritierend. Einmal mit Blick auf sich selbst. Trotz der vielen gescheiterten Versuche wurde die Pannenserie noch nicht tiefgehend analysiert. Stattdessen wird nun der Fahrplan unter der Prämisse angegangen, man wolle erst einmal das "Warum" klären, ehe man sich dem "Wo, Wer und Wann" widme. Aber wie offen das wirklich ist, wird sich weisen. Wenn man alles zusammensetzt, was Sportvertreter gerade öffentlich und nicht-öffentlich sagen, sollte man zum Beispiel nicht viel Geld drauf wetten, dass Deutschland die Winterspiele 2034 anpeilt. Stattdessen sind viele offenkundig von der Idee eines dezentralen Sommer-Events beseelt, sprich: Spiele, die zum Beispiel in München, Berlin und im Ruhrgebiet stattfinden.

Auch hat der Plan einen gravierenden Haken: Die Ablehnung der Bevölkerung fußte ja insbesondere auf der Ablehnung des IOC und dessen Gebaren - und das verändert sich nicht. 2024 ist sogar noch Thomas Bach IOC-Boss, die Verkörperung all der Vorbehalte gegen die Ringe-Organisation. Da droht dem DOSB das nächste Nein bei einer Volksabstimmung. Mal abgesehen davon, dass es bei der Olympiavergabe nicht auf die Güte eines deutschen Konzeptes ankommt - ein beliebter Irrtum vieler deutscher Kampagnen -, sondern auf das, was ein kleiner IOC-Kreis will.

Daneben wirkt die Fokussierung auf den Olympia-Vorstoß so, als solle dieser von vielen wichtigen Themen ablenken - etwa der Reform des Leistungssports. Vor ein paar Wochen publizierte der DOSB mit dem Bundesinnenministerium (BMI), dem Hauptfinanzier des deutschen Sports, ein "Grobkonzept". Damit soll die vor einigen Jahren umgesetzte Reform reformiert werden, mit der im Grunde alle Beteiligten unzufrieden sind. Nun fühlen sich trotzdem viele vom neuen Konzept überrumpelt.

"Das sind große Weichenstellungen für den Sport. Aber das Konzept spricht noch zu viel über Strukturen und noch zu wenig aus Perspektive der Athleten und Trainer", sagt etwa Johannes Herber, der Geschäftsführer der Sportlervertretung "Athleten Deutschland".

Für ein Grobkonzept sind in der neuen Sportreform ganz schön markante Ziele formuliert

Die zentralen Bausteine der Reform sollen ein Sportfördergesetz und eine "Sportagentur" sein, die künftig die Fördermittel (zuletzt insgesamt 300 Millionen Euro jährlich für den Sport) an die einzelnen Verbände ausreichen. Bemerkenswert: Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung war vorgesehen, eine unabhängige Vergabestelle zu schaffen. Stattdessen, so steht es im Konzept, soll der DOSB nun doch mitmischen. Ihm obliege, heißt es, gemeinsam mit dem BMI das "strategische Controlling" dieser Agentur.

Selbst Abgeordnete der Ampel-Koalition sind verärgert. "Wir freuen uns, dass eine neue Dynamik in das Thema kommt, aber den konkreten Vorschlag zur Sportagentur sehen wir mit einem großen Fragezeichen, weil unserer Meinung nach die Punkte Unabhängigkeit und Transparenz zu kurz kommen", sagt Marcel Emmerich, für die Grünen im Sportausschuss.

Und auch wenn DOSB und BMI nun betonen, dass es sich um ein Grobkonzept handele, so sind darin markante Ziele formuliert, darunter wie schon im letzten Konzept die Konzentration auf Medaillen. "Die negative Medaillenentwicklung - insbesondere bei Olympischen Sommerspielen - zu stoppen, ist gemeinsames Ziel des organisierten Sports und des BMI", heißt es. Das verwundert schon deshalb, weil es im Widerspruch zum Begehr der Athleten steht. Die wollen nämlich erst einmal diskutieren, ob die Gesellschaft wirklich einen Spitzensport will, der sich über so viele Medaillen wie möglich definiere - auch im Lichte der bekannten Betrugsproblematik im Spitzengewerbe.

Viele offene Fragen also, zugleich drängt die Zeit, nachdem das Konzept so plötzlich verkündet wurde. Doch scheint es im öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung nicht einmal als eigener Tagesordnungspunkt auf.

DOSB: Viele alte Wunden, dazu einige neue aufgerissen: Das Vermächtnis des einstigen DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann wirkt bis heute nach.

Viele alte Wunden, dazu einige neue aufgerissen: Das Vermächtnis des einstigen DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann wirkt bis heute nach.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Ganz ähnlich sieht es mit einem anderen Dauerthema aus. Über Monate untersuchte eine Kommission um den früheren BGH-Richter Clemens Basdorf DOSB-interne Vorgängen des Vorjahres. Damals war ein anonymer Brief publik geworden, der die damalige Verbandsspitze um Alfons Hörmann scharf kritisierte und der Auslöser für Hörmanns Aus war. Bis es so weit war, wurden aber zahlreiche Dienstleister und Anwälte beauftragt - unter anderem, um den Verfasser des anonymen Briefes ausfindig zu machen. Das habe mehr als 700 000 Euro gekostet, hielt die Basdorf-Kommission fest; fragwürdig, aber strafrechtlich nicht relevant, so lautete ihr Fazit zu den ganzen Vorgängen.

Und die neue Führung um Weikert? Will das Thema offenkundig abhaken. Dabei sind viele Wunden zurückgeblieben aus dieser Zeit, das Verhalten der neuen Führung und der Kommission hat einige frisch aufgerissen. Auch ist Hörmann zwar ausgeschieden, es sind aber weiter andere Verantwortliche der damaligen Zeit in hohen Ämtern. Aber Thema bei der Mitgliederversammlung ist auch das nur mittelbar, bei der Entlastung des Präsidiums etwa.

Da fällt dann auf, wenn die Rechnungsprüfer in ihrem Report vortragen, dass all die Ausgaben "dem Sinn und Zweck (dienten), Schaden vom DOSB abzuwenden, beziehungsweise die inhaltlichen Ziele des DOSB zu erfüllen". Erstaunlicherweise kamen sie zu dieser Conclusio schon am 1. September - als der Bericht der Basdorf-Kommission noch gar nicht veröffentlicht war. So muss sich die Sportgemeinde in Baden-Baden nun überlegen, ob sie dieser Einschätzung folgt.

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