Formel 1:Kämpfer und Gentleman

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Der erste Triumph: Patrick Tambay mit seinem Ferrari auf dem Weg zum Sieg beim Großen Preis von Deutschland 1982 auf dem Hockenheimring. (Foto: Motorsport Images/imago images)

Patrick Tambay ersetzte einst den tödlich verunglückten Gilles Villeneuve bei Ferrari - und gewann mit der Scuderia zweimal den WM-Titel der Konstrukteure. Nun ist er mit 73 Jahren gestorben.

Von Stefan Galler, München

Die Saison 1982 ist eine der schwärzesten in der Formel-1-Historie von Ferrari: Der Kanadier Gilles Villeneuve, einer der talentiertesten Fahrer seiner Zeit, verunglückt beim Training zum Großen Preis von Belgien in Zolder Anfang Mai tödlich, drei Monate später erleidet sein Teamkollege Didier Pironi bei einem heftigen Unfall am Hockenheimring so schwere Verletzungen an den Beinen, dass er seine Karriere beenden muss. Dazwischen verpflichtet der italienische Rennstall den Franzosen Patrick Tambay als Ersatz ausgerechnet für dessen engen Freund Villeneuve, dem er einst selbst zum Engagement bei der Scuderia verholfen hatte.

Tambay genießt kein besonders hohes Renommee im Rennzirkus, obwohl er zweimal die amerikanische CanAm-Serie für sich entschieden hat. So mancher bezeichnet ihn gar als Notnagel, doch er gilt als akribischer Arbeiter. Ferrari-Ingenieur Mauro Forghieri, der im November 2022 gestorben ist, nennt ihn damals einen "super Testpilot, intelligent, wohlerzogen, ein guter Familienmensch". Doch Tambay ist mehr als das, er kämpft darum, Villeneuve so gut es geht zu ersetzen - und erarbeitet sich den Respekt der Ferraristi.

Als Jugendlicher französischer Meister im alpinen Abfahrtslauf, sattelt der gebürtige Pariser 1972 auf den motorisierten Rennsport um, kommt 1977 in die Formel 1, verbucht einige kleinere Erfolge beim Privatteam Theodore, später unter anderem als Teamkollege von Ex-Weltmeister James Hunt beim damals unterlegenen McLaren-Team und als Ersatzmann für seinen zurückgetretenen Landsmann Jean-Pierre Jabouille bei Ligier-Talbot. Doch seinen ersten Sieg feiert er erst im Ferrari, in Hockenheim 1982, einen Tag nach dem Crash seines Teamkollegen Pironi. Tambay ist es schließlich, der in dieser Saison nicht nur die Ehre von Ferrari rettet, sondern auch den WM-Titel im Konstrukteurswettbewerb.

Im Jahr danach gelingt ihm das an der Seite seines neuen Stallrivalen René Arnoux noch einmal - es sollte Ferraris letzter Team-Titel bis 1999 bleiben -, er gewinnt zwar in Imola, doch die Einzel-WM bleibt ein unerfüllter Traum; Tambay muss Ende 1983 Michele Alboreto Platz machen. Der Ausgebootete habe reagiert wie erwartet, schildert der österreichische Formel-1-Reporter Heinz Prüller: "Zu nobel, um zu schimpfen."

Ein Leben für den Rennsport: Der Franzose Patrick Tambay, hier ein Foto von 2017. (Foto: Iroz Gaizka/AFP)

Es folgen zwei leidlich erfolgreiche Jahre beim Renault-Werksteam mit drei weiteren Podestplätzen und eine Saison beim Beatrice-Lola-Team des amerikanischen Motorsport-Moguls Carl Haas. Dann beendet Tambay im Herbst 1986 seine Formel-1-Karriere - mit einer Bilanz, die zeigt, wie viel möglich gewesen wäre, wenn er nicht immer wieder das Opfer technischer Defekte geworden wäre: In 114 Grand Prix schied er 40 Mal aus. Dazu kamen immer wieder Probleme mit den Nackenwirbeln, die ihn gerade in der Turbo-Ära mit ihren enormen Fliehkräften handicapten.

Nach seiner Motorsportkarriere, die ihm unter anderem auch einen vierten Platz beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1989 einbrachte, arbeitete Tambay als Fernseh- und Radio-Experte. Eine Parkinson-Erkrankung prägte die letzten Lebensjahre, 2014 unterzog er sich einer komplizierten Gehirnoperation. Der Traum, seinen Sohn Adrien in einem Formel-1-Cockpit zu sehen, erfüllte sich nicht. Am Sonntag ist Patrick Tambay im Alter von 73 Jahren gestorben.

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