Sondersitzung des Gemeinderats:Taufkirchen beschließt Mobilitätskonzept

Sondersitzung des Gemeinderats: Der Gemeindebus ist eines der Puzzlestücke des neuen Mobilitätskonzepts.

Der Gemeindebus ist eines der Puzzlestücke des neuen Mobilitätskonzepts.

(Foto: Renate Schmidt)

Mit dem Bau der Ortsumfahrung gewinnt die Gemeinde mehr Raum für Radfahrer zurück und der ÖPNV kann eine größere Rolle spielen.

Von Thomas Daller, Taufkirchen an der Vils

Es gibt nicht viele Orte in Deutschland, in deren Zentrum sich zwei Bundesstraßen kreuzen und das entsprechende Verkehrsaufkommen mit sich bringen. Taufkirchen an der Vils ist eine davon. 20.000 Fahrzeuge am Tag, darunter viel Schwerverkehr. Eine der beiden Bundesstraßen B15 und B388, die 388er, bekommt nun eine Umfahrung, im Frühjahr 2023 ist Spatenstich. Mehr als 20 Jahre hat Taufkirchen darum gekämpft, in vier bis fünf Jahren soll sie fertig sein. Ein guter Zeitpunkt, um Mobilität in der 10.000-Einwohner-Gemeinde neu zu denken. Bereits vor zwei Jahren hat man die Entwicklung eines maßgeschneiderten Mobilitätskonzepts in Gang gesetzt, mit Fachbüros und Bürgerworkshops, die reichlich lokale Erfahrungen und Vorschläge einbrachten. In einer Sondersitzung des Gemeinderats wurde dieses Ideenpaket nun einstimmig beschlossen.

Wenn die Ortsumfahrung gebaut wird, erhält durch diesen Bypass die alte Ader wieder den Charakter einer Ortsstraße, wo sich Autos und Radfahrer bei Tempo 30 die Fahrbahn teilen könnten. Tempo 30, sagte Fachplanerin Alisa Picha-Rank vom Büro Obermeyer, spielt eine Schlüsselrolle, wenn man die Verkehrsarten harmonisieren will: Wenn man nicht genug Platz für einen Radweg neben der Straße hat, muss man innerorts das Tempo von 50 auf 30 senken, dann klappt es auch mit den Radlern auf der Fahrbahn. Nicht nur die Veldener Straße wäre dafür prädestiniert, sondern auch größere Siedlungserschließungsstraßen wie Zugspitz-, die Vöttinger- oder die Ringstraße. In den Siedlungen selbst gilt ja bereits flächendeckend Tempo 30.

Der Busbahnhof könnte eine wichtige Rolle bei der Mobilitätswende spielen

Auch der Busbahnhof könnte eine gewichtige Rolle bei der Mobilitätswende in Taufkirchen spielen. Viele Landkreisbürger, die nicht in Taufkirchen zur Schule gegangen sind, kennen ihn gar nicht. Er liegt verdeckt in zweiter Reihe hinter dem neuen Sparkassengebäude, umgeben von Grund-, Mittel- und Realschule. Der Busbahnhof liegt zentral und ist groß, weil allein schon der Schulbusverkehr viel Fläche beansprucht. Dort könnte ein Park-and-Ride-Busbahnhof entstehen, wobei man beim Park mehr an Fahrräder als an weitere Autoparkplätze denkt.

Allerdings dümpelt im Landkreis Erding die Nutzung des ÖPNV vor sich hin, trotz finanzieller Anstrengungen des Landkreises, dies mit einem besseren Angebot zu ändern. Doch die beiden Fachbüros Obermeyer und Team Red vertreten die kühne, aber nachvollziehbare These, dass sich das bald ändern könnte. Denn mit der Ausweitung des MVV-Gebiets unter anderem nach Landshut und die Bahn in Dorfen fällt ein Teil des Tarifdschungels weg und das Angebot steigt. Zudem werde der MVV dann nach eigenem Bekunden mehr auf Expressbusse setzen, die nicht an jeder Milchkanne halten und entsprechend schnell sind.

Auf "Mitfahrbänken" könnte man auf einen freundlichen Nachbarn warten, der einen mit dem Auto mitnimmt

Taufkirchen will auch seine peripheren Ortsteile bei dem Mobilitätskonzept mitnehmen. Es gibt bereits einen Gemeindebus, der kostenlos im Halbstundentakt die Siedlungen und alle relevanten Punkte im Hauptort anfährt. Seither gibt es Begehrlichkeiten, dass auch die kleineren Ortsteile daran angebunden sein sollten. So ein großes Netz mit vergleichbarer Taktung ist aber für eine Flächengemeinde wie Taufkirchen nicht zu stemmen. Davon rieten die Verkehrsexperten ab. Man könnte lediglich situativ den Gemeindebus auf die Fläche ausweiten, wenn Märkte oder größere kulturelle Veranstaltungen in Taufkirchen stattfinden, ähnlich wie beim Volksfestbus. Stattdessen empfahlen Picha-Rank und Tobias Kipp (Team Red) eine finanziell schlanke Lösung: Man könnte eigens gekennzeichnete "Mitfahrbänke" aufstellen, wie sie in manchen Gemeinden bereits erfolgreich im Einsatz sind. Dort sitzt man und wartet, bis ein freundlicher Nachbar, der in die selbe Richtung will, mit dem Auto vorbeikommt und einen mitnimmt.

Taufkirchen hat zwar noch zwei kreuzende Bundesstraßen, aber auch einen tollen Radweg, der die Gemeinde sowohl mit Dorfen als auch mit Velden verbindet, den Vilstalradweg. Abseits von lärmenden Straßen verläuft er idyllisch auf einer ehemaligen Bahntrasse und wird rege genutzt. Aber der Vilstalradweg kreuzt immer wieder Straßen, wobei der Autoverkehr Vorfahrt hat. Das sind Gefahrenstellen, die man entschärfen müsse. Und zwar mit einer Beschilderung "Radfahrer kreuzen" und einem farblich anderem Asphalt. Weil der Vilstalradweg längs durch die ganze Gemeinde verläuft, seien solche Kreuzungspunkte häufiger als angenommen. Diese Achse könnte auch mehr Radfahrer aus den peripheren Orten aufnehmen. Die Zubringer müssten nicht zwangsläufig entlang der Straßen neu gebaut werden, sondern eine Ertüchtigung zielführender Feldwege könnte eine Lösung sein. Diese Wege müssten jedoch unterhalten werden, man dürfe nicht dauernd durch Pfützen fahren.

Das sind nur ein paar Beispiele der 80 Maßnahmen, die der Gemeinderat für gut befunden hat. Der "Ideenkatalog", wie er auch genannt wurde, trägt nicht nur die Handschrift der Fachbüros, sondern auch vieler Bürger, die sich in Bürgerworkshops und Interviews daran beteiligt hatten. Das ist nicht das erste Mal, dass Taufkirchen mit Fragebögen und Workshops auf die Erfahrungen und Lösungsvorschläge der eigenen Bürger hört und immer wieder davon profitiert.

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