Gankino Circus in Seefeld:Furios und saukomisch

Gankino Circus in Seefeld: "Gankino Circus" wollte eigentlich schon 2020 in Seefeld auftreten. Doch dann kam die Pandemie.

"Gankino Circus" wollte eigentlich schon 2020 in Seefeld auftreten. Doch dann kam die Pandemie.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Spaßtruppe aus Franken beweist beim Gastspiel im Sudhaus technische Virtuosität und herausragende Musikalität.

Von Armin Greune

Das Wappen mittig über der Bühne des ehemaligen Sudhauses könnte als Provokation aufgefasst werden. "Koenigreich Bayern" ist darauf zu lesen, ein Oberbegriff, unter dem sich viele Franken nur ungern einordnen lassen. Und überzeugtere Regionalisten als Gankino Circus lassen sich wohl kaum finden: Fast alle witzigen Geschichten, die sie zwischen ihren fulminanten musikalischen Darbietungen erzählen, haben sich angeblich im nördlichen Teil Westmittelfrankens zugetragen.

Dietenhofen heißt der Nabel der Welt der vier akademisch ausgebildeten Musiker, die vor 15 Jahren mit Straßenmusik loslegten und inzwischen ganz schön weit rumgekommen sind. Zum Musikstudium nach Leipzig oder Finnland, auf Tourneen in der Ukraine und Kirgistan. Auch in Armenien waren sie, und ja, sogar ins georgische Frühstücksfernsehen haben sie es geschafft.

Mindestens dreimal waren sie in den vergangenen acht Jahren im Fünfseenland zu Gast. In Herrsching, im Tutzinger Keller und im Dießener Maurerhansl. Dreimal mussten sie auch Anlauf nehmen, bevor der zuerst für Frühjahr 2020 geplante Auftritt im Schloss Seefeld stattfinden konnte. Die weite Anreise vom letzten Gig bei Hannover habe sich entgegen aller Vorbehalte gelohnt, befindet Gitarrist und Kapellmeister Ralf Wieland im ausverkauften Saal am Sonntagabend augenzwinkernd: "Ganz a scheene Anlach hier".

"Sehr gepflecht" finden die Franken das Publikum

Das Publikum sei in Oberbayern ja "immer subber" und "sehr gepflecht" - im Gegensatz zur Dietenhofener Bevölkerung. "Wo mer kaa Bushaldestelle mehr ham, aber Tande Erna sich mi'm Rollador auf de Strass stellt", wenn der Anreisende rechtzeitig Bescheid gibt.

Das Circus-Gastspiel gibt Gelegenheit, über die Differenzen im Humorverständnis von Franken und Bayern zu sinnieren. Während man im Süden auch zum Brachialhumor tendiert und am liebsten andere derbleckt, ist der Witz der Franken trockener und von Selbstironie geprägt. Derbheit aber ist beiden Volksstämmen ebenso zu eigen wie die Affinität zum Alkohol. Sie kommt etwa in den Erzählungen vom "Weizen-Charly" vor, der als Wirt der "Heiligen Gans" am Tresen stirbt. Was von ihm nicht als Reliquie in der Dietenhofener Kirche verehrt wird, dient der Combo nun als Instrument: In Seefeld bedient der etatmäßige Akkordeonist Maximilian Eder das "Bonophon" aus sieben, in einem türgroßen Rahmen aufgehängten Röhrenknochen.

Der Bohrmaschinen-Sirtaki ist der größte Lacherfolg

Sehr eigenständig bedient sich das Quartett an Volkslied und Weltmusik, Pop und Polka, Turbofolk, Rock'n'Roll und Jazz. Es dominieren Klänge aus dem Balkan, Gankino ist ein bulgarischer Tanz im halsbrecherischen Elf-Achtel-Takt. Dessen rasantes Tempo wendet die Band auch auf fränkische Gassenhauer, den Erzherzog Johann-Jodler, Vivaldis Frühling oder Rammsteins "Engel" an. Virtuosität und Technik sind dabei bewundernswert. Wieland und Simon Schorndanner beweisen aber auch in langsameren, melodiösen Soli an der halbelektrischen Gitarre beziehungsweise Klarinette und Saxofon melancholisches Feingefühl. Maximilian Eder wiederum lässt beim Volkslied "Es geht eine dunkle Wolk' herein" seine wohltönende Gesangsstimme erklingen.

Gankino Circus in Seefeld: Ralf Wieland, Simon Schorndanner, Maximilian Eder und Johannes Sens (von links) auf der Bühne im Sudhaus.

Ralf Wieland, Simon Schorndanner, Maximilian Eder und Johannes Sens (von links) auf der Bühne im Sudhaus.

(Foto: Georgine Treybal)

Wenn sie aber den Turbo zünden und die Drehzahl erhöhen, was bei den meisten Stücken der Fall ist, gibt es kein Halten mehr. Auch nicht im "gepflegten" Seefelder Publikum, das bald begeistert mitklatscht, später zwischen den Stühlen tanzt und sich schließlich mit anhaltendem Jubel und stehenden Ovationen drei Zugaben verdient. Das mit der Drehzahl ist auch wörtlich zu verstehen: Der Bohrmaschinen-Sirtaki, bei dem Wieland die Gitarre mit rotierendem Plektrum am Akku-Heimwerkergerät bearbeitet, ist am Lacherfolg gemessen die Glanznummer der Kapelle. Im Sudhaus reißt ihm dabei gleich eine Saite, was ihn aber nicht wirklich irritiert.

Gankino Circus in Seefeld: Perkussionist Johannes Sens in seinem Element.

Perkussionist Johannes Sens in seinem Element.

(Foto: Georgine Treybal)

Die wilde Dietenhofener Truppe hat zur Show "Die Letzten ihrer Art" ihr eigenes Wappen mitgebracht: Auf der Bass Drum des grandiosen Perkussionisten Johannes Sens prangt ein Weizenglas hinter gekreuzten Knochen. Sicher hätte sich auch die Bohrmaschine einen Platz auf dem Signum der Band verdient. Aber mit dem aktuellen Album "Bei den Finnen" präsentiert sich Gankino Circus ohnehin mit neuem Emblem. Man kann nur hoffen, dass die hochmusikalische Spaßtruppe auch damit wieder das Fünfseenland beehrt.

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