Gilt auch für Touristen:Indonesien verbietet außerehelichen Sex

Gilt auch für Touristen: Im nördlichen Sumatra bestraft ein Sharia-Polizist einen Mann, dem schwuler Sex vorgeworfen wird, im Jahr 2021 öffentlich mit einem Rattanstock.

Im nördlichen Sumatra bestraft ein Sharia-Polizist einen Mann, dem schwuler Sex vorgeworfen wird, im Jahr 2021 öffentlich mit einem Rattanstock.

(Foto: Chaideer Mahyuddin/AFP)

Das neue Strafgesetzbuch des Inselstaats ahndet auch Blasphemie und Kritik an der Staatsideologie. Experten erkennen in dem Regelwerk islamistische Einflüsse.

Von David Pfeifer, Bangkok

Nur wenige Wochen, nachdem Indonesien sich als Gastgeber des G20 mit erhöhtem diplomatischen Geschick präsentieren konnte, hat das Parlament am Dienstag ein neues Strafgesetzbuch verabschiedet, das wie ein Rückschritt ins Vorgestern wirkt. Es verbietet unter anderem Sex außerhalb der Ehe, Demonstrationen ohne Anmeldung, die Verbreitung von Ansichten, die der Staatsideologie zuwiderlaufen und die Beleidigung des Präsidenten.

Die neuen, parteiübergreifend verabschiedeten Regeln ersetzen ein altes Regelwerk, das 1946, kurz nach der Unabhängigkeit Indonesiens von den Niederlanden, in Kraft getreten war. "Wir haben unser Bestes getan, um den wichtigen Fragen und unterschiedlichen Meinungen, die diskutiert wurden, Rechnung zu tragen", erklärte Yasonna Laoly, Minister für Recht und Menschenrechte, vor der Abstimmung. "Es ist jedoch an der Zeit, eine historische Entscheidung über die Änderung des Strafgesetzbuches zu treffen und das koloniale Strafgesetzbuch, das wir geerbt haben, hinter uns zu lassen."

Ein Passus betrifft vor allem Schwule und Lesben

Schon als der neue Entwurf im September 2019 vorgestellt wurde, war es zu landesweiten Protesten gekommen. Danach wurden Änderungen vorgenommen, aber nicht mehr in der Öffentlichkeit diskutiert. "Der Entwurf des indonesischen Strafgesetzbuches spiegelt den wachsenden Einfluss des Islamismus wider, da viele Islamisten es als das Kronjuwel dessen betrachten, was sie als Scharia-Recht bezeichnen", sagte Andreas Harsono, Forscher bei "Human Rights Watch Indonesia", im September dem Fernsehender Al Jazeera. "Das wird nicht nur für Frauen, für religiöse und geschlechtliche Minderheiten, sondern für alle Indonesier katastrophal werden."

Einige der besonders schwierigen Artikel im neuen Strafgesetz betreffen das Thema Blasphemie. Es gab immer wieder Versuche, diese als Straftatbestand zu streichen, doch das neue Gesetz erweitert die Definition sogar. Die Höchststrafe von fünf Jahren wird beibehalten und kann nun auf jeden angewendet werden, der sich feindselig gegenüber den sechs in Indonesien offiziell anerkannten Religionen und Glaubensrichtungen verhält: Islam, Protestantismus, Katholizismus, Hinduismus, Buddhismus und Konfuzianismus.

Sowohl Sex vor der Ehe als auch Ehebruch werden nach dem neuen Entwurf mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder einer Geldstrafe geahndet. Unverheiratet zusammenlebende Paare begehen in Zukunft eine Straftat, die mit sechs Monaten Gefängnis geahndet werden kann. Allerdings nur, wenn die Betreffenden von ihren Eltern, ihren Kindern oder einem Ehepartner angezeigt werden. Da Homo-Ehen in Indonesien verboten sind, richtet sich der Passus wohl vor allem gegen schwule und lesbische Paare.

Die Gesetze könnten Touristen und Investoren abschrecken

Immerhin kann künftig die Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt werden, wenn die verurteilte Person Reue zeigt. Abtreibung steht weiterhin unter Strafe, der Eingriff wird nur in medizinischen Notfällen erlaubt oder wenn die Schwangerschaft auf eine Vergewaltigung zurückgeht.

Nach Ansicht indonesischer Menschenrechtsgruppen unterstreichen die neuen Gesetze den zunehmenden Konservatismus des Landes, das früher für seine religiöse Toleranz gerühmt wurde. Sie befürchten, dass ausländische Investoren und Touristen abgeschreckt werden. Maulana Yusran, stellvertretender Leiter des indonesischen Fremdenverkehrsamtes, bezeichnete die Gesetze als "völlig kontraproduktiv in einer Zeit, in der sich die Wirtschaft und der Tourismus nur langsam von der Pandemie erholen".

Präsident Joko Widodo hatte das Parlament gedrängt, das neue Strafgesetz noch in diesem Jahr zu verabschieden, bevor sich das politische Klima vor den Wahlen 2024 aufheizt. Es tritt allerdings erst in drei Jahren in Kraft und kann noch überarbeitet werden. Und der Präsident muss es unterzeichnen.

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