Immobilien:Die Reform der Grundsteuer überfordert Bürger und verschont Oligarchen

Immobilien: Schön hier: Außenalster in Hamburg mit Villenviertel.

Schön hier: Außenalster in Hamburg mit Villenviertel.

(Foto: Hans Blossey/imago)

Die Bundesregierung verpasst Kritikern zufolge die Chance, undurchsichtige Eigentumsstrukturen zu beseitigen. Die erleichtern Geldwäsche internationaler Verbrecher wie der Mafia.

Von Markus Zydra, Frankfurt

In Deutschland kümmere man sich beim Kampf gegen Finanzkriminalität stark um die kleinen Fische, doch "die dicken Fische, die schwimmen uns davon", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Spätsommer. Damals versprach er einen "neuen Ansatz" im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Auch die "effektive Durchsetzung von Sanktionen angesichts des Ukraine-Kriegs" funktioniere nicht, gestand Lindner ein, und zwar wegen der hiesigen Behördenstruktur. Er wolle, "dass die ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht die Dummen sind, weil diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, profitieren können und man ihnen nicht auf die Spur kommt".

Während Lindner seine Pläne präsentiert, kämpfen sich Millionen Bundesbürger durch die Grundsteuerunterlagen. Die Grundsteuerreform wurde auf Forderung des Bundesverfassungsgerichts angestoßen. Für die Neuberechnung müssen jetzt fast 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Die elektronische Übermittlung ist nicht nur für ältere Menschen kompliziert. Die Frist zur Abgabe wurde deshalb bis Ende Januar 2023 verlängert.

Die Grundsteuerreform wäre nach Ansicht von Experten eine gute Chance gewesen, um beispielsweise endlich zu erfahren, welche sanktionierten russischen Oligarchen in Deutschland Immobilien besitzen. Auch andere Personen vermeiden es, solche Besitzverhältnisse offenzulegen - mithilfe undurchsichtiger Eigentumsgeflechte. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit schätzt den Wert von Immobilien im Besitz von Briefkastenfirmen in Deutschland in einer Studie auf 300 Milliarden Euro. Schon lange beklagen Städte und Kommunen, dass sie nicht wissen, wem manche Grundstücke und Immobilien in Bestlagen gehören.

All diese Immobilienfirmen müssen jetzt im Rahmen der Grundsteuerreform ebenfalls die Formulare der elektronischen Steuererklärung, kurz Elster, bestücken. Während einfache Bürger am Ausfüllen der geforderten Angaben verzweifeln, habe die Bundesregierung hier im Kampf gegen Finanzkriminalität eine gute Gelegenheit verpasst, sagen Fachleute. "Oft verstecken internationale Verbrecher und sanktionierte russische Oligarchen ihre Immobilienvermögen hinter komplexen Firmenstrukturen", beklagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz im Gespräch mit der SZ. Der Betriebswirt ist Mitglied in der Parliamentary Intelligence-Security, einem vom US-Kongress organisierten Forum, in dem internationale Fachleute und Politiker Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorfinanzierung entwickeln. SPD-Politiker Schwarz meint: "Wenn man jetzt schon diesen Aufwand mit der Grundsteuer betreibt, dann hätten die Finanzbehörden, wie bei den Bürgern auch, bei den Unternehmen nachfragen müssen, wer die wahren Eigentümer der Grundstücke sind. Das war eine verpasste Chance." Das Bundesfinanzministerium teilte dazu mit, dass die generelle Ermittlung eines wirtschaftlich Berechtigten zu einem unverhältnismäßigen Überprüfungs- und Verwaltungsaufwand führen würde.

Mafiöse Organisationen, Diktatoren, autokratische Geheimdienste, Oligarchen und Kleptokraten waschen in Deutschland jährlich etwa 100 Milliarden Euro - aus ihren kriminellen Geschäften mit Menschen, Drogen, Waffen und Umweltzerstörung. Der Betrag entspricht einem Viertel des Bundeshaushalts. Die Verbrecher investieren ihr Vermögen hierzulande sehr oft auf dem 15 Billionen Euro schweren deutschen Immobilienmarkt.

"Teilweise unsoziale Bewertungsverfahren"

Auch Steuerexperten sprechen daher von einer verpassten Chance. "Der Gesetzgeber hätte überlegen sollen, ob er im Rahmen der Geldwäschebekämpfung die Grundsteuerreform nutzen kann", sagt Johannes Stößel, Steuerberater und Dozent an der Universität Bamberg. Beispielsweise könne man durch eine reformierte Erhebung die wirtschaftlich berechtigten Personen von Immobilien, die sich teilweise durch Kapitalgesellschaftskonstruktionen versteckten, in Erfahrung bringen. "Anstatt die gesetzgeberischen Ressourcen in unterschiedliche Ländermodelle und teilweise unsoziale Bewertungsverfahren wie in Bayern zu investieren, wäre dies ein sinnvoller Ansatzpunkt gewesen, die grundsätzlich notwendige Grundsteuerreform zu nutzen."

Deutschland hat dem dreckigen Geld jahrzehntelang die Tür aufgehalten. Die EU-Kommission strengte bereits 2005 und 2009 wegen mangelhafter Umsetzung des Geldwäschegesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an. Doch viel besser wurde es nicht. Das globale Anti-Geldwäschegremium "Financial Action Task Force" (FATF) beklagte 2022 in seinem Deutschland-Bericht, die zuständigen Behörden täten zu wenig, um Finanztransaktionen großer Verbrechersyndikate zu ermitteln und gerichtlich zu verfolgen. In seiner Zeit als Bundesfinanzminister verteidigte Olaf Scholz (SPD) die Regelung, dass man in Deutschland eine Immobilie mit einem Koffer voll Bargeld bezahlen darf. Dieses Geschäftsgebaren soll nun mit dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz II verboten werden. Allerdings: Wenn Immobiliengeschäfte künftig verbotenerweise in bar abgewickelt würden, bliebe der Eigentumsübergang davon unberührt.

"Die einfachen Bürger werden vorgeführt", kritisiert der Anti-Geldwäsche-Experte Andreas Frank, der die beiden EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angestoßen hatte. "Sie messen pflichtbewusst ihre Immobilien aus, um die exakte Quadratmeterzahl zu berechnen." Danach müssten sie Kurse belegen, um das Elster-Formular zur Grundsteuer überhaupt ausfüllen zu können und das auch noch bezahlen. "Und sie gehen das Risiko ein, bei ungenauen Angaben strafrechtlich belangt zu werden", sagt Frank. "Eigentlich müssten die Finanzbehörden an die großen Fische ran. Unter Strafandrohung einfordern, dass die wahren Besitzer sich identifizieren und belegen, woher sie das Geld für die Immobilie haben und wo die Steuern entrichtet wurden", sagt Frank. "Widersetzen sich die Angeschriebenen, sollte der Staat die Immobilie konfiszieren", fordert er. "Aber das will unsere Bundesregierung nicht tun. Nur die Bürger müssen alles offenlegen."

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