Vorwurf der Amtsanmaßung:Wegen dieses Kunstplakats ermittelt nun die bayerische Polizei

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"Diese Grenze existiert nicht": Das behauptete das Plakat des "Peng! Kollektiv" in Bayrisch Gmain. (Foto: Veranstalter)

Ein Werk des Berliner Kollektivs Peng! sorgt an der Grenze zu Österreich für Aufregung. Die Polizei hat es entfernt und erhebt Vorwürfe gegen einen Kulturmann. Der ist empört. Über Kunstfreiheit an der Grenze.

Von Sabine Reithmaier

Ein großformatiges Plakat, nur 20 Meter von einem bayerisch-österreichischen Grenzübergang entfernt. "Diese Grenze existiert nicht" ist darauf zu lesen, viermal auf Englisch, Arabisch, Ukrainisch und Deutsch. In schön geschwungener Schreibschrift steht darunter "Herzlich willkommen in Bayern." Weil rechts oben der Bundesadler schwebt und unten ein Signet der Europäischen Kommission prangt, wirkt das Plakat wunderbar offiziell, auch wenn es auffallend wenig zum üblichen Verlautbarungston an bayerischen Grenzen passt. Das freundliche Plakat, ein Werk des Berliner Kunstkollektivs Peng!, durfte auch nur vier Tage in Bayerisch Gmain hängen. Dann entfernte es die Polizei.

Das Plakat war Teil einer Kunstaktion, die der Konzeptkünstler Peter Kees, 2021 mit dem Tassilo-Preis der SZ ausgezeichnet, kuratiert hat. Seine 2006 gegründete "Embassy of Arcadia" hatte elf namhafte Künstlerinnen und Künstler eingeladen, öffentliche Plakatflächen in ganz Bayern mit arkadischen Botschaften zu gestalten, selbstverständlich auf ordentlich angemieteten Werbeflächen.

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Für Kees, den selbst ernannten Botschafter von Arkadien, bildet die idealisierte griechische Landschaft die Sehnsucht nach einem vollkommenem Dasein im Diesseits ab. Auch wenn es diesen Zustand real nie gegeben hat, eignet sich Arkadien seiner Meinung nach ideal als Modell für eine gerechtere soziale Zukunft. Arkadische Botschaften thematisieren die "brennenden Gegenwartsthemen" (Kees), machen beispielsweise auf Klimawandel, Krieg oder Armut aufmerksam.

Die Aktion "Schrei es in die Welt hinaus", vom Freistaat bezuschusst, startete am 9. September in München mit einem Werk von Deutschlands bekanntestem Plakatkünstler Klaus Staeck. Im Abstand von wenigen Tagen - und auch immer nur für wenige Tage hängend - folgten Frenzy Höhne in Erlangen, Susanne Bosch in Lindau, Manaf Halbouni in Starnberg, Andy Webster & Derek Tyman in München, Hans Winkler in Rosenheim, Kees selbst in Ingolstadt, Timm Ulrichs in Nürnberg, Mads Lynnerup in Furth im Wald, Elisabeth Ajtay in Passau und Ottjörg A.C. in Neu-Ulm. Den Schlusspunkt setzte Peng! in Bayerisch Gmain am 4. November.

Nach vier Tagen entfernte die Polizei das Plakat. (Foto: Peter Kees)

Doch das Plakat des Kollektivs hing statt zehn Tagen nur vier. Kees kam am 8. November gerade noch rechtzeitig, um das hängende Plakat zu dokumentieren. "Ein Zufall", sagt er am Telefon. Als er eine Stunde später wieder an der Anzeigewand vorbeifuhr, war die arkadische Botschaft verschwunden. "Mich hat stutzig gemacht, dass alles so sauber abgenommen war, nirgendwo lagen Plakatfetzen rum", erinnert er sich. Als er verblüfft und fotografierend davorstand, hielt neben ihm eine Polizeistreife und wollte seine Papiere sehen. Kees gab sich als Kurator der Aktion zu erkennen und erstattete seinerseits Anzeige, die, so glaubt er, auch aufgenommen wurde. "Davon habe ich aber bis jetzt nichts gehört."

Die Pressestelle der Polizei Oberbayern Süd bestätigt die Entfernung des Werks. Die zuständige Inspektion Bad Reichenhall habe das Plakat als Beweismittel sichergestellt und "gegen die Person, die das Plakat in Bayerisch Gmain aufgehängt hat", Ermittlungen aufgenommen: wegen des Verdachts einer Straftat der Amtsanmaßung (§132 StGB) sowie einer Ordnungswidrigkeit (§124/I OWIG - darunter fällt die Nutzung des Bundesadlers) und eines möglichen Verstoßes gegen das Bayerische Pressegesetz. Gegen andere Personen werde, so die Pressestelle, derzeit nicht ermittelt. Ob eine Straftat, eine Ordnungswidrigkeit oder beides vorliegt, wird später, nach Abschluss der Ermittlungen, die Staatsanwaltschaft Traunstein entscheiden.

Auf Peter Kees' Schreibtisch liegt mittlerweile eine Vorladung wegen Amtsanmaßung. Für Kees ist der Vorgang ein massiver Einriff in die Kunstfreiheit. (Foto: Christian Endt)

Auch wenn Kees weder das Plakat selbst aufgehängt - "ich habe eine Firma beauftragt" - noch gestaltet hat, liegt inzwischen eine Vorladung wegen "Amtsanmaßung u.a." auf seinem Schreibtisch, er soll als Beschuldigter vernommen werden. "Für mich ist die Entfernung des Plakates auf jeden Fall ein massiver Eingriff in die im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit", sagt er. Kees, der in Steinhöring bei München und in Berlin wohnt, wundert sich, warum er oder Peng! nicht aufgefordert wurden, das Plakat zu entfernen. Gefahr im Verzug sei wohl nicht gegeben gewesen. "Daher sehen wir das eigenmächtige Handeln der Polizei als gesetzeswidrig an." Eine Anwältin hat er gleichwohl inzwischen eingeschaltet.

Auch andere arkadische Botschaften hatten in den vergangenen Monaten für Medienwirbel gesorgt. Beispielsweise als sich die Bahn weigerte, Kees' Panzer-Plakat mit der Aufschrift "Idealist gesucht" am Ingolstädter Nordbahnhof auszustellen. Und das Plakat, auf dem die Künstlerin Frenzy Höhne über das Verschwinden des individuellen Einzelhandels reflektiert, stieß in Erlangen auf den Widerstand des Grundstückeigentümers, des Unternehmens Kaufland. In beiden Fällen wurden andere Standorte gefunden.

Kees jedenfalls, schon immer begabt im Erregen öffentlicher Aufmerksamkeit, verbucht den Medienwirbel als Erfolg der Aktion. Klaus Staeck jedenfalls habe ihm bereits gratuliert, sagt er. "Er hält es für ein kleines Wunder, dass es uns in Bayern noch gelingt, nur mit Plakaten zu provozieren."

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