Ebert-Stiftung sagt Iran-Debatte ab:Immer noch Sturm

Ebert-Stiftung sagt Iran-Debatte ab: Kundgebung gegen das Mullah-Regime in München. Am Freitag soll es eine Solidaritätsdemonstration vor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin geben.

Kundgebung gegen das Mullah-Regime in München. Am Freitag soll es eine Solidaritätsdemonstration vor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin geben.

(Foto: leo.fge/IMAGO/aal.photo)

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat eine Diskussion zu den Protesten im Iran abgesagt. Vorausgegangen waren Behauptungen, Twitter-Kampagnen und Mails mit Drohungen.

Von Sonja Zekri

Vor wenigen Wochen warnte die Politikwissenschaftlerin Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik in der SZ vor einer drohenden Zersetzung der iranischen Diaspora. Wer Zweifel am unmittelbar bevorstehenden Sturz des Regimes äußere, könne zum Ziel von "Diffamierungen, Hetzkampagnen und sogar Todesdrohungen" und dem denkbar größten Affront ausgesetzt werden, "dem Vorwurf, Apologet oder Agent der Islamischen Republik zu sein".

Nun wurde sie selbst - erneut? - Ziel solcher Vorwürfe, und mit ihr weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Iran-Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung, die für Freitag in Berlin geplant war und die nun nicht stattfinden wird. Eine "koordinierte Hetz- und Hasskampagne" in den sozialen Medien, dazu "Drohungen, die die Sicherheit aller Beteiligten in Frage stellen" haben die Veranstalter gezwungen, das Gespräch abzusagen, heißt es in einer Erklärung, die die Stiftung am Donnerstag auf ihrer Seite veröffentlicht hat. Eingeladen waren neben Zamirirad die FES-Stipendiatin Bahar Oghalai und der Journalist Omid Rezaee. Svenja Schulze, Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, hatte ihr Kommen zugesagt. Als Moderator war der Politikwissenschaftler David Jalilvand vorgesehen, Gründer der Plattform Orient Matters.

Nicht alle in der Stiftung sind mit der Absage zufrieden

Eine Mail beunruhigte die Veranstalter besonders. "Darin hieß es: 'Ihr werdet hier keine Ruhe mehr haben, ihr werdet euch nicht mehr auf die Straße trauen'", sagt Elisabeth Braune, Referatsleiterin der Ebert-Stiftung für Nah- und Mittelost: "Gegen diese Mail werden wir Anzeige einreichen." Nach Beginn der Kampagne habe die Stiftung Einlass- und Identitätskontrollen vorgesehen, zudem Gespräche über die Sicherheitssituation mit dem Landeskriminalamt geführt: "Die Absage war allerdings dann allein unsere Entscheidung", so Braune. Nicht alle in der Stiftung seien "zufrieden" damit, gibt sie zu.

In den sozialen Medien lässt sich die Zuspitzung in den vergangenen Tagen nachlesen. Ging es anfangs um die Forderung, einzelne Teilnehmerinnen wie Zamirirad und Jalilvand auszuladen, war später pauschal von "Lobbyisten des Mullah Mörder Regimes" die Rede, denen die Stiftung keinesfalls ein Podium bieten dürfe. Vor allem eine Abkürzung fiel häufig, NIAC, National Iranian American Council, in den Augen der Social-Media-Ankläger der verlängerte Arm Teherans. Zumindest Zamirirad und Jalilvand gehörten dem NIAC an, so eine häufige Behauptung.

Die Kölner Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur hält den Generalverdacht gegen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für unbegründet: "Ich würde diese Einschätzung nicht teilen."

Braune weist den Verdacht von sich, dass die Debatte Regimeanhängern eine Bühne geboten hätte. Von einer etwaigen NIAC-Verbindung Zamirirads oder Jalilvands wisse sie nichts: "Ich denke, dass die Kritiker nicht unterscheiden zwischen Aktivisten und Analysten." Zu einem Gespräch der Ministerin mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Panels werde es dennoch zeitnah kommen, so Braune. Zamirirad und Jalilvand haben bereits zugesagt.

Für Freitagnachmittag ist eine Solidaritätsdemonstration mit den iranischen Protestierenden vor der Ebert-Stiftung geplant.

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