Regionalverkehr:Startschwierigkeiten zum Fahrplanwechsel in Bayern

Regionalverkehr: Blau statt rot: Von Sonntag an rollen in großen Teilen Schwabens die neuen Züge von Go-Ahead.

Blau statt rot: Von Sonntag an rollen in großen Teilen Schwabens die neuen Züge von Go-Ahead.

(Foto: Winfried Karg/Go-Ahead)

Das britische Unternehmen Go-Ahead übernimmt am Sonntag große Teile des Schienenverkehrs in Schwaben - doch es herrscht akuter Lokführermangel. Welche Folgen das für Bahnfahrer hat.

Von Florian Fuchs und Maximilian Gerl, Augsburg

Die gute Nachricht für Bahnreisende in und um Augsburg: Im Vergleich zu den bekannten roten Zügen könnten die neuen blau-weißen Fahrzeuge ein paar Verbesserungen mitbringen. Großzügigere Sitzabstände wird es zum Beispiel geben und mehr Platz für Kinderwagen wie Gepäck - nicht ganz unpraktisch, gerade auf den stark frequentierten Verbindungen gen München. Die schlechte Nachricht: Derlei Vorzüge wird es zunächst nur unter Einschränkungen geben. Das britische Eisenbahnunternehmen Go-Ahead, das mit dem Fahrplanwechsel große Teile des Nahverkehrs in Schwaben übernimmt, hat gravierenden Personalmangel angezeigt. Die Leistungen müssen deshalb zum Start auf einigen Strecken gekürzt werden.

So gesehen könnte der Wechsel von den roten Zügen der DB Regio auf die blau-weißen von Go-Ahead besser laufen. 7,6 Millionen Zugkilometer soll das Unternehmen von Sonntag an jährlich befahren: vor allem in Nordschwaben bis nach Ulm, Dinkelscherben und Donauwörth, aber auch bis Treuchtlingen, Würzburg und Aalen. Doch die kurzfristige Ankündigung über mancherorts entfallende Verstärkerzüge und schlechtere Anbindungen stoßen Fahrgastverbänden und der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) sauer auf. Letztere bestellt im Auftrag des Freistaats den Regionalverkehr und hat bereits Vertragsstrafen angekündigt. Da wird es Go-Ahead auch nicht viel nützen, auf der Riesbahn zwischen Aalen und Donauwörth nun doch einen Stundentakt auf die Strecke zu bringen. Möglich macht das eine Kooperation mit anderen Eisenbahnunternehmen, unter anderem just der abgelösten DB Regio.

Aber: Es hätte auch schlechter losgehen können. Und Startschwierigkeiten sind fast schon normal. "Betreiberwechsel führen oft zu Problemen", sagt Jörg Lange vom Fahrgastverband Pro Bahn. Fehlendes Personal, neue Züge, in der Theorie berechnete Fahrpläne, die in der Praxis so nicht funktionieren - all das sind gängige Fallstricke. Lange würde es daher befürworten, wenn neue Betreiber künftig im Sommer beginnen dürften und nicht kurz vor Weihnachten, wenn schon wegen der Witterung Probleme im Schienenverkehr vorherzusehen sind. Dass die Angebotseinschränkung erst spät kommuniziert wurde, nimmt er Go-Ahead übel. Ansonsten gebe es keinen Grund, den Betreiberwechsel von vornherein kritisch zu sehen. "Ohne Ausschreibungen im regionalen Schienenverkehr hätte es den Angebotsausbau der vergangenen 20 Jahre nicht gegeben", sagt Lange.

Tatsächlich sind Betreiberwechsel nervig für Reisende und trotzdem wichtig fürs System Schiene. Schließlich soll der Wettbewerb der Eisenbahnunternehmen um die einzelnen Netze langfristig das Bahnfahren besser machen. Das aber klappte zuletzt nicht immer. Branchenvertreter berichten, dass der Druck auf die Unternehmen zugenommen habe. Stark vereinfacht ist der Markt offener als früher, weshalb auch Neueinsteiger wie Go-Ahead mehr Chancen haben. Außerdem sind die Anforderungen gewachsen und die Betriebskosten. Wird ein Netz turnusgemäß neu ausgeschrieben, sind daher häufig die Eisenbahnunternehmen im Vorteil, die auf den Strecken schon fahren: Sie haben bereits die Züge, die Fachkräfte und die Erfahrung, möglichst passgenau zu kalkulieren. Das macht aus Sicht von Expertinnen und Experten Betreiberwechsel tendenziell seltener - und bedeutet für den Wettbewerb eine gewisse Unwucht.

Wer will, kann daher in der Netzübernahme durch Go-Ahead auch wieder ein bisschen Bewegung in allzu festgefahrenen Geleisen sehen. Liefern muss das Unternehmen freilich dennoch, trotz des Mangels an Triebfahrzeugführern. Die fehlen seit Jahren, zum Leidwesen der gesamten Branche, Quereinsteiger sind heiß begehrt. Go-Ahead konnte kaum Personal von der Deutschen Bahn abwerben oder Leihkräfte anheuern. Gut 40 Stellen blieben letztlich offen.

Bislang sind nur wenige Klagen über die Briten zu hören

Diese sollen bis zum Sommer aus der hauseigenen Lokführerschule besetzt werden, in der laut Unternehmenssprecher Winfried Karg derzeit 220 Menschen lernen. Bis dahin sollen sich die Ausfälle in Grenzen halten: Nur drei Prozent des Vertragsvolumens könnten vorerst nicht wie geplant bedient werden, sagt Karg. Die Einschränkungen seien für Fahrgäste "natürlich nicht schön, keine Frage". Aber auch um kurzfristige Zugausfälle zu vermeiden, habe man sich entschieden, lieber gleich auf weniger frequentierte Verbindungen zu verzichten. "Das ist das kleinere Übel." So soll zum Beispiel der RE 80 von Ansbach nach Treuchtlingen weitgehend gemäß Fahrplan verkehren, aber die Verbindung um 16.25 Uhr fällt wochentags vorerst aus. Reisende müssen stattdessen eine halbe Stunde auf den nächsten Zug warten. Die wichtige Strecke Augsburg - München dagegen soll von den Startschwierigkeiten ganz verschont bleiben.

Abgesehen von den aktuellen Problemen wurden hierzulande bislang wenige Klagen über Go-Ahead laut. Die britische Eisenbahngesellschaft drängt in Süddeutschland auf den Markt. In Bayern hat sie bereits im vergangenen Jahr die Strecke zwischen München und Lindau übernommen, zur Zufriedenheit von Passagieren und der BEG, die dem Pendeln auf dieser Strecke eine "hohe Qualität" bescheinigt: Die Zugausfallquote liege mit 0,9 Prozent unter dem bayernweiten Schnitt von 4,6 Prozent, Stand Ende Oktober. Es gebe zwar überdurchschnittlich häufig Verspätungen, diese seien aber in den wenigsten Fällen Go-Ahead anzulasten, sondern unter anderem Problemen im Fernverkehr. Im BEG-Qualitätsmesssystem, das Sauberkeit und Funktionalität der Züge, Fahrgastinformationen sowie die Serviceorientierung des Zugpersonals umfasst, belegt Go-Ahead mit dem E-Netz Allgäu im Ranking derzeit den vierten Platz von 32.

Auch Pro-Bahn-Mann Lange bescheinigt dem Unternehmen, den Kampf gegen die Personalprobleme früh und engagiert aufgenommen zu haben. Er hält es daher für realistisch, dass wie angekündigt von Sommer an der volle Umfang der vertraglich vereinbarten Leistungen gefahren werden kann. Lange wundert sich allerdings, dass bislang noch keine Rede davon sei, wie Abokarten-Besitzer für die Leistungsausfälle entschädigt werden. "Da erwarten wir noch Vorschläge." Hierfür sieht man sich wiederum bei Go-Ahead nicht verantwortlich, sondern verweist auf die BEG und die komplexe Vertragsgestaltung im Schienenregionalverkehr. Letztlich, sagt Karg, "reichen wir das Fahrgeld auch nur durch".

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