Gesundheitspolitik:Sorgen um die München Klinik

Gesundheitspolitik: Wird sicher aufgegeben: Der Standort der München Klinik an der Thalkirchner Straße, wo heute noch die Geschäftsführung sitzt.

Wird sicher aufgegeben: Der Standort der München Klinik an der Thalkirchner Straße, wo heute noch die Geschäftsführung sitzt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein neues Gesundheitskonzept wird gesucht - und gleichzeitig ein neuer Chef: Wie geht es mit den städtischen Krankenhäusern weiter? Die Opposition wirft der Stadtspitze vor, sie handle "unverantwortlich".

Von Heiner Effern

Nach dem überraschend angekündigten Rückzug von Axel Fischer, Chef der städtischen München Klinik (Mük), wirft die CSU der Koalition aus Grünen und SPD gesundheitspolitisches Versagen vor. "Ich fürchte, dass der Oberbürgermeister die Kliniken sehenden Auges an die Wand fährt", sagte Fraktionsvize Hans Theiss. Er gehört dem Aufsichtsrats des Krankenhaus-Konzerns an, dessen Vorsitzender Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ist. Auch Stefan Jagel, Sprecher der Fraktion Linke/Die Partei, geht mit der Stadtregierung hart ins Gericht. Grün-Rot habe die Probleme der Klinik "im Kern nicht im Griff", sagte er.

Am Freitag hatte Geschäftsführer Fischer im Aufsichtsrat seinen Abschied im Sommer 2023, spätestens aber im März 2024 bekannt gegeben. "Ich habe den Eindruck: Der Kapitän verlässt das sinkende Schiff", sagt dazu Theiss. Die Mük verliert damit innerhalb kurzer Zeit ihre beiden wichtigsten Manager.

Der kaufmännische Geschäftsführer Dietmar Pawlik wurde diesen Herbst in den Ruhestand verabschiedet, obwohl er dem Vernehmen nach gerne seinen Vertrag verlängert hätte. Theiss hält dies für einen kapitalen Fehler, den er der Koalition zuschreibt. "Ein kompletter Umbruch ist unverantwortlich, wenn ein neues Medizinkonzept auf den Markt kommen soll."

Reiter wies die Kritik in seiner Funktion als Aufsichtsrats-Chef zurück. "Herr Pawlik hat - wie der beiliegenden Pressemitteilung zu entnehmen ist - sein Arbeitsverhältnis auf eigenen Wunsch vorzeitig beendet", sagte der Oberbürgermeister. Axel Fischer habe ebenfalls angekündigt, "dass er seinen Vertrag mit der MüK auf eigenen Wunsch nicht verlängert und gegebenenfalls früher ausscheiden will. Seine Gründe hat er in der Pressemitteilung dargelegt. Das sind die Fakten, mehr gibt es dazu nicht zu sagen."

Doch grundsätzlich will Reiter auch noch etwas anmerken. "Meine Erfahrung als Aufsichtsratsvorsitzender verschiedener städtischer Unternehmen hat gezeigt, dass unqualifizierte und ausschließlich parteipolitisch motivierte Vorwürfe keinen konstruktiven Beitrag zur Problemlösung von Unternehmen darstellen." Sie führten deshalb sicherlich auch nicht dazu, Geschäftsführer zu bewegen, dauerhaft - unter ohnehin schwierigen Rahmenbedingungen - bei den Unternehmen zu bleiben. "Hilfreich ist so ein durchsichtiges Wahlkampfgetöse jedenfalls nicht."

Tatsächlich wird in der Mük gerade eine neue Grundlage gesucht und erarbeitet, wie die städtischen Krankenhäuser auch in Zukunft auf einer soliden Basis ihre Grundversorgung für alle Münchnerinnen und Münchner aufrecht erhalten können. Die Probleme sind massiv: Im Stadtrat hatte die München Klinik angekündigt, dass sie für das Jahr 2022 einen Verlust von 36 Millionen Euro erwartet.

Steht das Klinikum Schwabing zum Verkauf?

Die Patientenzahlen gehen zurück, die Energiekosten steigen drastisch. Dazu verbaut der Klinikkonzern gerade eine Milliarde Euro für neue moderne Gebäude, doch Probleme am Bau und Umplanungen sorgen immer wieder für Verzögerungen. Im laufenden Betrieb fehlt so viel Personal, dass viele vorhandene Betten in den Krankenhäusern gesperrt werden müssen.

Die CSU hat den Eindruck, dass die Stadtregierung die München Klinik nicht auf gesunde Beine stellt, sondern "in einem grün-roten Chaos" versinken lässt. So formulierte die Fraktion es im Vorwort eines offiziellen Fragenkatalogs, den sie in Kürze bei Oberbürgermeister Reiter (SPD) einreichen will. "Wie soll gewährleistet werden, dass das neue Medizinkonzept, das in 2023 verabschiedet werden soll, von einem oder einer neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung auch wirklich übernommen und gelebt wird?", heißt es dort.

Der stellvertretende Fraktionschef Theiss wirft der Koalition "Passivität" vor, insbesondere dem Spitzenpersonal. "Ich wundere mich über das Schweigen der beiden Bürgermeisterinnen. Sie können sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Die Probleme sind so existenziell, dass die ganze Stadtspitze in Mithaftung ist." Nötig sei nichts weniger als ein Kurswechsel. "Die Klinik muss wieder Chefsache und offen im Stadtrat diskutiert werden. Grün-Rot muss garantieren, dass die großen Summen, die benötigt werden, bereitgestellt werden."

Eine Frage aus dem Katalog lässt ahnen, wie grundlegend offenbar das neue Konzept gedacht wird: "Kann der Oberbürgermeister ausschließen, dass einer der vier Standorte der München Klinik gGmbH (also Bogenhausen, Schwabing, Harlaching, Neuperlach) geschlossen wird?" Beschlossen ist bereits, dass der fünfte Standort und momentane Sitz der Geschäftsführung an der Thalkirchner Straße aufgegeben wird.

Dass aufgrund des hohen Kostendrucks und des anhaltenden Personalmangels Abteilungen geschlossen oder zusammengelegt werden könnten, wurde schon vermutet. Die Anfrage der CSU legt nahe, dass es auch weitergehende Gedankenspiele geben könnte. Sollte die Aufgabe eines weiteren Standorts angedacht werden, würde wohl das attraktivste Areal für einen Verkauf oder Teilverkauf in Schwabing liegen.

Der Betriebsrat sieht den Wechsel ebenfalls kritisch

Für Linken-Fraktionschef Jagel liegen die größten Versäumnisse der Koalition woanders: beim Halten und Gewinnen von Personal, insbesondere der Pflegekräfte. "Im Schulkontext würde man sagen: Durchgefallen, Grün-Rot muss das Jahr wiederholen", sagte er. Es gebe bisher keine Kreativität und kein schlüssiges Konzept, wie man das größte Problem in der Gesundheitsversorgung in den Griff bekomme.

Wegen der Altersstruktur müsse man sogar damit rechnen, dass in zehn Jahren noch ein Viertel weniger an Pflegepersonal zur Verfügung stehe, sagte Jagel. Oberbürgermeister Reiter kündigte indes an, dass er für eine bessere Bezahlung mit den Gewerkschaften über eine Aufhebung des Flächentarifvertrags verhandle.

Der Betriebsrat hält den Wechsel an der Konzernspitze mitten in der Gesundheitskrise ebenfalls für ungünstig. "Wir stehen auf der Kippe, und jetzt kommen Neue", sagte die Vorsitzende Ingrid Greif. Sie hatte der Geschäftsführung zwar immer wieder vorgeworfen, die Arbeitnehmer nicht genügend einzubinden. Lieber wäre es Greif aber gewesen, wenn man "sich zusammengerauft und das gemeinsam hingekriegt hätte".

Sie respektiere aber die persönliche Entscheidung Fischers. Die Betriebsratschefin findet es nun jedoch "schwierig", dass die alte Geschäftsführung ein Konzept ausarbeitet, das der neue Chef dann übernehmen muss. "Der wird ja auch etwas gestalten wollen."

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