Null Acht Neun:Arme Sünder, reich zugleich

Null Acht Neun: München und seine Originale - auf der Wiesn werden sie gebührend gefeiert.

München und seine Originale - auf der Wiesn werden sie gebührend gefeiert.

(Foto: René Hofmann)

München liebt seine Originale - die Stadt verzeiht ihnen auch manchen Fehltritt, weil sie die Lebensart so perfekt verkörpern und die Menschen vor der Langeweile retten.

Von Christian Mayer

Was wäre München ohne seine Originale, die seit jeher liebevoll gepflegt werden - Persönlichkeiten, die das Publikum vor der Langeweile retten, weil sie für eine gewisse Lebensart stehen, die Liberalitas Bavariae. Leider ist die Münchner Boulevardhelden-Galerie inzwischen etwas ausgedünnt. Richard Süßmeier, Toni Netzle, Helmut Dietl, Gustl Bayrhammer, Herbert Achternbusch, alle schon von uns gegangen, aber sie leben ja weiter, auf der Theaterbühne oder im Film. Seit dieser Woche feiert das Residenztheater den größten Münchner Humoristen Karl Valentin mit dem sportlichen Singspiel "Valentiniade". Und im Privatfernsehen kann man gerade erleben, wie aus dem Giesinger Fußballtalent Franz Beckenbauer der Kaiser wurde, eine leichtfüßige Lichtgestalt des FC Bayern.

Zur Münchner Heldenverehrung gehört auch, dass man in dieser Stadt generös über kleinere und größere Grenzüberschreitungen hinwegsieht. Ein bisserl was geht immer, das war nicht nur das Motto des Monaco Franze, sondern auch die Strategie des nationalen Idols Franz Beckenbauer, als er die Fußball-WM 2006 nach Deutschland holte, wofür einige Herren der Fifa wohl gewisse Gegenleistungen erwarteten. Aber sei's drum, das Sommermärchen war ja auch für München eine Bereicherung. Im neuen Fernsehfilm "Der Kaiser" wird dieser Teil der Geschichte gnädigerweise ausgeblendet, der Film endet mit dem Finale der Fußballweltmeisterschaft 1990 und dem melancholischen Kaiser, der wie in Trance über den Rasen läuft. Weil er ahnt, wie vergänglich der Ruhm sein kann.

In München dürfen prominente arme Sünder immer auf Mitgefühl hoffen. Alfons Schuhbeck etwa, der gerade wegen Steuerhinterziehung verurteilte Spitzenkoch, weiß seine Fans immer noch hinter sich, sie werden ihn auf Händen zurück zum Platzl und ins Teatro tragen, sobald er seine Strafe verbüßt hat. Dem Fonse kann man ja nicht wirklich böse sein, was kann er denn dafür, dass er ähnlich wie Boris Becker nicht mit Geld umgehen kann?

Die Münchner Art, bei Lieblingen des Boulevards gerne mal beide Augen zuzudrücken, hat wirklich etwas Bestechendes. Es war keinesfalls Realsatire, dass die Fachmesse für Steuerberater ausgerechnet Uli Hoeneß als Stargast eingeladen hatte, im Juni 2023 sollte er dort über Motivation und Führungskraft plaudern. Inzwischen hat die StB Expo einen Rückzieher gemacht, einigen Funktionären war wohl aufgefallen, dass es vielleicht keine ganz so brillante Idee ist, einen vorbestraften Steuersünder beim Hochamt der Branche auftreten zu lassen, die auf korrekte Zahlen achten soll. Wie schade! Das hätte nun wirklich gut gepasst, zur Stadt des schönen Scheins.

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