"Oskars Kleid", Filmkomödie über ein Transkind:Ach, du armer Papa

"Oskars Kleid", Filmkomödie über ein Transkind: Das Kind sieht klar, das Kleid muss mit: Filmszene aus "Oskars Kleid".

Das Kind sieht klar, das Kleid muss mit: Filmszene aus "Oskars Kleid".

(Foto: Warner)

"Oskars Kleid" von Hüseyin Tabak erzählt das Thema Transidentität bei Kindern für ein Mainstream-Publikum. Leider nicht gut.

Von Anna Steinbauer

Die gute Nachricht zuerst: "Oskars Kleid" von Hüseyin Tabak verhandelt das wichtige Thema Transidentität für ein Mainstream-Publikum. Das neunjährige Kind, das sich jetzt Lili statt Oskar nennt, ist sich seiner Identität total klar - und das ist schön, dass der Film das auch so erzählt: Es ist ein Mädchen, trägt am liebsten sein gelbes Blumenkleid und liebt es, sich die Fingernägel zu lackieren.

Irritiert und übertrieben aufgebracht darüber ist nur einer: der Vater Ben, gespielt von Florian David Fitz, der auch selbst das Drehbuch schrieb. Eigentlich leben Bens Kinder bei der Exfrau, aber als er verpasste Daddy-Zeit nachholen will, entdeckt er, dass sein vermeintlicher Sohn sich im falschen Körper fühlt. Damit kommt er gar nicht klar - und beginnt eine große Macho-Mission, dem Kind den ganzen "Genderquatsch", wie er es nennt, wieder auszutreiben.

Zum Glück wählt der Film nicht Lilis Perspektive, sondern erzählt aus der Sicht des Vaters. Dadurch wird die Transidentität nicht problematisiert, allerdings dominiert nun die Sichtweise eines heteronormativen, weißen Typen - wie schon der Titel zeigt. "Oskars Kleid" heißt der Film, nicht Lilis Kleid. Dieser Mann ist ein einziges Polizisten-Stereotyp: intolerant, homophob und in seiner eigenen toxischen Männlichkeit gefangen. Ein Alkoholproblem hat er auch noch, das wird etwas verschwurbelt erzählt - und seltsam auf seine Herkunft zurückgeführt.

Beim Zuschauen lösen manche Szenen heftige Fremdscham-Reflexe aus

Denn Ben ist der Sohn wohlhabender jüdischer Bildungsbürger, die offenbar nie mit seiner Entscheidung, Polizist zu werden, zurechtgekommen sind. Warum sich Florian David Fitz zu all den anderen Identitätsfragen auch noch diese Konstellation ausgedacht hat, die bald in ein Dickicht unentwirrbarer Klischees führt, bleibt sein Geheimnis. Beim Zuschauen löst es jedenfalls heftige Fremdscham-Reflexe aus.

Der Film changiert unentschieden zwischen klamaukig und dramatisch, will Facetten erzählen, erzeugt aber oft nur Fragezeichen in Story wie Figurenzeichnung: Ben ist ein bisschen prollig - aber das selbstgebaute Baumhaus sieht aus wie der Kindertraum aus einem skandinavischen Designkatalog. Er verbietet seinen Kindern, im Sitzen zu pinkeln, läuft dann aber mit Glitzer im Gesicht zu einer Transfrau, um sich Rat zu holen.

Wirklich problematisch wird es, als Lili es nicht mehr aushält und in den Wald flüchtet, gefolgt von ihrem viel zu betrunkenen Vater. Das endet dann damit, dass das Kind die ganze Nacht im Freien neben dem hilflosen Erwachsenen ausharren muss, was der Film als Zeichen der Liebe feiert - jemand musste ja auf ihn aufpassen, sagt Lili hinterher.

Diese grauenhafte Verkehrung der Rollen dient nun allerdings nicht der nüchternen Feststellung, dass Lilis einziges Problem tatsächlich ihr Vater ist - denn dieser Vater ist ja gleichzeitig die Hauptfigur, die der Star des Films sorgfältig für sich selbst entworfen hat. So rückt er einmal mehr die Erwartung der Männer in den Vordergrund, mit allen ihren Beschränkungen und Überforderungen, Defiziten und Unfähigkeiten weiterhin im Mittelpunkt zu stehen - während alle anderen sich sorgend und verzeihend drum herumgruppieren müssen. Na super.

Oskars Kleid, D 2022 - Regie: Hüseyin Tabak. Buch: Florian David Fitz. Kamera: Daniel Gottschalk. Mit Florian David Fitz, Senta Berger, Kida Khodr Ramadan. Warner Brothers, 102 Minuten. Kinostart: 22. 12. 2022.

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