1. FC Nürnberg:Weinzierl bringt den Waldlauf zurück

1. FC Nürnberg: Markus Weinzierl setzt im Wintertraining des 1. FC Nürnberg verstärkt auf den Fitness-Aspekt.

Markus Weinzierl setzt im Wintertraining des 1. FC Nürnberg verstärkt auf den Fitness-Aspekt.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Nur zwei Punkte vor dem Relegationsplatz: Trainer Markus Weinzierl lässt den abstiegsbedrohten Club hart schuften, oft gibt es drei Trainingseinheiten pro Tag. Der Routinier verfolgt einen anderen Ansatz als Vorgänger Robert Klauß.

Von Christoph Ruf

Die beste Aussicht bietet für den 1. FC Nürnberg derzeit der Blick auf den Kalender. Schließlich sind es noch über drei Wochen bis zum nächsten Pflichtspiel. Und die will der Trainer Markus Weinzierl nutzen, um nach wochenlanger Arbeit an den physischen Grundlagen nun an mannschaftstaktischen und fußballerischen Dingen zu arbeiten. An diesem Samstag bestritt der Tabellenelfte der zweiten Fußball-Bundesliga noch ein Testspiel gegen den Drittligisten Erzgebirge Aue (3:3), ehe es am Sonntag ins einwöchige Trainingslager nach Belek geht. Im Besitz eines Bordpasses werden dann auch die drei Winter-Zugänge sein. Peter Vindahl Jensen wurde fürs Tor geholt, Florian Flick fürs defensive Mittelfeld und Benjamin Goller für den Angriff.

Im Grunde rätseln sie beim Club immer noch, warum die Saison bislang so schlecht lief. Zumal Platz elf weitaus beruhigender klingt als die Tatsache, dass es nur zwei Zähler sind bis zum Relegationsrang 17. Bei der Ursachenforschung wäre zum einen die Verletztenmisere zu nennen. Erik Wekesser, James Lawrence, Tylan Duman und Lukas Schleimer traf sie ebenso wie Tim Handwerker und Stammtorwart Christian Mathenia. Spieler wie Pascal Köpke, vor eineinhalb Jahren als vermeintlicher Torgarant geholt, kamen nach zahlreichen Verletzungen gar nicht erst wieder in Tritt. Der banale Rest - zu schlecht verteidigt und vor allem zu schlecht angegriffen - wirft die Frage auf, ob der Kader vielleicht gar nicht besser ist.

Oder liegt es anderen Faktoren? Wenig überraschend, dass man sich in der sportlichen Leitung auf zweitere Lesart festgelegt hat. Die Wahl dürfte auch deshalb auf Weinzierl als Nachfolger von Robert Klauß gefallen sein, weil manch einer im Team schon nach 60, 70 Minuten ausgepowert wirkte. Klauß hatte, wie die meisten Trainer seiner Generation, den Ansatz verfolgt, dass die Spieler sich ihre Fitness über Spielformen aneignen. Weinzierl ist da klassischer: Seit November wurde von morgens bis abends trainiert.

Oft gab es drei Einheiten pro Tag, die letzte führte in den Wald zum Laufen

Was in Stuttgart als großes, vom vermeintlichen Retro-Trainer Bruno Labbadia begangenes Sakrileg gilt, ist beim Altmeister in Nürnberg also längst geübte Praxis: lange Arbeitstage, hartes Schuften. Vor Weihnachten - und zwar bis zum 23. Dezember - warteten auf die Profis dann häufig sogar drei Einheiten pro Tag, die letzte führte in den Wald zum Laufen. Und danach durften die Trainingspläne für zu Hause nur zwischen Heiligabend und dem zweiten Weihnachtstag beiseitegelegt werden. Offiziell geschah all das nur, um die vielen Rekonvaleszenten wieder näher an den Kader heranzuführen.

So referiert es auch der wohl wichtigste Winter-Transfer, Peter Vindahl Jensen. Als Keeper musste er nicht jede Laufeinheit mitmachen, trotzdem berichtet er von "langen Trainingstagen", die man "kaum mit dem in den Niederlanden oder Dänemark vergleichen kann. Es ist hier viel intensiver und echt anstrengend. Aber genau das macht mir Spaß." Der Hüne aus der norddänischen Hafenstadt Helsingør, dem malerischen Drehort der Krimireihe "Sommerdahl Murders", soll in der Rückrunde Mathenia ersetzen, der mit einer Schulterverletzung ausfällt. Das ist umso ärgerlicher für den FCN, als damit nicht nur eine seit 2018 erprobte Stammkraft im Tor ersetzt werden muss, sondern einer der wenigen laut- und ausstrahlungsstarken Spieler in der Mannschaft.

Jensen kommt von AZ Alkmaar, die Leihe ist von wechselseitigem Interesse: Der Däne bekommt die dringend benötigte Spielpraxis, der Club einen Keeper, der in zwei europäischen ersten Ligen, in Dänemark und den Niederlanden, Stammspieler war. Videos zeigen einen reaktionsschnellen Keeper, der einen Ball lieber stehend und im Nachfassen sichert, als ihn mit spektakulären Verrenkungen und auf Kosten eines Eckballes über die Latte zu lenken.

Dass Jensen nicht verpflichtet wurde, um auf der Bank zu sitzen, liegt auf der Hand, wenngleich er brav zu Protokoll gibt, er wisse "spätestens nach den Erfahrungen im vergangenen Sommer" - nach 45 Spielen im AZ-Tor fand er sich plötzlich auf der Bank wieder -, "dass man im Fußball nichts als selbstverständlich betrachten sollte". Womit selbstverständlich die Rangordnung im Tor gemeint war. Und nicht die Ligazugehörigkeit des neuen Arbeitgebers.

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