Verteidigungsministerium:Lambrecht will offenbar kommende Woche zurücktreten

Verteidigungsministerium: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.

(Foto: IMAGO/IMAGO/Mike Schmidt)

An der SPD-Ministerin gab es nicht erst nach dem missglückten Silvestervideo Kritik. Ihre Amtszeit ist geprägt durch eine Reihe von Pannen.

Von Mike Szymanski, Berlin, Juri Auel und Martin Tofern

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht steht offenbar kurz vor ihrem Rücktritt. Das bestätigte das Umfeld der Ministerin der SZ. Demzufolge will sie kommende Woche ihr Amt niederlegen. Sie habe bereits mit dem Kanzler gesprochen, heißt es. Zuvor hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet. Es wäre der zweite Rücktritt im Kabinett Olaf Scholz, nachdem Familienministerin Anne Spiegel im April 2022 gegangen war.

Lambrecht war zuletzt wegen einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft scharf kritisiert worden. Sie bilanzierte darin das vom Krieg in der Ukraine geprägte Jahr 2022, ihre Worte gingen wiederholt im Pfeifen von Silvesterraketen und explodierenden Böllern unter.

Die in der Opposition befindliche Union aus CSU und CDU hatte daraufhin Bundeskanzler Scholz (SPD) zur sofortigen Entlassung der Verteidigungsministerin aufgefordert. Auf die Frage, ob die Verteidigungsministerin weiter das uneingeschränkte Vertrauen des Bundeskanzlers genieße, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner später: "Ja, selbstverständlich." Er bekräftigte: "Der Bundeskanzler arbeitet gut und vertrauensvoll mit allen Kabinettskolleginnen und -kollegen zusammen. Und das gilt selbstverständlich auch für die angesprochene Ministerin."

Das Neujahrsvideo reiht sich ein in eine Vielzahl von Pannen der SPD-Ministerin. So ließ Lambrecht ihren Sohn mit dem Hubschrauber der Flugbereitschaft in den gemeinsamen Urlaub nachfliegen. Zwar bezahlte er den Trip aus eigener Tasche, die öffentliche Wirkung war jedoch verheerend. Außerdem wurde sie kurz nach Kriegsausbruch in der Ukraine in einem Nagelstudio gesichtet, was ihr als mangelndes Feingefühl für die Ernsthaftigkeit der Lage ausgelegt wurde.

Lambrecht fremdelte mit dem Amt

Lambrecht wirkte nach Ansicht vieler Beobachter, als ob sie mit dem Amt überfordert sei und nie wirklich Verteidigungsministerin werden wollte. So soll sie bereits mehrfach bekannt haben, die Dienstgrade in der Bundeswehr nicht zu kennen. Zu Beginn des Kriegs Russlands gegen die Ukraine hatte sie - angesprochen auf militärische Hilfe - gesagt, Deutschland liefere 5000 Helme an Kiew.

Noch am Mittag war Lambrecht bei der Klausur der SPD-Bundestagsfraktion, während die Bundestagsabgeordneten sich zu einem Gruppenbild aufmachten, saß sie am Rande mit einem Vertrauten und beriet sich. In der SPD hatte keiner den offenen Aufstand gewagt, aber mehrere Abgeordneten äußerten Ihr Befremden über die Reihe an Fehlleistungen, viele in der Partei sehen ihren Ruf so beschädigt, dass sie nicht mehr die Autorität habe, die Zeitenwenden-Projekte in der Bundeswehr durchzusetzen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vor gut einem Jahr bei ihrer Vorstellung gesagt: "Sie wird eine ganz, ganz bedeutende Verteidigungsministerin der Bundesrepublik Deutschland sein." Noch im Dezember sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, sie sei eine "erstklassige Verteidigungsministerin".

Namen möglicher Nachfolgerinnen kursieren

Vor Kurzem ergab eine Umfrage, dass die Mehrheit der Deutschen Lambrecht als Verteidigungsministerin ablehnten. 77 Prozent der Befragten sprachen sich in der repräsentativen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey für das Nachrichtenportal t-online für ihre Entlassung aus. 13 Prozent vertraten die Ansicht, dass die Ministerin im Amt bleiben sollte. 10 Prozent äußerten sich unentschieden. Für die Umfrage wurden 5000 Menschen befragt, der statistische Fehler für die Gesamtergebnisse beträgt 2,5 Prozent.

Als mögliche Nachfolgerinnen Lambrechts wurden bereits seit einigen Wochen die Wehrbeauftragte Eva Högl und die Parlamentarische Verteidigungs-Staatssekretärin Siemtje Möller gehandelt. Da das Kabinett zur gleichen Anzahl mit Frauen und Männern besetzt sein soll, kommt nur eine Frau als Nachfolgerin in Frage - wenn es nicht zu einer größeren Kabinettsumbildung kommen soll.

Ende Januar, Anfang Februar steht auch die Entscheidung an, ob Innenministerin Nancy Faeser Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl in Hessen werden soll, sie könnte in dem Fall aber auch bis zur Wahl im Herbst Ministerin bleiben.

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