Gesundheit im Landkreis:Eine halbe Kinderärztin weniger

Gesundheit im Landkreis: 10,5 Sitze im Bereich Kinder- und Jugendärzte gibt es im Landkreis Ebersberg - noch. Denn von Mitte März an sind es voraussichtlich erst einmal nurmehr zehn.

10,5 Sitze im Bereich Kinder- und Jugendärzte gibt es im Landkreis Ebersberg - noch. Denn von Mitte März an sind es voraussichtlich erst einmal nurmehr zehn.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Bislang haben zwei Ärztinnen gemeinsam in Kirchseeon eine Praxis für Kinder und Jugendliche betrieben, nun hört eine von ihnen auf. Ob jemand nachfolgt, ist derzeit ungewiss - offiziell herrscht im Landkreis eine Überversorgung. Mediziner und Eltern spüren davon jedoch nichts.

Von Johanna Feckl, Kirchseeon

Die reinste Zumutung. So nennt die Mutter Mona S. die aktuelle kinderärztlichen Versorgung im Landkreis Ebersberg. Obwohl sie aktuell noch eine Ärztin für ihre zwei Kinder hat. Wie das von Mitte März an aussehen wird, ist jedoch ungewiss. Dann nämlich schließt die Abteilung für Kinder und Jugendliche unter dem Dach der "Familienpraxis" in Kirchseeon - und Mona S., die eigentlich anders heißt, wird wie so viele andere Mütter und Väter zunächst kinderarztlos sein. Ein schlechter Zeitpunkt, wenn man bedenkt, dass in fast allen übrigen Kinderarztpraxen im Landkreis Ebersberg keine neuen Patienten mehr aufgenommen werden können: Die Grenze dessen, was an medizinischer Versorgung leistbar ist, ist dort längst erreicht. Wie geht es also weiter?

Seitdem die Kinderarztpraxis in Kirchseeon vor gut zwei Jahren eröffnet hat, teilen sich Ulrike Seidel und Veronika Spranger diesen Sitz. Ihre Praxis ist Teil einer Familienpraxis, in der kinderärztliche und allgemeinärztliche Leistungen für Erwachsene angeboten werden. Mona S. sagt, dass sie sehr glücklich gewesen sei, als die Praxis eröffnete - dort fühlten sie und ihre Kinder sich sehr wohl, "und das hörte ich von allen Seiten". Wahrscheinlich war es auch das Konzept einer Familienpraxis, das gut ankam: mit dem Kind zur U4 und danach nur eine Tür weiter zum Piks in den eigenen Arm zur Impfschutz-Auffrischung. Sehr praktisch.

Betroffen sind Patienten, die bislang von Ulrike Seidel versorgt wurden

Ulrike Seidel wird nun ihre halbe Stelle in Kirchseeon aufgeben. Der halbe Sitz ihrer Kollegin Veronika Spranger bleibt dem Landkreis indes erhalten. Patienten, die bislang hauptsächlich von ihr versorgt wurden, könnten mit ihr an den neuen Wirkungsort umziehen, teilt sie mit. Auch für Patienten der allgemeinärztlichen Praxis wird sich durch den Weggang von Seidel nichts verändern. Betroffen sind also nur diejenigen Kinder, die in erster Linie von ihr behandelt wurden. Am Telefon erzählt die Ärztin zunächst viel, möchte dann aber doch lieber nicht zitiert werden.

Auch, wie viele Patienten die Kirchseeoner Kinderarztpraxis bislang versorgt, soll nicht genannt werden. Aber bei 22 718 Kindern unter 15 Jahren (Stand: 31.12.2021) und 10,5 Kinder- und Jugendarzt-Sitzen im Landkreis können es nicht wenige sein - statistisch entfallen auf jeden Sitz etwas mehr als 2163 Kinder unter 15 Jahren.

Ob der bald frei werdende halbe Kinderarztsitz nachbesetzt wird, ist aktuell unklar. Interessierte müssen sich zunächst auf die Ausschreibung im Bayerischen Staatsanzeiger bewerben und im Nachgang einen Antrag auf Anstellung oder Zulassung beim Zulassungsausschuss Ärzte Oberbayern stellen, wie ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) erklärt. Die Entscheidung über die tatsächliche Vergabe liegt nicht in den Händen der KVB, sondern in jenen des Zulassungsausschusses, er ist mit Vertretern der Ärzteschaft und Krankenkassen besetzt.

Selbst wenn sich eine Nachfolge findet, ist nicht sicher, dass diese nach Kirchseeon kommt

Weiter teilt der KVB-Sprecher mit, dass sich das Beratungscenter für den Bereich Oberbayern bereits in Gesprächen mit Interessenten befinde, man sei "optimistisch", den Sitz nachbesetzen zu können. In dem Fall bliebe allerdings immer noch fraglich, ob er wieder nach Kirchseeon kommt, denn als Selbstständige dürfen sich Ärzte und Ärztinnen frei entscheiden, wo sie sich innerhalb eines Planungsbereichs, also des gesamten Landkreises, niederlassen möchten. Verfallen jedenfalls, so der KVB-Sprecher, würde der Sitz nur dann, wenn sich gar keine Nachfolge finde.

Sollte dieser Fall eintreten, würden im Landkreis trotzdem mehr Kinder- und Jugendärzte arbeiten als eigentlich notwendig, denn aktuell herrscht laut KVB-Versorgungsatlas mit 10,5 Sitzen eine Überversorgung von 112,24 Prozent. Demnach würde sich der Versorgungsgrad bei zehn Sitzen auf 106,69 Prozent belaufen.

Doch wenn man sich umhört, gibt es in der Realität alles andere als zu viele Ärzte. Die Unterversorgung würde man jeden Tag spüren, sagt eine Kinderärztin. "Wenn ich bei keinem Kinderarzt einen Termin bekomme, dann ist das doch keine Überversorgung", sagt die Mutter Mona S., "oft sind die Praxen sogar so belastet, dass nicht mal einer ans Telefon geht". Und: "Wir sind übervoll", sagt ein anderer Kinderarzt.

Die Grundlage für die Bedarfsbemessung orientiert sich daran, wie viele Kinder und Jugendliche ein Kinderarzt oder eine Kinderärztin als Ziel versorgen soll. Das ist eine bundeseinheitliche Richtlinie, die festgelegt wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss. Auf kommunaler Ebene lässt sich an der ärztlichen Versorgung also kaum etwas ändern. "Frustrierend" nennt Kirchseeons Bürgermeister Jan Paeplow diese Tatsache. "Wir müssen mit Bedauern feststellen, dass uns da die Hände gebunden sind."

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