Wirtschaftsstandort:Familienunternehmen blicken sehnsuchtsvoll in die USA

Wirtschaftsstandort: Deutsche Unternehmen haben Sehnsucht nach den USA - als Produktionsstandort. Die deutsche Heimat dagegen schneidet in einer ZEW-Studie miserabel ab.

Deutsche Unternehmen haben Sehnsucht nach den USA - als Produktionsstandort. Die deutsche Heimat dagegen schneidet in einer ZEW-Studie miserabel ab.

(Foto: Kostas Lymperopoulos/dpa)

Die deutsche Heimat dagegen stürzt im ZEW-Länderindex weiter ab. Nur noch Ungarn, Spanien und Italien stehen weiter unten.

Von Elisabeth Dostert

Es geht abwärts mit Deutschland. So lassen sich die Ergebnisse des jetzt veröffentlichten Länderindex für das Jahr 2022 zusammenfassen. Deutschland verliert vier Plätze und landet auf Rang 18. Schon in der Studie zwei Jahre zuvor war Deutschland abgerutscht. Nur noch Ungarn, Spanien und Italien sind für große Familienunternehmen noch weniger attraktiv als Deutschland. Den Spitzenplatz dagegen nehmen erneut die USA ein.

Wirtschaftsstandort: Ziemlich weit unten: Deutschland im Wirtschaftsstandorte-Ranking des ZEW. Oben thronen die USA, Kanada und Schweden.

Ziemlich weit unten: Deutschland im Wirtschaftsstandorte-Ranking des ZEW. Oben thronen die USA, Kanada und Schweden.

(Foto: SZ-Grafik)

In der alle zwei Jahre durchgeführten Studie wird die Standortqualität von 21 Industriestaaten auf Basis von nationalen und internationalen Daten bewertet. In die Betrachtung fließen vor allem Faktoren ein, die für Familienunternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz relevant sind, weil für sie eine Verlagerung ins Ausland eine "realistische Option" sei. Als relevant hierfür gelten Steuern, Arbeitskosten, Produktivität und Humankapital, Regulierung, Finanzierung, Infrastruktur und Institutionen sowie Energie.

Das ohnehin harsche Urteil über Deutschland wäre wohl noch schlechter und das über die USA noch besser ausgefallen, wenn der russische Angriff auf die Ukraine in die Rechnung eingeflossen wäre, sagt Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Das ZEW erstellt gemeinsam mit der Beratungsfirma Calculus Consult alle zwei Jahre den Länderindex für die Stiftung Familienunternehmen.

Die höheren Energiepreise infolge der "Eskalation in der Ukraine" wirken sich laut Heinemann ganz unterschiedlich auf die im Länderindex aufgeführten 21 Industrieländer aus. "Länder wie Deutschland, Österreich und die Niederlande leiden besonders", sagt Heinemann der SZ: "Die USA und Frankreich trifft es weniger hart." Wie unattraktiv Deutschland für energieintensive Branchen geworden sei, hatten ZEW und Calculus Consult bereits im Sommer 2022 in einer Sonderstudie zu diesem Thema beschrieben. Kein Standort sei bei Energie so verletzlich wie Deutschland, hieß es.

USA beliebt, aber nicht für alle Branchen gut

Heinemann leitet den ZEW-Forschungsbereich Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft. Er ist kein Berater, er sagt Unternehmen nicht, wohin sie gehen und welche Standorte sie besser meiden sollten. Auch die USA seien nicht für alle Firmen der beste Platz. Als Nachteil für Firmen mit "einem arbeitsintensiven und exportgetriebenen Geschäft" nennt Heinemann den Inflationsschub in den USA und die Aufwertung des Dollar. Der Inflation haben die Autoren der aktuellen Studie in diesem Jahr ein eigenes Kapitel gewidmet. Dass die massiven Subventionen von US-Präsident Joe Bidens "Inflation Reduction Act" den USA letztlich helfen, glaubt Heinemann nicht: "Protektionismus ist nie ein guter Ratgeber."

Es ist die 9. Auflage der Studie, die seit 2006 erstellt wird - mit anfänglich allerdings weniger Staaten. Auch in der 8. Auflage vor zwei Jahren hatte Deutschland Plätze verloren. Allerdings lassen sich die einzelnen Jahrgänge nur eingeschränkt miteinander vergleichen, denn für jede neue Studie werden auch die Daten aus den Vorjahren aktualisiert und neu berechnet. Die Autoren warnen auch davor, den starken Abstieg Deutschlands überzubewerten. Die Länder auf den Rängen 14 bis 19 lägen in der Bewertung sehr nahe beieinander.

Der mit Abstand "größte Aktivposten" des deutschen Standorts und auch der einzige Teilindex, in dem Deutschland Platz eins belegt, ist der Studie zufolge die private und öffentliche Finanzierung. In den Teilindex fließen unter anderem Faktoren wie Kreditmarkt, Gläubigerschutz und Verschuldung ein. Derzeit profitiere Deutschland noch von den Reserven, die in wirtschaftlich starken Jahren gebildet werden konnten, heißt es in der Studie: "Diese Polster sind jedoch endlich und schmelzen derzeit schnell ab." Die Finanzpolitik habe die aktuellen Krisen mit nachvollziehbaren Argumenten durch hohe Sonderbudgets bekämpft. Dabei sei aber oft der Sinn für Prioritäten und zielgenaue Hilfen auf der Strecke geblieben. Außerdem habe die Transparenz durch die außerbudgetären Aktivitäten gelitten.

Schlecht platziert ist Deutschland dagegen beim Teilindex Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital: Rang 19, zwei Plätze schlechter als 2020. Wie schon in den vergangenen Jahren resultiere die ungünstige Platzierung vor allem aus hohen Arbeitskosten, niedrigen Investitionen in Bildung und einem geringen Anteil hoch qualifizierter Erwerbspersonen, heißt es in der Studie. Die Arbeitskosten in Deutschland - also der Betrag, den Arbeitgeber für eine geleistete Stunde Arbeit im Durchschnitt zahlen müssen - werden darin auf 43,20 Euro beziffert. Deutlich verschlechtert - vom 14. auf den 19. Rang - hat sich Deutschland auch im Index Regulierung.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusRüstungsindustrie
:"Boah, die macht jetzt Panzer"

Früher böse, heute notwendig? Susanne Wiegand ist Chefin des Augsburger Unternehmens Renk, das Panzer-Getriebe baut. Vor dem Ukraine-Krieg musste sie sich einiges anhören. Jetzt aber ist Zeitenwende - auch bei ihr.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: