Fürstenfeldbruck:Mit Gulaschsuppe gegen Armut und Einsamkeit

Fürstenfeldbruck: Eine warme Mahlzeit und ein Tisch, an dem man sie essen kann - mit dem kostenlosen Angebot reagiert die evangelische Kirche Fürstenfeldbruck auf die steigenden Lebenshaltungskosten.

Eine warme Mahlzeit und ein Tisch, an dem man sie essen kann - mit dem kostenlosen Angebot reagiert die evangelische Kirche Fürstenfeldbruck auf die steigenden Lebenshaltungskosten.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Evangelische Kirche in Fürstenfeldbruck lädt seit Beginn des Jahres zum kostenlosen Mittagstisch ein - und immer mehr Menschen kommen.

Von Clara Dünkler, Fürstenfeldbruck

Vor ihr steht ein dampfender Teller Gulaschsuppe. Dazu gibt es Semmeln und so viel Nachschlag, wie man möchte. Ursula Heider hat extra eine Tupperware dabei, damit sie für ihren kranken Nachbarn auch etwas mitnehmen kann. "Der hat ja sonst niemanden", erklärt sie. Ihr kommen dabei fast die Tränen.

Heider ist heute zum ersten Mal beim kostenlosen Mittagstisch im Gemeindehaus der evangelischen Erlöserkirche Fürstenfeldbruck. Die Gemeinde bietet seit Anfang des Jahres allen die Möglichkeit, dienstags zum gemeinsamen Essen zusammenzukommen. In dieser Woche sind es schon 30 Menschen, die das Angebot annehmen. Das seien deutlich mehr als in der vorherigen Woche, sagt Pfarrer Valentin Wendebourg.

"Da hatten wir noch etwas übrig, heute sind die Behälter geleert worden", freut sich der Pfarrer. Gemeinsam mit freiwilligen Helfern und Helferinnen hat Wendebourg den Mittagstisch initiiert. Die steigenden Preise und die Folgen der Corona-Pandemie belasteten die Menschen stark; da habe er es für die christliche Pflicht gehalten, eine Möglichkeit der Unterstützung zu schaffen.

"So etwas wie hier gibt es noch nicht in der Umgebung", sagt Heider. Es gebe zwar Anlaufstellen wie die Tafel und die katholischen Kirchengemeinden Sankt Magdalena und Sankt Bernhard, die Lebensmittel und Suppen verteilten, jedoch ohne die Möglichkeit, sich im Warmen hinzusetzen und gemeinsam zu essen.

Es ist dieser Aspekt der Gemeinschaft, der auch Menschen aus den angrenzenden Gemeinden nach Bruck kommen lässt. Nadja Ogrodower aus Puchheim und die Geschwister Sonja und Werner Malischek aus Eichenau und Olching bestätigen das. Natürlich freue man sich über die kostenlose Mahlzeit, aber am schlimmsten hätten sie mit der Einsamkeit zu kämpfen.

Das sei der primäre Grund, warum sie hier seien. Ogrodower ist begeistert: "Man fühlt sich gar nicht fremd hier, obwohl man ja eigentlich fremd ist." Alle essen gemeinsam, Helferinnen wie Gäste sitzen zusammen an den Tischen. Gespräche werden geführt und neue Kontakte geschlossen.

Fürstenfeldbruck: Pfarrer Valentin Wendebourg und die ehrenamtliche Helferin Edeltraud Reil bei der Essensausgabe.

Pfarrer Valentin Wendebourg und die ehrenamtliche Helferin Edeltraud Reil bei der Essensausgabe.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Heiders Tischnachbar löffelt hungrig die Suppe. Ihm scheint es zu schmecken, es ist seine dritte Portion. Er habe im Leben nichts falsch gemacht, sondern einfach Pech gehabt, erzählt er. Nach zwei Wasserschäden in der Küche habe er sich keine neue leisten können. Er habe geklagt, sei aber auf den Verfahrenskosten sitzen geblieben. "Das hat mich finanziell ruiniert, da ist es egal, ob ich das Abitur habe", sagt der Mann. Die warme Mahlzeit nimmt er dankbar an. Wenn man keine Möglichkeit zum Kochen habe, sei das etwas Besonderes. Er muss schnell los, noch was erledigen.

Anders ist das bei Heider. Sie hat noch Zeit für einen Kaffee. Die ehemalige Schneiderin fällt mit ihrer farbenfrohen Kleidung auf. Stolz präsentiert sie ihr Outfit, bei dem alles aufeinander abgestimmt ist. Ihr Halstuch und der Lidschatten haben den selben türkisen Farbton wie ihr Ring. Sie sei mit der Leiterin des BRK Ladens in Fürstenfeldbruck befreundet, und die Kleidung stamme von da. "Denkt man gar nicht, oder?" sagt sie lachend.

Heider ist verwitwet und lebt von ihrer Rente. Die anfallenden Kosten könne sie gerade so damit begleichen. Krankenversicherung, Telefonrechnung und den Stellplatz für ihr geliebtes Auto. "Ohne Mann kann ich leben, aber nicht ohne mein Auto", sagt sie und zwinkert verschmitzt. Heider weiß, wo und wie sie Unterstützung findet: "Man muss nur wissen, wo man klopfen muss, um leben zu können."

Heider gegenüber sitzt ihre langjährige Bekannte Lydia. Sie ist heute als Helferin da. Seit diesem Monat ist Lydia Rentnerin, sie habe nach einer Beschäftigung gesucht, sagt sie. Die Möglichkeit, im Gemeindehaus zusammenzukommen und dabei auch noch eine gute Sache zu unterstützen, gefällt ihr. Die Mahlzeiten würden nicht vor Ort zubereitet, sondern von der Diakonie Fürstenfeldbruck zur Verfügung gestellt, erklärt sie.

Außerdem sind zwei Vertreterinnen des Vereins "Die Lebensmittelretter" da. Wer möchte, kann sich aus einer Kiste bedienen. Der Verein möchte der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken. In Zusammenarbeit mit Supermärkten verteilt er aussortierte, aber noch genießbare Ware. Ein Angebot, das Sonja Malischek gut findet. Sie nimmt eine prall gefüllte Tüte mit nach Hause.

Die Gäste fühlen sich so wohl in dem Gemeindesaal, dass sie eigentlich nicht so richtig gehen wollen. Doch schließlich verabschieden sich auch die Letzen. Im Gehen winkt Heider und ruft: "Bis Dienstag dann!" "Bis Dienstag", antworten die Malischeks und Ogrodower. Sie sind sich einig, sie kommen wieder.

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